12. Kapitel

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„Wir nehmen die Nächste, danke." Bei diesen Worten ergriff Seroin Tomga am Arm und hielt ihn an Ort und Stelle.

Vor ihnen erhob sich eine breite, runde Steinplattform langsam gen Himmel, zog sich gerade an der Wand eines Säulenturm empor. Nach wenigen Momenten flog sie wieder herunter, die vielen Passagiere darauf nun in den Etagen des Turms verteilt.

Seroin zog Tomga auf die Platti. „Je weniger mit uns auf der Plattform, umso weniger Hände in unseren Taschen." Sie wand sich dem Betreiber zu. „Silberküche. Und langsam, er hat Höhenangst."

Der Zwerg am Steinpult der Plattform nickte grob und hob wieder die Hand. Die Plattform schwebte in die Lüfte, Tomga wich sofort in deren Zentrum zurück.

„Ruhig. Schau nach oben, einfach in den Himmel, schau nach oben." Seroin konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Während der Stein langsam hinauf flog traute sich der Ritter tatsächlich einen Blick hinab zum Stadtviertel. „Hier ist ... viel ... zu viel ..."

„Zu viel was? Trunk? Feierei? Nacktes Fleisch? Ich habe dich vorm Liebviertel gewarnt, oder? Alle Triebe, die man auch in einer Dorftaverne findet, sind hier, doch in den Maßen ... nun ... einer ganzen Stadt." Seroin beugte sich vor und sah über das Viertel.

Die Häuser hier waren tiefer gebaut, kaum hatte mehr als ein Erdgeschoss. Dafür standen sie eng und dicht beieinander, bildeten viele verwickelte Gassen. Unzählige bunte Lichter schossen durch diese Pfade zu ihnen hinauf, das Ganze sah aus wie ein pulsierendes Mosaik. Beinah konnte man eine Art Puls in dem Aufglühen der zahllosen Lichter erkennen, als wäre das gesamte Viertel mit wildem Trieb lebendig.

Auch hier wurden die dutzenden Antlitze der drei großen Familien in die Luft geworfen, ihre werbenden Sprüche schenkten den nächtlichen Geräuschen einen Grundton.

Was das Liebviertel deutlich hervorstechen ließ waren die bekannten Säulentürme. Anstatt dass diese sich einen gebührenden Abstand teilten, ruhten die steinernen Riesen nun in Gruppen von drei bis vier nebeneinander. Dutzende breite Brücken verliefen zwischen nahstehenden Türmen hin und her, dort, mehrere hunderte Schritte in der Luft, pulsierte das Nachtleben ebenso laut und bunt. Die Gruppen an Säulentürmen sahen aus wie Straßenräuber, verdächtig abgewandt zu einem Kreis zusammengestellt, Arme auf den Schultern des anderen, bereit den nächsten Raub zu planen.

Seroin genoss den Anblick des Viertels mehr als das Viertel selbst, doch sogar diese Freude war Tomga genommen. „Ich spreche niemanden seinen Wein ab. Oder ein geteiltes Bett, wenn man lange allein reiste. Aber hier ... es wird einem alles ... entgegengeworfen. Dauernd schrie man mir ins Gesicht. Trunk! Diese Pulver! Frauen! Männer! A.M.I.s! Als ob das Viertel einen in den Tod betäuben will."

„Manch einer wünscht sich dies." Seroin schnupperte in der Luft. „Die Leute auf den Feldern. Harte Arbeit verlangt verdiente Feier. Oder die Menschen hier. Wo besser seine A.M.I.s ausgeben als in dem Leben was man kennt."

Tomga wich wieder zurück. „Warum fliegt dieses Monstrum eigentlich außerhalb des Turms? Man sagte mir, diese Plattformen fliegen IM Turm, in deren Innenhöfe! Das hier ist schlimmer."

Seroin deutete auf den Zwerg am Pult. „Sicherheit. Leichter zugänglich. Und diese hier ist öffentlich. Man will ja die guten Leute einladen, nicht wahr?"

Der Zwerg grinste, darauf hielt die Plattform abrupt an. „Silberküche, 31. Stock."

Seroin zog Tomga von der Plattform in den Säulenturm hinein. Gerade atmete der Ritter noch erleichtert aus, da weiteten sich seine Augen erneut. Er taumelte langsam nach vorne und stützte sich am Geländer des Rundgangs ab, sah nun den hohlen Kern des Gemäuers auf und ab.

Träume aus Badazan - Stadt ohne GötterWhere stories live. Discover now