24. Kapitel

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Es war zu ruhig, jedenfalls für Seroin.

Das dumpfe Dröhnen der Stadt summte nur noch weit entfernt zu ihr herüber, stattdessen musste sie sich mit dem Rauschen der Blätter eines Baumes zufriedengeben. Das Rascheln des vollen Grüns hörte sich fremd in ihren Ohren an, ein solches Geräusch verfolgte sie in Badazan kaum. Dazu Seroin schenkte der Kulisse ihre eigenen Töne.

Immer wieder stieß sie den Spaten in den kalten Boden und riss das frische Loch darin weiter auf. Die ausgehobene Erde landete unsanft neben einem in Leinen eingewickelten Körper. Der weiße Stoff begann bereits sich braun und gelblich zu färben.

Mit einem Stöhnen wischte sich Seroin den Schweiß vom Kopf und starrte grinsend in das Loch. „Du warst ein ziemlich großer Bursche. Scheiß aber auch. Da muss ich mehr graben als bei der kleinen Eiselfe. Nur dumm, das wart ihr beide gleichermaßen."

Kurz packte sie ihre Gabel mit Taubpulver Marke Gleichgültigkeit aus, doch hielt inne. „Anders hätte es nicht laufen können. Wir haben uns vom Start her belogen. Ich mach keinem von uns nen Vorwurf, wirklich. Überzeugungen zu starker Natur geraten irgendwann aneinander."

Sie steckte das Pulver ungebraucht weg und begann weiter zu graben. „Und du lagst nicht mal falsch. Wir haben vieles nicht richtig gemacht, wir hier in Badazan. Wir haben viele Schrecken, die es da draußen nicht gibt, nicht geben sollte. Es gibt eine Menge zu beheben in der Stadt. Unserer Stadt. Aber ist nun mal unsere Stadt, unsere Idee, unser Traum. Gerade diese Wahrheit, die lässt sich nicht ändern. Es sind unsere Fehler als Sterbliche und es sind damit unsere sie zu beheben. Und wir beheben Fehler, versuchen zu retten, was zu retten ist. Und drehen denen nicht einfach den Hals um."

Sie lehnte den Spaten an dem Baum ab und blickte empor in die kalte Nacht.

Dort oben schimmerten die zahllosen Sterne, ihr Licht gerade hier stark genug, Seroins Augen zu erreichen.

Die Inspektorin konnte das Himmelslicht nicht lange ansehen, wand beinah beschämt den Kopf ab und sah auf die eingewickelte Leiche neben sich. „Aber du konntest das nicht verstehen. Du konntest es einfach nicht. Für dich gab es Hell und Dunkel. Richtig und Falsch. Die Zeit hat dir das so gelehrt, der Krieg hat es gleichgetan. Ich klage dich nicht an, ich erkläre mir nur, wie man so denken kann wie du. Mir wäre es nicht anders gegangen, wäre ich aufgewachsen wie du. Aber Tomga, ich bin nicht wie du aufgewachsen. Ich lebte mein Leben in Badazan. Und wir sehen das Leben nicht so extrem. Wir können unterscheiden. Deswegen, und nur deswegen, drehen WIR niemanden den Hals um, der nicht so denkt oder glaubt wie wir."

Mit einer gewissen Schwere hob sie ihren Blick vom Leichnam weg Richtung eines kleinen Karrens mit einem einzelnen Pferd daran gespannt.

Und von dort, mit einem geschlagenen und seltsam stillen Gesicht, sah Tomga zu ihr zurück. „Ich hätte es verstanden, vollkommen, wenn du mich getötet hättest." Der Ritter versuchte sich langsam vom Karren zu lassen, doch zuckte schmerzerfüllt auf. Ein schmutziger Verband war um sein Knie gewickelt, das Bein wirkte steif und geschwollen.

„Weiß ich, Tomga, weiß ich. Aber ich bin nicht so. Lass. Ich mach." Seroin stützte den Elf unter den Armen. „Dein Bein konnte ich gerade so behandeln, die Wunden sind zu. Aber nicht richtig geheilt. Laufen wird ab jetzt weh tun. Stehen genauso. Wir können noch einmal in die Stadt und es richtig heilen lassen."

Tomga schüttelte den Kopf. „Nein. Nein, das will ich nicht. Jeder gesunde Schritt würde mich an diesen Ort erinnern. Ich kam mit einem Humpeln her, es ist schön, dass ich mit einem solchen wieder gehe. Vielleicht vergesse ich all das hier, bin befreit von der Erinnerung an Badazan."

Die beiden schleppten sich zu dem frischen gegrabenen Loch und Seroin winkte in dieses hinein. „Deine Rüstung und dein Schwert. Beides liegt drin. Dazu werfe ich einen Elf Leichnam und schon liegt hier Tomga Balf. Badazan wird dich nicht vermissen."

Träume aus Badazan - Stadt ohne GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt