Kapitel 9

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Zusammen betraten wir die Stadtbibliothek. Sie war untergebracht in einem der Fachwerkhäuser beim Marktplatz. Für ein Geschichtsreferat in der siebten Klasse sollte ich damals Infos im Stadtarchiv sammeln, deshalb wusste ich, dass man über die Computer der Stadtbib auch ins Archiv gelangen konnte. 

Dort waren vor allem tausende alte Zeitungsartikel, aber auch ältere Bücher, Briefe und sonstige Schreiben aus allen möglichen vergangenen Jahrhunderten in digitaler Form zu finden. 

Es war nichts los in den von alten Balken durchzogenen und mit Büchern vollgestopften Räumlichkeiten. Bis auf die Bibliothekarin, die uns freundlich zulächelte und ein älterer Herr, der es sich in einem der Ohrensessel bequem gemacht hatte, war niemand da. Schnell verzogen wir uns in die Ecke mit den Computern. 

Wir mussten lachen, als wir davor standen. Die Dinger sahen ebenfalls aus, als wären sie aus dem letzten Jahrhundert. Gewölbte dicke Bildschirme, die beim Einschalten elektrisch knisterten und alte vergilbte Tastaturen, bei denen man jede Taste mit viel Druck einen Zentimeter nach unten drücken musste. Aber egal, wir setzten uns jeder an einen der Rechner und wählten uns in das Suchprogramm des Archivs ein.

„Also, ich würde sagen, wir geben erst mal die typischen Begriffe ein. Vampire, Blutsauger, Wiedergänger, Untote ...", zählte Grace auf.

„Wir könnten auch noch nach anderen mystischen Wesen suchen, wie Zombies, Werwölfe, Hexen oder so. Vielleicht finden wir auch darüber etwas", schlug ich vor. 

Die anderen nickten zustimmend und dann legten wir los. Doch die Suche erwies sich als ziemlich ernüchternd. Bis auf irgendwelche Zeitungsartikel über Kostüme an Fasnacht und Halloween, war so gut wie nichts dabei. 

Ein mysteriöser Mordfall aus den 60ern erschien erst vielversprechend, doch stellte sich am Ende als unspektakulär heraus. Und alles andere, was wir über Vampire fanden, auch ein erst spannender Mythos aus dem 17. Jahrhundert, konnten Grace und Timothy schnell als sicher falsch identifizieren, da sie und ihre Mutter definitiv kein Problem mit Knoblauch oder Holzkreuzen hatten.

„Na ihr drei, kann ich euch irgendwie behilflich sein?" Wir zuckten alle erschrocken zusammen. Keiner von uns hatte bemerkt, dass sich die Bibliothekarin leise an uns herangeschlichen hatte. Neugierig musterte die ältere Dame uns durch ihre kleinen ovalen Brillengläser.

„Ähm, wir suchen nach alten Vampir-Mythen für ein Geschichtsreferat, aber wie es aussieht, hat unsere Stadt da nicht wahnsinnig viel zu bieten." Sie schien mir die Lüge abzukaufen.

„Ahh", meinte sie, „das ist ja ein spannendes Thema. Ich freue mich immer, wenn ihr jungen Leute euch in die Stadtbibliothek verirrt." Sie tippte sich mit dem Zeigefinger an das faltige Kinn und überlegte. 

„Nein, also mir fällt da auch nichts ein, aber ich hätte da trotzdem eine Idee. Unser Stadtarchiv ist seit kurzem Teil eines Programms, bei dem ein globales Netzwerk an Archiven entstehen soll. Damit könntet ihr auch in anderen Archiven auf der ganzen Welt stöbern, also zumindest in denen, die ebenfalls Teil davon sind." Wir grinsten die ältere Dame neugierig an.

„Das klingt interessant. Wie kommen wir da rein?", fragte Timothy sofort.

„Ja, wenn ich das jetzt noch wüsste ... ach genau. Auf dem Computerbildschirm ist so ein kleines Zeichen, das müsst ihr anwählen." Timothy fuhr mit dem Mauszeiger zu einem Symbol mit einer Weltkugel, um die ein offenes Buch flog. 

„Ja, genau das und jetzt musst du ein Passwort eingeben ... was war das noch gleich ... ach ja Bienenstich, das ist der Lieblingskuchen meiner Enkelin." Grace schmunzelte vergnügt und Timothy tippte das Wort in die Leiste ein. Es klappte, wir waren auf der Startseite des globalen Archivs.

Tristan und Timothy 2 [BxB] - Wenn Eis und Bernstein eins werdenKde žijí příběhy. Začni objevovat