Fünfzehn.

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Alle Augen waren auf mich gerichtet. Ich warf einen flüchtigen Blick auf Thaddeus. Na gut, fast alle Blicke, denn dieser starrte angestrengt auf seine Handschellen und wirkte dabei total teilnahmslos. Verdammt, er machte das echt gut. Hoffentlich würde ich das auch so gut hinbekommen. Ein paar Kameras klickten. Die Verhandlung war öffentlich, was ich selbst nicht begrüßte. Aber der Mord ging durch die Medien, wie ein Lauffeuer. Die Leute wollten mehr Klatsch und Tratsch, über den sie sich später das Maul zerreißen können. Wie ich diese Gesellschaft hasste. Aber ändern konnte ich es auch nicht, also lies ich mich auf den freien Platz nieder. Sofort fing der Richter, um die vierzig und die ersten Ansätze von grauem Haar, an zu reden.

"Ihr Name ist Evelyn Schüler?"

Ich nickte.

"Sie sind 24 Jahre und Psychologin in der Justizvollzugsanstalt Köln?"

Wieder ein Nicken meinerseits.

"Und Sie haben den Angeklagten, Herrn Thaddeus Tjarks, die letzten Wochen psychologisch betreut?"

"Das ist korrekt", antwortete ich, um auszutesten ob meine Stimme überzeugend klang. Das tat sie.

"Ihnen ist klar, dass Sie die Wahrheit sagen müssen, jedoch jederzeit die Aussage verweigern können, Frau Schüler?"

"Ja, das ist mir klar", meinte ich und nickte noch einmal zustimmend.

"Sehr gut! Gibt es Fragen seitens der Staatsanwaltschaft oder der Anwälte der Opfer beziehungsweise des Angeklagten?"

Nun wurde ich nervös. Ich legte meine Hände vorsichtig auf den Tisch vor mir und faltete sie zusammen, um das Zittern zu unterdrücken. 

Der erste, der sich meldete, war ein glatzköpfiger, unsympathisch aussehender Staatsanwalt.

"Frau Schüler", sagte er durch das Mikrofon an seinem Platz, "in Ihren Berichten, alle handschriftlich von Ihnen unterschrieben, schreiben Sie, dass sich viele psychopathische Merkmale bei Herrn Tjarks feststellen lassen. Würden Sie diese Aspekte bitte erklären, für die Menschen hier im Gerichtssaal, welche in der Psychologie nicht ganz so bewandert sind, wie Sie?"

"Natürlich", stimmte ich zu und legte eine Kunstpause ein. Vermutlich um mich selbst zu beruhigen. "Das ist eigentlich ganz einfach. Psychopathen sehen die Welt anders als wir. Rationaler. Skrupelloser. Einfacher, könnte man fast sagen. Auch ihre Gefühlswelt unterscheidet sich von der unseren. Sie können nur sehr schlecht Bindungen eingehen, wie Liebe oder Freundschaft. Können skrupellos ohne Reue sein. Genau das sieht man auch im Falle von Herrn Tjarks. Er hatte keine besondere Bindung zu seinem Vater, ihm ging es bei seinem Rachefeldzug nur um das verlorengegangene Testament. Der Mord fiel ihm leicht. Keine Skrupel, keine Reue. Auch jetzt noch nicht. Im Gegensatz, es hat ihm Spaß gemacht. Außerdem - "

"- Denken Sie das rechtfertigt den Mord an meinem Bruder und meinen Nichten?", schrie mich eine Frau an, die auf den Platz des Opfers saß. Die unfreundliche Unterbrechung überging ich.

"Nun, wenn Sie es so sehen, ja! Ich weiß, es ist gerade auf emotionaler Ebene sehr schwer für Sie zu verstehen. Aber Herr Tjarks, kann nichts dafür", erklärte ich ihr mit ruhiger Stimme, doch sie verstand nicht. "Sie sind verrückt! Sie sind vollkommen verrückt! Man sollte Sie gleich mit diesem Monster einsperren!", schrie sie nun lauter, wie auch immer das möglich war. "Beruhigen Sie sich oder verlassen Sie bitte für einige Zeit den Gerichtssaal, Frau Hagen!", schaltete sich nun schon der Richter ein. Das wollte sie nicht, also beruhigte sie sich mehr oder weniger so schnell wie es ihr möglich war.

"Worauf ich, vor der Unterbrechung, hinauswollte war, dass ich in meinen Gesprächen mit Herrn Tjarks erfahren hatte, dass der ermordete Familienvater mit der Drogenmafia in  Verbindung steht. Ist dem schon nachgegangen worden? Es könnte uns helfen, dieser auf die Schliche zu kommen."

Die Frau, die mich eben unterbrochen hatte, zog empört die Luft ein. "Das ist doch unerhört! Ich verlange, dass diese...Psychologin den Gerichtssaal verlässt!"

Der Richter ignorierte sie und antwortete stattdessen mir.

"Wir haben dies aus ihren Berichten entnommen, Frau Schüler. Die Ermittlungen diesbezüglich wurden bereits aufgenommen. Es kann sein, dass wir uns in naher Zukunft noch einmal deswegen bei Ihnen melden werden. Doch jetzt bitte zurück zur jetzigen Verhandlung. Auf was würden Sie plädieren, Frau Schüler?"

"Unzurechnungsfähigkeit", antwortete ich ohne zu zögern und klang dabei sogar überzeugt.

Die Frau machte bereits wieder Anstalten mich aufs Schärfste zu beleidigen, aber ihr Anwalt schaltete sich vorher ein.

"Heißt das, dass Sie denken, es wäre angebracht den Angeklagten auf freien Fuß zu setzen?"

"Natürlich nicht", lenkte ich ein. Es durfte nicht unlogisch wirken.

"Was denken Sie, wäre aus fachmännischer Sicht angebracht für den Angeklagten, Frau Schüler?" Der Staatsanwalt schien mich mit seinem Blick durchbohren zu wollen.

Ich schloss die Augen und holte Luft. Was ich jetzt sagen würde, würde Thaddeus ganz und gar nicht gefallen. Aber es war sein einziger Weg in die Freiheit. "Eine Einweisung in eine offene Psychatrie, mit psychologischer Betreuung halte ich für das Beste."

Dann gab es keine weiteren Fragen mehr. Auf dem Weg nach draußen, warf ich noch einen Blick auf Thaddeus. Sein Blick war ganz und gar nicht hasserfüllt, so wie ich es eigentlich erwartet hatte. Sondern einfach nur voller Verwirrung und Unverständnis.

Den Rest der Verhandlung verbrachte ich wieder vor der Tür, bis am Abend das Urteil verkündet wurde.


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Wow mal ein längeres Kapitel :D
Boah das Gewitter gestern, hat mir den Schlaf geraubt. Geil, danke.

Feedback wäre nice!

Machts gut!
Lali

The Psychopath || Taddl||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt