19. Kapitel

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Die grellen Lichter und stechenden Farben im Keller des Aderlasses erreichten Seroin wirklich. Die schrille Musik und das Stöhnen der tanzenden Gäste randvoll mit Taubpulver traute sich an ihre Ohren heran, doch sie nahm es nicht wahr.

Seroin lehnte sich am Tresen der Bar an und starrte auf die Szene vor sich, sie sah eine Menschenmasse sich ihren gottgegebenen Instinkten hingeben. Und sie alle wirkten so klein. Ihre Augen schärften sich, sie hasste die Menschen vor sich gerade mehr als alles andere.

Die hier tanzten und tranken, schlitzten sich die Haut auf für mehr Pulver, rieben ihre Leiber, pressten ihre Lippen in blinder Ekstase aneinander. Diese hier planten nicht, schauten nicht, lebten nicht. Dort draußen wandelten die Kinder von Göttern, eine so gänzliche mächtigere Art über ihnen Sterblichen, so fremd. Doch die Masse hier kümmerte sich nicht. Dort draußen plante man den Tod all dieser Halbgötter und vieler mehr, die Welt außerhalb von Badazan auf ewig zu verändern, doch die Masse hier tanzte weiter.

Seroin wusste nicht einmal, was sie von diesen verlangen könnte. Sollten sie es wissen? Sollten sie sich beteiligen, eine Meinung dazu haben? Die schwitzenden Leiber waren gerade nichts mehr als eine blinde Ansammlung, geleitet von der Stadt Badazan. Von der Stadt und von ...

Sie sah herunter in ihre offene Handfläche, dort lag schimmernd der randvolle Zylinder eines A.M.I.s. Ihr Blick spiegelt sich in der dunkelroten Flüssigkeit wider, starrte verzerrt zu ihr zurück. Sie war so unglaublich klein, so unbedeutend, wer würde ihre Geschichte je erfahren, wer würde sie beachten? Vielleicht tat die sinnlose Masse vor ihr das einzig Richtige, was Sterbliche auf dieser Welt tun konnten.

Die nasskalten Finger an ihrer Schulter rissen Seroin ins Jetzt zurück. „Liku?! Nicht so! Man schleicht sich an niemand heran, nicht hier. Ein einfacher Gruß würde reichen."

Der dürre und blasse Elf im übergroßen Hemd schmunzelte, seine nasse Haut spiegelte die Lichter des Aderlasses wider. „Du hast mich direkt angeglotzt, warst vielleicht nicht ganz hier." Seine pechschwarzen, stetig unruhigen Augen musterten ihren Unterarm. „Zu viel Pulver, Seroin, zu viel. Was brauchst du? Zitterlippe schickt dich?"

Seroin lehnte sich vor. „Wie eh und je. Informationen. Der Elf vom letzten Mal, Tomga Balf. Ich brauche alles um ihn, wer hat ihn gesucht, wer hat an ihn gedacht, wer hat ihn zuletzt gesehen. Alles."

Liku grinste schärfer. „Ist er verschwunden? Und wenn du so dringend fragst, ist er mit guter Beute verschwunden?"

Seroin wedelte die Frage gekonnt ab. „Schlimmer. Wir haben seine kleine Hure einer Schwester gefunden und was macht er? Denkt abzuhauen ohne mich zu bezahlen. Das toleriere ich nicht, nicht von ihm"

Mit Verständnis nickte Liku ihr zu. „Sowas geht nicht, nein, nein. Diese Barbaren dort draußen denken, sie können sich alles erlauben. Dafür auch keinen A.M.I., geht auf mich. Ich sag immer, Zuwachs ist der Dreck der Straße. Die sind gut fürs Einboxen und als Huren, nicht fürs Geschäft."

Der Traumtänzer schloss die Augen und durchblätterte seine zahllosen Erinnerungen, dabei redeten seine Lippen weiter. „Und sicher, dass er nicht geflohen ist?"

Seroin schüttelte den Kopf. „Glaube ich nicht, er ist noch hier. Nur muss ich ihn finden."

Liku zischte. „Bei diesen neuen Kontrollen an den Toren kommt niemand so schnell raus. Die Inspektoren haben ihre Durchsuchungen beinah verdreifacht. Alles wegen der Jungen Ernte sagen sie. Gut so. Sollen das Magie-Viertel einfach niederbrennen und vorbei ist es."

Mit einem Ruck öffnete er wieder die Augen. „Ich habe leider nichts Aktuelles über ihn. Anscheinend suchen ihn ein paar Leute, warum weiß ich nicht. Und bei Zuwachs interessiert mich das auch nicht sonderlich. Ansonsten taucht er nur noch in einer älteren Erinnerung auf."

Träume aus Badazan - Stadt ohne GötterDonde viven las historias. Descúbrelo ahora