Kapitel 7

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Früher, als Kind, hatte ich an die große und ewige Liebe geglaubt. Seelenverwandtschaft und dieses: Und wenn sie nicht gestorben sind.. Doch damals war ich noch ein Kind, welches an die unzähligen Märchen glaubte. An die Prinzen in ihren glänzenden Rüstungen, die ihre Prinzessinnen im Sturm eroberten und sie vor den gefährlichen Monstern retteten. Ich glaubte an die Magie der Liebe.
Doch je älter ich wurde, umso mehr schwand dieser Glauben. Ich sah Paare, die sich stritten, sich gegenseitig betrogen. Sah, wie Ehen auseinander brachen. Ich merkte, dass die Liebe nicht nur mit Glück, Leidenschaft und Sehnsucht zu verbinden war, sondern auch mit Trauer, Schmerz, Leid und Lügen. Je älter ich wurde, umso mehr merkte ich, dass es keine Ewigkeit für zwei Liebende gab. Mein Glauben an die Seelenverwandtschaft wurde mit jeder weiteren Enttäuschung immer mehr niedergeschmettert. Das Leben und auch die Menschen zeigten mir, dass es für viele nicht möglich war ihr Happy End zu bekommen und die Märchen blieben bloß Märchen.
Einzig und allein die Liebe zwischen Tracy und meinem Bruder, zeigte mir dieses kleine bisschen Hoffnung. Die Hoffnung, dass die große Liebe, die zweite Hälfte, doch noch irgendwo auf dieser kaputten Welt existierte. Die beiden zeigten mir, dass die Hoffnung noch immer da war. Auch wenn diese nur ganz winzig war. Doch sie war da.

Tracy und Kaden kannten sich bereits seit ihren sechzehnten Lebensjahr. Sie waren beste Freunde, zwei Liebende, das perfekte Traumpaar. Sie waren stets für einander da, waren unzertrennlich und egal was war, sie standen es gemeinsam durch. Ihre Liebe war die einzige Konstante, die mich glauben ließ, dass auch ich irgendwann mal glücklich sein könnte.
>>Tracy und ich... Wir lassen uns scheiden.<<
Diese Worte aus seinem Mund, ließen alles, was ich bis zu diesen Moment geglaubt hatte, zerbrechen. Dieses letzte Stückchen Hoffnung von der großen Liebe, wurde mit nur einem Satz in der Luft zerfetzt. Wurde auf den Boden geworfen und zerstampft, bevor sie dann unter einem Berg voller Schutt und Asche begraben wurde.

