Kapitel 4

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Anna Quinn.

Noch nie, seitdem Sarah und Lena mich so hintergangen hatten, versuchte mich jemand zum Reden zu bringen. Sophia sprach so oft mit mir, wie es ging, und auch sonst war sie eine sehr nette Person. „Meinst du, du könntest mir in Geschichte helfen? Ich bin ziemlich schlecht, was unser neues Thema angeht. Industrialisierung... Ein blödes Thema." Ich sah nach links und entdeckte Sophia. „Kann ich machen. So schwer ist es nicht", antwortete ich knapp. Wir liefen schweigend zu unserem Raum. Wir hatten schon seid 3 Wochen mit Herrn Schmidt Unterricht und er war ein sehr guter Lehrer. Mehr als das. Er sah mich ebenfalls immer mit so einem bestimmten Blick an, den ich einfach nicht identifizieren konnte. Seine blauen Augen musterten mich von Tag zu Tag aufs Neue. Genauso wie heute. „Wir vergleichen jetzt die Hausaufgaben." Seine raue Stimme drang zu mir und klang lieblich in meinen Ohren. Sie wirkte gar nicht mehr so rau, sondern eher sanft. „Wir hatten Hausaufgaben!", zischte Sophia mir fragend ins Ohr. Ich nickte und sah in ihre verstörten Augen. „Wer kommt nach vorn und trägt sie vor?", fragte Herr Schmidt. „Wir sollten das vom letzten Mal beenden", erwiderte ich ebenso leise. „Niemand? Gut dann...Sophia." Meine einzige Freundin erstarrte. Ich schob ich meinen Hefter hin. „Geh schon!", verlangte ich. „Ich danke dir für alles!", hauchte sie und stand mit dem Hefter in der Hand auf. Dann ging sie nach vorn zur Tafel. „Die Aufgabe war: Welche Rolle hatte die Frau in der Industrialisierung? Was hat du dazu notiert Sophia?", fragte Herr Schmidt und sein Blick glitt wieder zu mir. „Ähm... Also die Frauen hatten keine unbedeutende Rolle..." Sophia las alle meine Stichpunkte vor und Herr Schmidt nickte beeindruckt. „Sehr gut Sophia. Setz dich. 1." Sie begann zu lächeln und setzte sich zu mir. Dann fuhren wir mit dem Unterricht fort. Als es klingelte wollten wir alle hinaus laufen, doch unser Lehrer rief mich zurück. „Anna? Bleib doch bitte noch fünf Minuten hier. Sophia kann schon vor gehen." Ich nickte und gesellte mich zu ihm. „Du hast deine Hausaufgabe sehr gut gemacht Anna." Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht. „Aber so geht das nicht und das weißt du auch", erklärte er sachlich. Ich nickte. „Ja. Es wird nicht wieder vorkommen", versprach ich. „Dann hätte ich noch eine Frage." Erwartungsvoll sah ich ihn an. „Wieso hast du deine Hausaufgaben in den anderen Fächern immer vergessen? Was soll das? Du hast Zeit, die Hausaufgaben für Geo und Geschichte zu machen, und bist sehr sportlich. Wieso machst du die Hausaufgaben nicht?" Ich schluckte schwer. Sollte ich es ihm sagen? Er war mein Lehrer. Würde er das verstehen? „Ich würde gern, aber meine Mutter ist schwer krank und ich kümmere mich die ganze Zeit um sie. Meinem Vater... er kann das nicht. Es ist zu schwer für ihn. Ich habe die ganze Nacht an den Hausaufgaben gesessen. Ich habe die anderen einfach nicht mehr geschafft. Es tut mir leid. Es wird nie wieder vorkommen. Ich verspreche es!"

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