Vierundzwanzig.

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Am nächsten Morgen sollte mich auf meiner Arbeit im Gefängnis eine Überraschung erwarten. Ich hatte gerade die Tür zu meinem Büro geschlossen und setzte mich mit einer dampfenden Tasse Kaffee an meinen Birkenschreibtisch, um die Papiere zu ordnen, die ich heute abarbeiten wollte, da schwang die Tür auch schon wieder auf.

"Eveeeeelyyyyn", quietschte eine Stimme, wobei sie meinen Namen fürchterlich lang aussprach.

"Marie? Du bist zurück?", fragte ich ungläubig, als ich realisierte wer da vor mir stand.
Marie war 2 Jahre älter als ich, aber dabei nicht mal halb so erwachsen. Quirlig, neugierig und immer auf neuen Klatsch und Tratsch aus. Deshalb wunderte es mich auch, als sie vor einem halben Jahr aufgrund von Burnout eine halbjährige Pause von ihrer Arbeit einlegte, um die Welt zu bereisen. Ob das mit dem Burnout stimmte oder nicht, hatte ich nie herausgefunden, obwohl ich daran zweifelte. Sie war mit einem Arzt verheiratet, dem es wohl ein Leichtes war, ihr diesen bezahlten Urlaub zu verschreiben.

Ich mochte sie wirklich. Nur war sie etwas anstrengend, also würde ich sie auch vermutlich nicht unbedingt zu mir nach Hause einladen.

"Jap. Und bereit, wieder voll durchzustarten", beantwortete sie mir meine Frage.

"Na das ist ja schön", antwortete ich, wobei meine Aufmerksamkeit bereits wieder den Unterlagen auf meinem Tisch galt.

"Eve, du musst mir erzählen, was ich alles verpasst habe! Das bist du mir mehr als schuldig! Schließlich habe ich dir immer feinsäuberlich Postkarten geschrieben", erklärte sie mir hochmotiviert und ließ sich auf den Stuhl gegenüber von mir fallen.
Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln.
"Hmmm, also Eve...irgendwie siehst du...müde aus", stellte sie nach einer Weile fest.

Ich seufzte, da ich wusste, dass es nichts bringen würde sie anzulügen. Sie hatte diese nervige Angewohnheit alles herauszufinden, was sie in irgendeiner Hinsicht interessierte. Aber die wirklich komplette Wahrheit musste sie ja auch nicht unbedingt erfahren.

"Hab 'nen Zweitjob angenommen", murmelte ich.

"Du hast was?", fragte sie ungläubig. "Ich glaub ja wohl weniger, dass du hier so wenig verdienst, dass es dir nicht zum leben reicht!"

Da hatte sie recht, ich verdiente als Psychologin nicht schlecht. Ich sah von meiner eigentlichen Arbeit zu ihr auf. "Nunja, nicht jeder hat das Vergnügen bezahlten Urlaub zu bekommen. Manche müssen sparen."

Sie zog ihre Augenbrauen in die Höhe. Sie glaubte mir nicht. Na super.
"Und dein Freund Tom, der findet das okay?"

Wieder ein Seufzer meinerseits. "Wir...sind nicht mehr zusammen", nuschelte ich.

Sie riss ihre Augen auf. "Bitte was? Wieso denn das nicht?"

Ihre Neugier ging mir gehörig auf den Wecker. "Weiß nicht. Hat einfach nicht mehr gestimmt. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mehr arbeite. Mehr Arbeit gleich weniger nachdenken und mehr Geld. Ist doch eigentlich von Vorteil oder?"

Das war zumindest nicht komplett gelogen.

Sie dachte einen Moment über meine Worte nach, bevor sich ihr Ausdruck in ein anzügliches Lächeln verzog. "Und gibt es denn schon jemand neuen?"

Jetzr musste auch ich leicht grinsen, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf.

"Eve! Jetzt bin ich aber von den Socken! Nicht mal verliebt?"

Wie sie das sagte hörte es sich an, als wäre ich die Schlampe vom Dienst.
"Nein nicht mal das", gab ich zurück. Dass das nicht so wirklich stimmte, sollte ich noch früh genug erfahren.
Sie zuckte nur mit den Schultern und stand auf. Wenn ich gedacht hatte, dass sie jetzt gehen wolle, wurde ich enttäuscht.
Nein, stattdessen stand Marie auf und ging zu den Schränken hinter mir.

"Was genau wird das wenns fertig ist?", fragte ich sie skeptisch.

"Nichts weiter", meinte sie beiläufig und besah sich die endlosen Ordner. "Wenn du mir nicht erzählst, was hier los war, muss ich mich ja selbst informieren", fügte sie noch hinzu.
Nach einiger Zeit hatte sie wohl gefunden, was sie gesucht hatte und nahm wieder den Platz gegenüber von mir ein. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass es sich um den Ordner handelte, in dem ich die Berichte und Steckbriefe meiner letzten Straftäter festhielt.
In der Hoffnung, dass sie nun Ruhe geben würde, widmete ich mich erneut meiner eigentlichen Arbeit für heute. Eine Weile sagte sie tatsächlich nichts und ich vergaß beinahe, dass wir uns im selben Raum befanden.
"Wow, wie kann man auf Polizeifotos nur heiß aus sehen?", sagte sie und durchbrach damit die entspannende Stille.
"Hm?", fragte ich, mittlerweile leicht entnervt.

"Hier", meinte sie und drehte den Ordner so, dass ich ihn sehen konnte, "ich meine, wäre er kein Psychopath und hätte keine Kinder umgebracht... Gut, heiß ist er trotzdem".
Ich besah mir das Polizeifoto von Thaddeus. Seine Haare hatten darauf noch einen leichten Grünstich, seine Bartstoppeln waren etwas kürzer.
Und ja, sie hatte recht. Er sah gut aus.
"Mein Gott, Marie, erzähl bloß niemanden, dass du verheiratet bist!", rieb ich ihr unter die Nase, "Aber ja. Sehr heiß", fügte ich noch kurz angebunden hinzu. Marie verdrehte nur ihre Augen.

"Ich meine ja auch nicht für mich, Dummerchen! Sondern eher sowas für die Singledame die mir gegenüber sitzt", zwinkerte sie mir zu.

"Oh bitte. Ich steh nicht so auf Typen die kleine Kinder ermorden. Und die dazu noch 4 Jahre jünger als ich sind."

Irgendwie gelogen. Thaddeus war mir ziemlich sympathisch, aber das musste Marie ja nicht unbedingt wissen.

Diese lachte laut auf und zuckte dann mit den Schultern.

"Wie dem auch sei, ich muss dann auch mal an die Arbeit. Man sieht sich, Eve!"

"Alles klar. Bis dann."

Dann verschwand sie zur Tür hinaus. Mir tat schon die nächste arme Seele leid, der sie jetzt auf den Nerv gehen würde. Aber wenigstens hatte ich jetzt endlich Ruhe um auch mal produktiv zu werden.

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Hallöle (:
Ich hab es tatsächlich geschafft ein Kapitel vorzuschreiben *applaus to myself*
Und es ist sogar ziemlich lang...für meine Verhältnisse :D

Naja wie dem auch sei, Feedback ist immer willkommen <3

Machts gut!
Lali

The Psychopath || Taddl||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt