Kapitel 4

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Es war inzwischen Donnerstag und nach drei Tagen Unterricht hatte ich mich langsam wieder an den Schulalltag gewöhnt. Auch wenn das Pensum mir definitiv zu viel war, was ich allerdings nicht zugeben wollte. Ich versuchte so gut es ging mitzuarbeiten und meine Freund*innen erklärten mir auch wirklich viel, was half. 

Außerdem brauchte ich mir seit zwei Tagen keine Gedanken wegen der Sache mit Micha zu machen. Ich traf ihn kein einziges Mal an und Raffi und Leon standen ohne ihren Anführer herum. Vermutlich war er krank oder so.

Ein weiterer Freudenstrahl an diesem Tag war die Foto-AG in den letzten beiden Stunden. Ich würde zwar zwei Stunden ohne Timothy aushalten müssen, dafür durfte ich die Zeit mit seiner Schwester Grace verbringen. 

Das letzte Mal hatten wir uns in der Klinik gesehen, als sie mich zusammen mit meinen anderen Freund*innen besuchen gekommen war. Jetzt freute ich mich riesig auf ihre fröhliche und positive Art.

Doch davor musste ich noch dringend etwas erledigen. Timothy und ich waren gerade auf dem Weg zu unseren AGs. 

Als wir an den Toiletten vorbeikamen, schnappte ich ihn am Arm und zog ihn in den weiß gefliesten Raum. Es war sonst niemand hier. Verwundert schaute er mich an. „Musst du mal?"

„Sozusagen", grinste ich nur und schob ihn dann in eine der leeren Kabinen. „Aha", meinte er nun auch grinsend, „was hast du vor?" Doch ohne ihm zu antworten, drückte ich ihn gegen die Kabinenwand und meine Lippen auf seinen Mund.

Ich würde ihn die nächsten zwei Stunden nicht sehen und danach konnten wir uns auch nicht treffen, da er nach seiner Schach-AG, noch Klavierunterricht hatte. Es war also dringend notwendig, meinen Timothy-Akku nochmal aufzuladen. 

Wie immer wurde unser Kuss in kürzester Zeit viel zu intensiv und Timothy drückte mich wieder von sich. Allerdings klingelte in diesem Moment auch die zweite Klingel, die uns verdeutlichte, dass wir uns beeilen sollten. Ich öffnete die Kabinentür also wieder. 

Am Pissoir stand ein Junge, höchstens in der 6. Klasse und schaute schockiert von seiner Tätigkeit auf, als wir beide aus der Kabine stolperten. „Ups", kicherte ich nur und zog Timothy hinter mir her aus dem Jungsklo. 

Draußen vor der Tür zerriss es uns dann fast vor Lachen. „Hast du gemerkt, dass jemand reingekommen ist?", fragte ich glucksend.

„Nee", lachte er, „aber Shit, wir müssen uns beeilen." Diesmal griff er nach meiner Hand und wir rannten los.

Die AGs befanden sich alle im selben Abschnitt der Schule, wir hatten also den gleichen Weg, bis wir ganz außer Atem vor dem Raum der Schach-AG ankamen. Schnell drückte ich meinem Freund nochmal einen Kuss auf den Mund, bevor er zur Tür ging. 

Ich rannte noch drei Zimmer weiter und sollte Glück haben. Die anderen Schüler*innen, zusammengewürfelt aus verschiedenen Klassen, starrten mich an, als ich ins Zimmer gerannt kam. Doch schnell bemerkte ich die Abwesenheit unserer Lehrerin und blieb erst mal stehen, um zu verschnaufen. 

Wie immer kam Frau Mazurek wohl ein bisschen zu spät. Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen und entdeckte Grace. Sie strahlte mich an wie ein Honigkuchenpferd. Rasch ging ich auf sie zu und als ich bei ihr ankam, stand sie auf und nahm mich fest in den Arm. 

„Schön, dass du wieder da bist! Ohne dich hat es nur halb so viel Spaß gemacht", meinte sie. Ich grinste und setzte mich auf meinen Platz. Dann bemerkte ich, dass sie mich ziemlich amüsiert betrachtete. 

„Hab ich was im Gesicht?", fragte ich sie und griff mir instinktiv mit der Hand an die Wange.

„Nein, nein", kicherte sie, „aber du riechst so arg nach Timmy, dass wenn ich meine Augen schließen würde, wetten könnte, dass er neben mir sitzt und nicht du."

