Kapitel 16

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Ich stand in der Raucherecke, zog an meiner Kippe und dachte an das Wochenende, das hinter mir lag.

Nach dem aufregenden Tag im Freizeitpark und dem Vorfall im Horror-Haus wäre es mir am liebsten gewesen, wenn Timothy wieder bei mir übernachtet hätte, aber Mama hatte es nicht erlaubt. Dafür quasselte ich die halbe Nacht mit Maja, bevor sie am Sonntagmorgen wieder nach Stuttgart fahren musste. 

Den Sonntag verbrachte ich mit Timothy unter dem Vorwand, dass er mir bei den Schulsachen helfen würde. Doch anstatt zu lernen, lagen wir kuschelnd und quatschend im Bett. Wir redeten noch viel über den Vorfall mit Timothys Mum. 

Diese wollte sich anscheinend, sobald ich bereit dazu wäre, bei mir persönlich entschuldigen und mich bei einem zweiten Treffen unter normalen Umständen kennenlernen. Doch allein der Gedanke daran ließ mich zittern. 

Außerdem machten wir uns weiterhin Gedanken über William. Grace ging anscheinend einer interessanten Spur im Internet nach und hatte den Verdacht, dass William noch leben könnte. Das wiederum würde bedeuten, dass Halbvampire älter werden könnten als Menschen.

Meine Zigarette neigte sich gerade dem Ende zu, als ich in einiger Entfernung Benny entdeckte. Er stand in einem Grüppchen bei seinen Freund*innen. Bennys Coming-Out als trans Junge vor seiner Familie war laut Henry besser gelaufen als erwartet. 

Seine Mum, eine überzeugte Katholikin, hatte ein paar Tage gebraucht, um die Sache zu verarbeiten und sein Dad war erst etwas wehmütig gewesen, weil er jetzt nur noch eine Tochter hatte. Doch inzwischen hatten beide es akzeptiert und wollten ihren Sohn unterstützen. 

Auch das mit der Selbstverletzung hatten die Eltern mitbekommen und wollten es gemeinsam mit Benny angehen. 

Die Geschwister hatten alle ganz unterschiedlich auf das Coming-Out reagiert. Liam fand es super cool, noch einen Bruder zu haben, Lotta fand es hingegen mega doof und Maxi hatte nur mit den Schultern gezuckt und dann wieder in den Fernseher geschaut.

Ich bemerkte, dass der zierliche Junge mit den braunen Haaren und der großen Brille immer wieder zu mir schaute und mit seinen Freund*innen tuschelte. Dann kam er plötzlich in meine Richtung.

„Na Benny, alles gut?", fragte ich mit dem Glimmstängel zwischen den Lippen. Ich hob schon meine Hand, versucht dem Vierzehnjährigen wie immer durch die nun kurzen braunen Haare zu wuscheln, doch senkte die Hand dann wieder.

„Ja, alles gut", lächelte er, „aber mir ist aufgefallen, dass du deine Zigarettenstummel immer auf den Boden wirfst. Das ist schlecht für die Umwelt." Fast wäre mir die Kippe aus dem Mund gefallen.

„Aha", meinte ich nur, „das ist dir also aufgefallen?" 

Ich war ehrlich gesagt etwas überfordert mit der Situation und mimte den Coolen. Ich hätte mich in der achten Klasse niemals getraut, so etwas einem Zehntklässler direkt ins Gesicht zu sagen. 

Benny war ganz schön mutig und schaute mich immer noch herausfordernd an. Kurz überlegte ich ihm zu sagen, dass ihn das nichts angeht, aber eigentlich hatte er ja recht.

„Ich werde in Zukunft darauf achten", meinte ich dann. 

Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht und jetzt konnte ich nicht mehr widerstehen. Ich legte meine Hand auf seinen Haarschopf und meinte dann: „Also, Kleiner, dann sehen wir uns morgen Mittag." 

Möglichst lässig ging ich zum Metallmülleimer, drückte meine Kippe daran aus und schmiss den Stummel hinein. Während ich wegging, hörte ich noch wie Bennys Freund*innen ihn wieder in Empfang nahmen:

Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt