Vierunddreißig.

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Die Uhr zeigte halb sechs an, was hieß, dass ich eine knappe Stunde geschlafen hatte. Immer noch besser als nichts. Wenigstens hatte ich so halbwegs Zeit gehabt, um mir einen Kopf darüber zu machen, wie ich Thaddeus ein weiteres Mal helfen konnte. Und siehe da, ich hatte mir einen mehr oder weniger guten Plan zurecht gelegt, den ich auch am gleichen Tag in die Tat umsetzen wollte. Ich wusste, dass ich sowieso nicht mehr schlafen würde, also stand ich auf, so leise wie möglich, um Thaddeus nicht zu wecken. Das erwies sich aber als wirklich unnötig, da er es bereits war. 

Aufrecht saß er auf meiner Couch und starrte die abstrakten Bilder an meiner Wand an. Ob er das schon eine Weile tat, wusste ich nicht, es war jedoch sehr wahrscheinlich, da man im Dämmerlicht des frühen Morgens nicht viel mehr hätte tun können. 

"Guten Morgen", sagte ich mit meiner rauen Morgenstimme, die so klang, als hätte ich seit Jahren Halsschmerzen.  Im Halbdunkeln tastete ich nach dem Lichtschalter. Als es endlich heller wurde, meinte ich erkennen zu können, dass die dunklen Schatten unter seinen Augen, trotz der frühen Uhrzeit,  etwas zurückgegangen sind. Vielleicht war es aber auch einfach bloß Einbildung. Oder Wunschdenken.

"Morgen", erwiderte er und ich wunderte mich, dass es tatsächlich möglich war, dass seine Stimme morgens noch tiefer klang, als sonst schon. "Die Bilder an der Wand gefallen mir. Man kann so viel hineininterpretieren."

"Echt? Sind vererbt. Ich wollte sie schon seit Ewigkeiten mal durch Fotos ersetzen, aber ich bin einfach nicht so der Typ für Bilder."

"Als ob du nicht fotogen bist."

Ich lachte leise über sein Kompliment. "Das meine ich nicht. Ich will damit sagen, dass ich Momente lieber genieße, als sie irgendwie auf dummen Papier festzuhalten. Wozu brauche ich Gedächtnisstützen, wenn ich den Moment nicht richtig genossen habe?"

Er dachte einen Moment über meine Worte nach und nickte dann verstehend. "Mir gefällt die Ansicht."

"Willst du was frühstücken? Ich für meinen Teil hab ziemlich Hunger", wechselte ich das Thema. Er nickte.

Ich verschwand für eine halbe Stunde in die Küche, er ins Bad. Ich kochte Kaffee, schob Aufbackbrötchen in den Ofen und stellte Nutella, Käse und Marmelade auf ein Tablett, um alles ins Wohnzimmer zu tragen. Fast gleichzeitig waren wir fertig.

"So und jetzt sag mir mal eins, wie zum Henker bist du da raus gekommen?", bat ich ihn, als ich gerade mein Himbeermarmeladenbrötchen mit einer Scheibe Käse belegte.

"Glaubst du wirklich, dass die Securityleute da die ganze Nacht stehen? Tun sie nicht. Und sich an den Schwestern vorbeizuschleichen und ein paar Schlösser aufzubrechen ist nicht sonderlich schwer, für jemanden...wie mich", meinte er, die letzten Worte klangen reumütig. Ich nahm das als ein gutes Zeichen. Woher er wusste, wo ich wohnte, wollte ich gar nicht wissen, also fragte ich gar nicht erst nach. Stattdessen erzählte ich ihm von meinem Plan für heute: "Ich fahre gleich zurück zu Frau Stenzel. Ich hab mir da was überlegt. Wenn alles gut geht, wirst du ein mehr oder weniger freier Mann sein. Einziger Nachteil wird wohl sein, dass du die nächsten Monate wohl mit mir auskommen musst."

Er lehnte ich zurück und sah mich mit seinen blauen Augen an. "Du bist ein Engel. Mein Engel."


~

Gegen acht Uhr war ich abfahrtsbereit. Thaddeus musste ich in meiner Wohnung verstecken, aber wahrscheinlich hätte er selbst wenn er könnte, keinen Schritt mehr in die Psychiatrie gesetzt. Verständlich.

Ich warf einen prüfenden Blick in den Spiegel im Flur. Ich sah ein wenig zerzaust aus und meine Augen warfen, dank dem Schlafmangel der letzten Nacht, dunkle Schatten. Alles in allem sah ich heute wohl weniger überzeugend aus als sonst.

"Du bist wunderschön. Da wird sich auch nichts dran ändern, wenn du weitere zehn Stunden vor dem Spiegel stehst!", meinte Thaddeus, der mittlerweile im Türrahmen der Küche stand und warm lächelte. Errötet über seinen Kommentar nickte ich und trat hinaus ins Treppenhaus.

Vielleicht lohnte sich so ein riesen Aufwand, wie ich ihn gerade betrieb für manche Menschen doch. Für Thaddeus jedenfalls schon. Da war ich mir ganz sicher.


~~~

Es sollte gesetzlich verboten sein Schüler jeglichen Alters bis 17 Uhr in der Schule zu behalten. Ohne Spaß.

Es ist einfach schon wieder fast 9 und ich hab immer noch keine Hausaufgaben gemacht. So viel zum Thema so kurz vorm Abi starte ich nochmal richtig durch :'D

Btw ich hab die letzten Tage ein paar süße Nachrichten von euch bekommen, danke dafür (:

Feedback ist toll <3

-xx
Lali


The Psychopath || Taddl||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt