Kapitel 11

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Nach einem viel zu kurzen Wochenende saß ich wieder an meinem Platz in der Schule. Ich langweilte mich. Es fiel mir immer noch schwer, bei allen Fächern mitzukommen und oft driftete ich gedanklich ab. 

Wobei auch Timothy heute nicht bei der Sache war. Er scrollte unter dem Tisch auf seinem Handy und suchte verzweifelt nach dem einen William Johnson. Doch in den letzten 100 Jahren gab es unzählige davon auf dieser Welt. 

Seine geistige Abwesenheit blieb auch bei unseren Lehrer*innen nicht unbemerkt. Mehrmals wurde mein sonst vorbildlicher Freund deshalb ermahnt.

„Was ist heute eigentlich los mit dir?", fragte Robin Timothy, als wir uns in der Mittagspause an unseren Stammplatz in der Mensa setzten.

Verwirrt schaute dieser von seinem Smartphone auf. „Was soll mit mir sein?"

„Du starrst schon den ganzen Tag auf dein Handy."

„Ach so. Ich recherchiere etwas, aber nicht so wichtig."

Robin zuckte mit den Schultern und meinte dann grinsend: „Solange du dein Handy morgen beim Training weglegst, kann es mir ja egal sein."

Timothy lächelte zurück und schob das vereinnahmende Gerät in seine Hosentasche, um sich endlich seinem Essen zu widmen. Er begann mit Robin ein Gespräch über Fußball.

Ich bekam es nur auf einem Ohr mit und beobachtete stattdessen Henry. Er stocherte freudlos mit der Gabel in seinem Essen.

„Henry?", flüsterte ich. Er schaute auf und sah mich unglücklich an. „Gibt's was Neues von Greta?"

Er schüttelte den Kopf und antwortete leise: „Nein, ich habe meinen Eltern noch nichts gesagt. Und ihr Zustand ist bisher unverändert. Ich wollte dich darum bitten, dass du morgen doch nochmal versuchst, mit ihr zu reden. Mich lässt sie nicht an sich heran."

Ich nickte besorgt. „Mach' ich, keine Sorge, Henry. Es wird bestimmt alles wieder gut, okay?"

„Hoffentlich."

Am nächsten Tag wurden Henry und ich wieder von seinem Dad abgeholt. Auch dieses Mal wurde ich während der Fahrt von Maxis großen braunen Augen beobachtet und zu Hause angekommen, von den Zwillingen bequatscht. 

Doch heute hatte ich für die drei jüngeren Geschwister von Henry keinen Kopf. Ich dachte an Greta. Hoffentlich ließ sie mit sich reden. Doch bevor ich zu ihr ging, begab ich mich mit Henry in sein Zimmer. 

Heute in der Schule hatte er noch abwesender gewirkt als gestern und ich wollte wissen, ob etwas Neues passiert war. Bevor ich fragen konnte, schloss er seine Tür und fing direkt an zu erzählen.

„Tris, gestern ist sie echt komplett durchgedreht! Ich wollte nochmal selbst mit ihr reden. Aber sie hat mich angebrüllt und ist dann ins Bad verschwunden. Ich hab' Panik bekommen, weil ich dachte, jetzt tut sie sich was an. Ich hab' sie angefleht, die Tür zu öffnen und nichts Dummes zu tun. Gerade, als ich meine Eltern dazu holen wollte, kam sie doch wieder raus."

„Und?", fragte ich besorgt.

„Sie hat sich Gott sei Dank nicht selbst verletzt. Aber dafür was anderes Dummes gemacht ..."


Nervös klopfte ich an ihre Tür und als ihr piepsendes „Herein!" ertönte, öffnete ich sie vorsichtig. Henry hatte mich zwar darauf vorbereitet, trotzdem erschrak ich kurz, als ich sie sah. 

Das zierliche Mädchen, mit den sonst braunen langen Haaren, hatte sich diese in einem Wutanfall kurz abgeschnitten. Das, was von der hüftlangen Mähne übrig geblieben war, wellte sich nun ungleichmäßig um ihr Gesicht. 

Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werdenWhere stories live. Discover now