Kapitel 2

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Ich war sieben, als mich meine Eltern das erste mal auf ein Konzert mitgenommen hatten. Bereits bei der Größe des Theaters war ich begeistert gewesen. Es war so riesig, so überwältigend und einfach wunderschön gewesen. Auch die Atmosphäre war einfach unglaublich. Aber als dann der Pianist begonnen hatte zu spielen, war ich dem ganzen völlig verfallen. Seine Spielweise hatte mir den Rest gegeben. Die verschiedenen und fließenden Klänge waren so schön und klar, dass ich es einfach nicht in Worte fassen konnte. Ich bewunderte den Mann, der so ein unglaubliches Talent besaß und mit seinen Fingern nur so blind über die Tasten glitt.
An diesen Abend hatte ich die Vorliebe für Livemusik entwickelt. Wie mein Herz bei jeden Tastenklang fester schlug, wie mein Bauch zu kribbeln begann, als mich diese erreicht hatten. Wie meine Finger zu kribbeln begangen hatten, als würde ich selbst spielen und nicht dieser ältere Mann. Es war der Wahnsinn.
In diesen Moment wurde mir erneut bewusst, dass ich doch anders war als die anderen Kinder. Denn während, sie es einfach nur als angenehm aufnahmen, oder aber erst gar nicht auf diese Schönheit eingingen, war es für mich etwas aufregendes. Es hatte etwas in mir aufgelöst und ich mochte das Gefühl, welches ich dabei verspürt hatte.

Nun raste mein Herz um einiges schneller und ich merkte, wie mein Innerstes bebte als ich den wunderschönen Tönen lauschte.
So wie Damien dort saß und in die Tasten schlug, war es schon beinahe magisch. Er hatte die Augen geschlossen, spielte blind und sah aus, als wäre er vollkommen in seine eigene Welt eingetaucht. Als wäre er und das Klavier die einzigen in diesen Raum. Auf Anhieb, hatte ich gemerkt, dass er das aus seiner Seele heraus tat. Er spielte mit seinem Herzen.
Ich konnte es mir einfach nicht erklären, doch in dem Moment hielt ich die Luft an. Irgendwie hatte ich Angst, dass mein Atem diese wunderbaren Klänge stören würde.
Doch dann hörte er plötzlich auf. Ich hatte nicht mal bemerkt, dass das Stück vorbei war. In mir schrie alles, wehrte sich gegen die plötzliche Stille und verlangte nach mehr. Ich wollte ihm weiter zuhören. Stundenlang, wenn es ging. Verrückt, ja. Doch in diesen Moment, wünschte ich mir nichts sehnliches, als dass er weiter spielte.
>>Selene?<<, ertönte seine dunkle Stimme und riss mich aus meiner Starre. Erst jetzt hatte ich bemerkt, dass ich mitten im Raum stand und ihn einfach nur anstarrte.
Scharf sog ich die Luft ein und blinzelte einige male, um endlich zu mir zu kommen. Damien musterte mich neugierig und ich sah auch in seinen blauen Augen ein wenig Belustigung. Nein, er hatte sich nicht richtig über mich lustig gemacht. Okay vielleicht doch, aber ich konnte es ihm nicht verübeln, denn ich stand da wie eine bekloppte und starrte ihn an, als wäre er nicht von dieser Welt. Aber sowie er gespielt hatte, war er es vielleicht auch nicht.
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ich wurde gleich unterbrochen, als die Tür aufging und die ersten Schüler reinkamen.
Sie begrüßten mich wie immer freundlich und machten sich bereit, ohne dass ich noch etwas sagen musste. Dafür liebte ich meine Schüler einfach. Gehorsam, ohne das sie Anweisungen bekamen.
Schnell hatte ich mich erneut an Damien gewandt und ging auf ihn zu.
>>Das... Das war fantastisch<<, kam es voller Begeisterung aus meinem Mund herausgeschossen. Damien lächelte mich zaghaft an, was mir mein Herz gleich erwärmte und ich ihn für längere Zeit anschaute.
Das Getuschel hinter mir wurde lauter und ich widmete mich schnell wieder meinen Schülern, um diesen Moment, der zwischen uns entstanden war, gleich unterbrechen zu können.
Vorwiegend waren es nur Mädchen. Gut, eigentlich war Sam der einzige Junge unter den fünfzehn Tänzerinnen. Aufgeregt klatschte ich in die Hände und grinste die Truppe an. >>Also dann. Ladys. Sam<<, sagte ich seinen Namen extra betont und die Mädels kicherten los. Sie fanden es lustig, dass Sam der einzige Kerl im Kurs war. >>Gut, hört mir zu. Das ist Damien. Er ist ab heute unser neuer Pianist<<, sagte ich und zeigte auf den Mann hinter mir. Damien saß noch immer auf dem Stuhl und hob seine Hand zu einem schlichten Gruß, während er der Gruppe zulächelte. Sofort kicherten sie wieder los und begangen erneut miteinander zu tuscheln, während Sam nur die Augen verdrehte. Kein Wunder, denn Damien war attraktiv, das bestritt ich auch nicht. Und für die Mädels war er ein ziemlicher hingucker.
Ich seufzte. Er wird auf jeden Fall für Ablenkung sorgen.
Erneut klatschte ich in die Hände und alle Aufmerksamkeit, war damit wieder auf mich gerichtet. >>So. Und jetzt begebt euch in Position. Wir machen mit den Schritten von gestern weiter<<, teilte ich ihnen mit und alle nickten mir zu, während sie sich gleich auf ihre Positionen stellten.
Ein letztes mal wandte ich mich an Damien und teilte ihm mit, welchen Song er spielen sollte. Er nickte mir zu und machte sich bereit. Zufrieden sah ich wieder die Gruppe an.
>>Also dann. Und eins, zwei<<, bei drei gab ich Damien ein Zeichen und er begann zu spielen, woraufhin die anderen begangen die geübten Schritte zu tanzen. Ich brachte ihnen jegliche Arten von Tanz bei. Von ganz klassisch bis hin zu modern. Oft vermischte ich die Tanzrichtungen und kreierte somit etwas ganz neues. Und mit der Klaviermusik wurde das ganze noch abgerundet. Ich war die einzige Lehrerin, die es tat. Aber das machte mich nun mal aus. Ich war anders als die anderen und in diesen Punkt schien es nie jemanden gestört zu haben.
Prüfend sah ich jeden einzelnen an und gab Anweisungen, um den Tanz zu verbessern, was die anderen gleich ausführten.

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