Prolog

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Das Geräusch des langsam eingegossenen Tees vollrundete das friedliche Bild der kleinen, gemütlichen Taverne.

Die schrägen und teils schmutzigen Bodendielen gaben kaum Platz für die vielen schiefen Tische und Stühle her. Unzählige Flecken auf dem Holz erzählten von zahllosen Abenden der Freude, der ein oder anderen Schlägerei und wo die eher trinkfesteren Stammkunden ihren Platz hatten.

Die Stühle kuschelten sich so eng einander, wäre die Taverne gefüllt, ein jeder Mann und eine jede Frau wäre vor sich, hinter sich und um sich von Freunden umgeben. Und das fast leere Schankregal am Ende des Raumes zeigte, hier tranken Freunde gerne.

Auch die Wände der Taverne versprachen nichts mehr als Heimat und ehrliche Arbeit. Dort hingen die schweren Äxte der Holzfäller, die erprobten Bögen der Jäger und die festen Waschbretter der Mädge. Manch ein Werkzeug befand sich nur als Dekoration an der Wand, sichtlich von Staub belegt, andere wiederum wurden fast täglich genutzt. Sie hingen so dicht und angekuschelt an der braunen Holzwand wie wohlmöglich die Gäste in dieser Taverne zusammensaßen.

Über all den Stühlen und Tischen klebte ein Strohdach, das schon bessere Tage gesehen hatte. Zwar fand man kein Loch in der Decke, aber die ein oder andere Stelle, an der das Stroh sich löste und lieber seinen Platz am Boden suchte.

Inmitten dieser alten und gutgenutzten Dinge stand ein Mann, der dieses Bild gar völlig störte, beinah herausforderte. Seine enge und maßanliegende blaue Robe hatte kein Stück Stoff zu viel, fiel perfekt an ihm herunter. Seine festen Lederstiefel und glatten Handschuhe strahlten frisch poliert, ein scharfes Glänzen spielgelte sich in diesen wieder. Und seine Haare lagen so einheitlich auf seinem Haupt, man könnte meine, er habe es diesen unter Androhung von Strafe so befohlen.

Der Mann hielt eine kleine Teekanne aus Porzellan in der Hand und schenkte sich damit in eine gleichaussehende Tasse ein. Auch diese beiden Gegenstände schienen sich eher hierher verirrt zu haben. Die Taverne zeugte von Gemütlichkeit und dem einfachen Landleben, alles an ihm schrie nach Präzision.

Nicht so sein Trinken. Er hob die Tasse mit den Fingerspitzen und kippte sich den warmen Tee in den Rachen, so wie den verdienten Schnaps nach harter Arbeit. Mit einem Schmatzen leckte er sich über die Lippen und begutachtete seine Hände.

„Lieber jetzt, bevor meine Finger gleich zu sehr zittern."

Mit diesen Worten holte er aus und schlug dem vor ihm gefesselten Bauer so kräftig ins Gesicht, ein Zahn in dessen Mund splitterte ab.

Der Bauer stöhnte unter Schmerzen auf, Spucke und Blut sammelten sich in seinem ungepflegten Bart. Sein rechtes Auge war bereits geschwollen, das linke suchte flehend den Blick nach oben. „Ich bitte dich, töt mich ned. Ich bitte dich, Herr."

Der Mann in Blau legte den Kopf in die Seite und schüttelte sich die Hand. „Inspektor. Nicht Herr. Inspektor. Und Sie müssen sich keine Sorgen machen, lieber Wilder. Ich schicke Sie doch nicht ins nächste Sein." Wieder holte der Inspektor aus und seine Faust grub sich tief in den Magen des Gefangenen vor ihm. „Nur wie lange wir uns noch die Audienz in dieser ... sagen wir mal primitiven Halle Eures Volkes teilen, das hängt von Ihnen ab."

Mit aller Ruhe lief der Inspektor um den gefesselten Bauer herum, legte seine Hände ach so sanft auf dessen Schultern und näherte seine spitzen Lippen an dessen Ohr. „Wo ist sie?"

Der Bauer erholte sich gerade noch von dem Magenschlag, er würgte trocken und schnappte gleichzeitig verzweifelt nach Luft. „Weiß ned, ich weiß doch nichts, bitte Herr ... Inspektor! Bitte Inspektor! Niemand weiß hier wat. Sind doch nur nen kleines Dorf."

Gezielt hob der Inspektor seine Hände in die Luft und zeichnete eine Linie nach. „Und direkt an einer der wichtigsten Straßen im Kontinent. Wer von der einen Seite von Auervam zu der anderen will, nun, der kommt wahrscheinlich in Ihrem Dorf vorbei, lieber Wilder." Blitzschnell verpasste er seinem Gefangenen einen Schlag mit flacher Hand auf dessen Ohr. „Also reden Sie lieber!"

Träume aus Badazan - Stadt ohne GötterWhere stories live. Discover now