Noch immer fassungslos starrte ich Kaden an. Ich konnte einfach nichts sagen, denn der riesige Kloß in meinem Hals, ermöglichte es mir nicht. Es war wie ein Schlag ins Gesicht und genauso tat es auch weh. Ich starrte meinen Bruder einfach nur an. Dieser blickte auf den Tisch, der uns trennte und blieb still. Natürlich nahm es ihn mit, das sah ich ihm an. Dennoch verstand ich es nicht. Die beiden waren seit neun Jahren verheiratet und plötzlich wollten sie sich scheiden lassen?
>>W-warum?<<, zwang ich schließlich heraus und meine Stimme war so kratzig, dass es schmerzte.
Mit einem mal seufzte er niedergeschlagen und fuhr sich mit seinen Fingern durch seine Haare. >>Ich.. Ich habe Mist gebaut, Sel. Großen Mist<<, gestand er schließlich und seine Stimme triefte nur so von Schuldgefühlen. Tief durchatmend versuchte ich mich zu sammeln, um meine nächste Frage zu stellen. Es war nicht so einfach, wie es sich anhörte.
>>Was hast du getan?<<, fragte ich leise. Mein Magen begann zu rebellieren. Meine Handflächen begannen zu schwitzen. Doch dieses mal war es nicht die Aufregung. Es war nicht das Adrenalin. Nein.. Es war die Angst. Angst vor seiner Antwort. Wieder sah er mich nicht an. Er konnte es nicht und es verletzte mich irgendwie.
>>Na ja.. In den letzten Monaten lief es nicht besonders gut zwischen uns. Ich... Ich wurde schwach.<< Mehr musste er nicht sagen, denn ich verstand. Nie, aber auch wirklich nie hätte ich geglaubt, dass mein eigener Bruder dazu überhaupt fähig sei. Egal, was er alles in seinem Leben angestellt hatte, aber das?
>>Glaub mir, Sel.. Ich bin wirklich nicht stolz drauf. Ich weiß ja selber nicht, was in dem Moment in mich gefahren ist. Aber Tracy und ich haben uns langsam einfach nur auseinander gelebt.<< Ich konnte es einfach nicht fassen. So vieles hatten die beiden zusammen erlebt und durchgestanden und nun sagte er mir, dass sie sich auseinander gelebt hatten? Das konnte doch nicht sein ernst sein!?
>>Und warum bist du in Atlanta? Du bist doch nicht etwa abgehauen? Ist es deshalb, warum du nicht willst, dass Mom und Dad es erfahren?<<, fragte ich los. Ich musste zugeben, dass ich schon wütend auf meinen Bruder war. Ich mochte Tracy wirklich und ich konnte mir vorstellen, wie sie sich in dem Moment fühlte. Denn niemand freute sich darüber betrogen zu werden.
Kaden schüttelte den Kopf. >>Ich bin hier, um alles zu klären. Außerdem habe ich mich dazu entschieden wieder nach Atlanta zurückzukommen.<<
Ich starrte ihn entgeistert an. Das konnte nicht sein ernst sein. Er hatte ein Leben in New Orleans. Hatte einen Job. Wollte er das alles aufgeben?
>>Was ist mit deinem Job? Du wolltest doch Detective werden. Kaden, dass kannst du doch nicht einfach so aufgeben.<<
Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Jedoch war dieses voller Trauer und es verpasste mir einen verdammten Stich mitten durch die Brust. So wollte ich meinen Bruder nie sehen.
>>Das habe ich auch schon geklärt. Ich lasse mich hier hin versetzen, das ist kein Problem. Aber ich habe ein anderes Problem. Da ich die Wohnung Tracy überlassen habe, da..<< Er brauchte nicht weitersprechen.
>>Du kannst bei Kayla und mir so lange bleiben, bis du etwas neues gefunden hast.<<
Er sah mich erleichtert an. >>Danke. Ich habe befürchtet, dass du mich gleich wegjagen würdest.<<
Verwundert hob ich die Augenbraue hoch. >>Ist das dein ernst? Auch wenn ich dir wirklich gerne in den Arsch treten würde, bist du immer noch mein Bruder und ich liebe dich.<< Wieder lächelte er mich an. Dieses mal war es aber ein freudigeres Lächeln. Doch dieses hielt nicht lange und seine Mundwinkel senkten sich. Mit einem schweren Seufzer massierte er sich den Nacken. >>Mom und Dad werden mich umbringen.<< Dabei konnte ich einen bemitleidenden Blick nicht unterdrücken. In dieser Sache hatte er leider recht, denn unsere Eltern waren schon immer begeistert von Tracy gewesen. Die beiden liebten sie, wie eine eigene Tochter und waren überaus glücklich, als die beiden geheiratet hatten. Durch sie hatte Kaden endlich wieder sein Leben in den Griff bekommen. Nun wusste ich, dass sie enttäuscht sein würden, wenn sie über die Sache erfahren würden. Jetzt verstand ich, wieso er auf keinen Fall wollte, dass sie es erfuhren.
>>Aber du weißt schon, dass du es ihnen sagen musst.<<
>>Ja, das weiß ich<<, stöhnte er wehleidig auf und richtete seinen verzweifelten Blick auf seinen Teller.

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