Kapitel 45

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Wenn man jemanden verliert schwirren einem so viele Gedanken durch den Kopf. Warum ist es passiert? Warum ist er jetzt weg? Warum musste er sterben? Wie wird es ohne ihn sein? All das und noch mehr schwirrt einem durch den Kopf. Doch nie finden wir eine Antwort darauf. Warum ist krank geworden? Warum hat er sich selbst verletzt? Warum musste er uns schon verlassen. Es gibt kein perfektes Alter zum Sterben. Es ist immer eine Tragödie. Wenn man krank ist spürt man diese Blicke. Diese Blicke voller Sorge, Angst und Mitleid. Diese Blicke hasst man. Warum sehen sie einen so an? Als wüsste man nicht, dass man krank ist. Als würde daraus eine Lachnummer machen. Es sind Tatsachen, die niemand ändern kann. Wenn der Arzt einem die Fakten erzählt, dann verschweigt er meistens etwas, damit man sich keine Sorgen macht. Damit sich der Patient nicht unnötig aufregt und damit seine Gesundheit noch mehr gefährdend wird. Doch man will die Wahrheit hören. Wann will wissen, wie es um einen steht. Ob du, ob schlecht. Und die Wahrheit tut manchmal eben weh. Mag sein, dass wir leiden, wenn ein geliebter Mensch stirbt, aber wie sehr müssen sie leiden, wenn sie wissen, dass sie uns allein lassen werden? Wenn sie wissen, dass sie sterben, aber nichts dagegen tun können? Wir geben ihnen die Schuld und hassen uns dafür. Als würde sich aussuchen wollen, dass er sterben wird. Es passiert einfach. Ein Schuss. Eine falsche Bewegung. Zur falschen Zeit am falschen Ort. Ein beschädigtes Transportmittel. Fehlende Gesundheit. Ein Unfall. Wegen so vielen Dingen können Leute sterben. Was ist, wenn gerade der wichtigste Mensch in deinem Leben stirbt? Als Kind, könnte es einer deiner Eltern sein. Oder sogar beide. Als erwachsene Frau deine süße, kleine Tochter. Oder der Fußballvernarrte Sohn, denn du über alles liebst? Als Mann, die Frau, die dich jeden Tag von neuem bezaubert. Als kleiner Junge, wenn das geliebte Haustier stirbt. Als kleines Mädchen, wenn die Oma stirbt, die einem immer Süßigkeiten mitbrachte. So viele Menschen erfahren das Leid, wenn diese eine Person aus deinem Leben verschwindet. Alle Menschen verspüren es. Die Leere. Die Trauer. Der Kampf darum einfach so weiter zu machen wie bisher, aber es jedoch so unmöglich erscheint. Wie sollte man ohne diese Person leben? Überhaupt nicht? Nein, dass würde sie nicht wollen. Sie würde wollen, dass du es genießt, denn sie weiß aus eigener Erfahrung, wie kurz das Leben doch sein kann. Sie würde es wollen. Wollen, dass du lebst nur um später so oder so zu sterben. Aber sie will, dass du lächelnd in deinen letzten Minuten an dein Leben denken kannst, und das positiv. Du sollst nichts bereuen. Nicht auch nur eine Sekunde daran denken, wie es wäre, wenn du anders gehandelt hast. Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Ein Mensch wird immer gegen dich sein. Doch du bist stark. Und das weißt du auch. Du wirst das Leid überstehen. So wie sie es wollte. Du wirst ein erfülltes Leben haben, wie sie es wollte. Du wirst sie stolz machen, obwohl du das immer tust. Du wirst sie belächelnd. Dich an die Zeit mit ihr zurückerinnern. Um sie trauern. Über eure gemeinsamen Taten lachen. An sie denken, wenn du allein bist, oder wenn die Familie beieinander sitzt und sie es nicht miterleben kann. Es ist nicht leicht Abschied zu nehmen von einer geliebten Person, doch es wird nie irgendetwas leicht für dich sein. Du wirst immer alles Abwegen. Angst haben etwas falsch zu machen. Bereuen es getan zu haben. Bereuen es nicht getan zu haben. Das Leben ist nicht perfekt. Und du auch nicht. Jedenfalls redest du dir das immer ein. Zu hässlich. Zu dick. Zu dünn. Zu klein. Zu groß. Zu unsportlich. Zu zickig. Zu gemein. Zu dumm. Zu naiv. Doch all diese Dinge, die du hasst, die liebte diese Person, die nun weg ist. Und du weißt es. Du weißt, wie sehr sie dich bewundert hat. Vielleicht kannst das alles nicht nachvollziehen, aber es sind die Tatsachen. Die Fakten die sprechen. Deswegen liebe dich selbst, so wie sie es tat. Und irgendwann, wer weiß schon wann, werdet ihr wieder vereint ein. Und dann für immer. 

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