Die Haut unter meinen Sommersprossen wurde knallheiß und ein verlegenes Grinsen schlich sich auf meine Lippen.

„Ich weiß noch, als wir vor fast einem halben Jahr hier zum ersten Mal zusammen saßen und du dich über ihn beschwert hast. Und jetzt seid ihr einfach so ein süßes Paar." Ihre Augen strahlten vor Stolz und ihre lieben Worte freuten mich sehr. 

„Danke", nuschelte ich. 

In dieser Sekunde erschien plötzlich die Schulsekretärin im offenen Türrahmen. „Es tut mir leid, ihr Lieben, aber Frau Mazurek wurde ganz kurzfristig aufgehalten. Ich würde euch deshalb bitten, in die Hausaufgabenbetreuung zu gehen, oder wenn es für euch möglich ist, dürft ihr auch direkt nach Hause."

Erst freute ich mich über diese Auskunft, doch dann schaute ich wehmütig zu Grace. „Schade, jetzt hatte ich mich auf die Zeit mit dir gefreut." 

Wie immer ließ sie mich in den Genuss ihrer positiven Ausstrahlung kommen und meinte lächelnd: „Wir können uns auch noch zusammen ein bisschen in den Aufenthaltsraum setzen, außer du möchtest lieber gleich nach Hause?" 

Nein, zu Hause würde mir alleine nur die Decke auf den Kopf fallen. Ich nickte also lächelnd. Wir schnappten unsere Jacken und Rucksäcke und pilgerten zusammen los. 

Im Aufenthaltsraum angekommen, suchten wir nach einem ruhigen Plätzchen, wo wir ungestört quatschen konnten. Doch, als wir dann dort saßen, wussten wir erst nicht so recht, was wir außer Small Talk reden sollten. In der Foto-AG war das irgendwie einfacher, da hatten wir ja immer eine Aufgabe, über die wir zusammen redeten. 

Aber nach kurzem Überlegen fiel mir etwas ein: „Timothy hat mir erzählt, dass ihr erst mit dreizehn Jahren von eurer eigentlichen Identität erfahren habt?" 

Timothys Familie wusste Bescheid, dass er mir das Familiengeheimnis erzählt hatte. Andrew war natürlich komplett ausgerastet, was ihn auch dazu veranlasst hatte, Timothy nicht mehr mit dem Auto zur Schule mitzunehmen. Aber auch die Eltern waren anscheinend nicht gerade begeistert gewesen, auch wenn diese sich inzwischen wieder beruhigt hatten. 

Die einzige, die von Anfang an kein Problem damit hatte, war Grace. Und so grinste sie mich nun an und antwortete: „Ja genau, das stimmt. Davor hatten wir alle keine Ahnung."

„Und auch krass, dass ihr sonst von keinem anderen wie euch wisst. Vielleicht seid ihr ja einzigartig auf der ganzen Welt."

Sie schmunzelte. „Rein statistisch gesehen, bin ich mir aber ziemlich sicher, dass es noch mehr von uns geben müsste." 

Ich horchte auf. „Denkst du? Habt ihr schonmal danach recherchiert?"

„Klar", meinte sie, „ich hab schon das halbe Internet auf den Kopf gestellt, aber alles, was man da findet, ist Quatsch, beziehungsweise, passt gar nicht zu uns." 

Nachdenklich musterte ich sie und dann kam mir eine Idee: „Wart ihr schonmal im Stadtarchiv? Man kann vom Stadtbibliotheksserver darauf zugreifen. Da gibt es echt alles Mögliche alte Zeugs und wer weiß, vielleicht finden wir ja dort irgendetwas."

Sie wirkte nachdenklich, doch dann hellte sich ihr Blick auf. „Also ich denke, ein Versuch wäre es auf jeden Fall wert. Ich frage heute Abend Timmy. Dieses Wochenende bin ich schon verplant, aber hättest du nächsten Samstag vielleicht Zeit?"

Ich fand die ganze Sache mega spannend und nickte ihr grinsend zu.

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Hallöchen,

wie cute war diese Jungsklo-Kabinen-Aktion, bitte? xD

Und für die Grace-Fans unter euch war in dem Kapitel auch mal wieder was dabei :)

Wie findet ihr Tristans Idee? Denkt ihr in dem Stadtarchiv könnten sie etwas dazu finden?

Freue mich wie immer auf eure Votes und noch mehr über eure Kommentare! <3

Love ya,
Elena <3 :)


Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werdenМесто, где живут истории. Откройте их для себя