11. Kapitel

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„Geht es dir nicht gut?" Tomga lehnte sich in dem staubigen, dunkelroten Sessel nach vorne und betrachtete besorgt Seroins Bein.

Die junge Frau konnte nicht aufhören zu zucken, ihr Leib zitterte mit einer Mischung aus Neugier und Sorge. „Wie soll es mir hier gehen? Ich fühle mich wie eine Gefangene? So begrüßt man also Gäste da draußen?!" Sie winkte zu den anderen Männern im Raum.

Um sie herum standen hohe Gestalten in kaltem, mattgrauem Stahl. Sie trugen einen breiten Schild, der aus vielen kleinen Metallvierecken zusammengeschweißt war, die Quader verflossen sich zu einer weiten Wand. An ihrem Rücken ruhte jeweils ein Speer, die Spitze scharf und mit Widerhaken versehen. Die glatten, runden Helme ließen kaum einen Blick nach innen zu, doch Seroin spürte alle Augenpaare auf sich.

Tomga dagegen winkte begeistert um sich. „Gefangene? Dies sind die Ehrenwachen und die Leibgarde von Dame Olva aus der Hölzernen Brandung. Im Daumaje galten sie als die gefährlichsten Drachentöter aufseiten von Diersa. Ihre Stadt hielt bis zum Ende gegen Iwibu, dem Drachen leerer Himmel, Stand. Die Dächer der Stadt verschmolzen zu einem Schild gegen das ewig niederpeitschende Feuer, es sind wahre Helden! Immer wenn ich den berühmten Dachschild dieser Männer sah, da fühlte ich mich sicher!" Er deutete auf den Schild aus vielen Quadern und strahlte auf.

Die Wachen stellten sich bei seinen Worten etwas gerader, man konnte ihr Schmunzeln fast hören.

Doch Seroin beugte sich weiter vor, ihr kleiner Holzhocker knarzte auf. „Und warum sind sie nicht bei ihrer Herrin anstatt zwei einfacher Gäste zu ... beschützen? Und warum werden Gäste hier empfangen? Dem kleinsten Raum mit kaum einem Fenster? Und dazu noch so staubig? Was ist das überhaupt für ein Raum? Und wozu das Loch in der Wand?"

Tomga folgte ihrem Deut. „Der Kamin? Du weißt nicht, was ein Kamin ist?"

Seroin schüttelte den Kopf und begutachtete die Feuerstelle weiterhin verwirrt.

„Zum Heizen und der Gesellschaft. Wie viele Stunden ich an den Flammen verbrachte habe und mich austauschte. Das Leben und die Liebe findet davor statt."

Die junge Frau fuhr eine Braue hoch. „Man zündet es an? Im Haus?! Damit alles abbrennt? Oder man an dem Rauch erstickt?"

Der Elf schüttelte seine blonde Mähne. „Nein, damit es warm wird. Rauch zieht nach oben ab. Heizt hier niemand mit Holz und Feuer?"

„Straßenvolk verbrennt was es finden kann. Die meisten Häuser in Badazan haben verzauberten Stein, der gibt stetig Wärme ab. Wenigstens einen solchen Boden. Aber Feuer einfach so im Haus? Kerzen ja, vielleicht Fackeln. Aber so etwas?!" Seroin musterte den Raum. „So sieht es dort draußen aus? Wände aus Holz, bunte Farben. So furchtbar eng und dunkel. Und der ganze Staub?!"

Der Ritter nickte. „In Badazan kennt man keinen Staub, eh? Fiel mir direkt auf. Eure Räume tragen freie Luft. Aber ja, so sehen viele Häuser dort draußen aus. Hier könnte ein fleißiger Jäger sitzen und zu der Idee der Jagd betten, oder einem ihrer Kinder, vielleicht der mächtigen Finlora, stolze Tochter der Jagd. Auch sehe ich hier den Fleischer, der lecker Eintopf vorbereitet. Oder die Großmütter, die Leinen färben und sich freudig austauschen. In solchen Räumen verstehe ich die Welt."

Ungeduldig trat Seroin zu dem winzigen Fenster heran. Draußen lagen weite grüne Felder, unzählige Gestalten ackerten sich in der niederprasselnden Hitze der Sonne ab. „Das Weide-Viertel. Grünflächen in Badazan, es kam mir schon immer fremd vor. Hätte ich gewusst, dass solche Häuser hier stehen ... alles hier ist so ..."

„Ehrwürdig?" Die kalte Frauenstimme ertönte Richtung der einzigen Tür im Raum. Die Dame stand hoch, einen halben Kopf größer als Seroin, doch genauso schmal. Von ihrem Haupt fiel glattes, schwarzes Haar herab, einzelne graue Strähnen wirkten wie Flüsse aus Asche in einem Meer aus Tinte. Ihre bestimmten Züge hielten sich ausdruckslos auf Seroin, dann sah die Frau mit ihren hellblauen Augen zu Tomga herüber und begann zu lächeln. Ihr feines, langes Kleid wehte auf, als sie freudig auf ihn zu eilte und ihm um den Hals fiel. „Umgeben von Fremden und Spott unserer Ideen, selten freute ich mich mehr ein vertrautes Gesicht zu sehen. Die Narben in deinen Antlitz sind wie ein altes Kunstwerk endlich wieder zu bestaunen."

Träume aus Badazan - Stadt ohne GötterWhere stories live. Discover now