Kapitel 19

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Das erste was ich spürte, war eine Hand, die sanft über meine Wange streifte.
Ich zuckte bei der Berührung zusammen und schreckte aus meinen Träumen heraus. Als ich die Augen aufschlug sah ich direkt in zwei traurig schauende Augen, die mich musterten. Sie waren so unglaublich rot und verquollen, dass es mir mein Herz zerriss. Automatisch wanderte meine Hand zu seiner, die noch immer auf meiner Wange ruhte.
Er sah so fertig aus, wie noch nie. So blass, so zerrissen. Es tat so unglaublich weh ihn so zu sehen.
>>Es tut mir leid, Sel. Kannst du mir verzeihen?<<
Auf meinen Lippen erschien ein sanftes Lächeln und ich setzte mich langsam auf. Erst jetzt bemerkte ich dass ich in einem Bett lag. In Nicks Bett. Dabei war hatte ich mich doch letzte Nacht auf die Couch gelegt.

Kaden hockte vor dem Bett auf dem Boden und sah mich schmerzvoll an. Ich sah diese unmenschliche Reue in seinen Augen. Reue, die seinen eigenen Worten von gestern galten. 
Seufzend nahm ich sein Gesicht zwischen meine Hände und sah ihn liebevoll an.
>>Natürlich verzeihe ich dir. Du bist mein Bruder und ich liebe dich.<< Erleichterung trat in seine Gesichtszüge und er stieß die Luft hart aus.
>>Danke<<, wisperte er, schlang seine Arme um meinen Bauch und lehnte seinen Kopf dagegen. Für einen Augenblick war ich von dieser Geste wirklich überrascht. So etwas hatte er noch nie getan, dabei hatten wir uns schon früher oft gestritten.
Aber das hier, war etwas vollkommen neues. Es zeigte mir, dass er seine Worte wirklich aus tiefsten Herzen bereute. Auch, wenn man sagte, dass betrunkene immer die Wahrheit sagten, wusste ich, dass Kaden diese Worte nie ernst gemeint hatte. Er war verletzt, verzweifelt und von dem Alkohol benebelt gewesen. Er wusste nicht, was er tat oder war er sagte.

>>Ich wollte dich nie so anschreien<<, brachte er hervor und ich bemerkte das leichte bebben in seiner Stimme. Sein gesamter Körper wurde von einem Zittern erfasst. Nein, so hatte ich ihn wirklich noch nie erlebt.
Tröstend fuhr ich über seine dunkelblonden Haare und drückte ihn noch etwas mehr an mich.
>>Ich weiß<<, flüsterte ich. Dieses mal war sein Verhalten schlimmer; schmerzvoller als sonst, wenn er in so einem Zustand war. Mein Blick verschleierte sich und ich konnte nicht verhindern, dass die ersten Tränen meine Augen verließen.

Kaden roch noch immer nach Alkohol, was hieß, dass er bis jetzt noch nicht einmal duschen war.
>>Ich liebe dich, Schwesterchen.<< Seine gebrochene Stimme zerrte an meinem Herzen wirklich ungeheuerlich.
>>Ich weiß<<, wiederholte ich mich und schob ihn schließlich sanft von mir weg.
>>Na los. Ab unter die Dusche. Ich geh inzwischen in die Küche.<<
Nickend stand er auf und wischte sich einmal über die Augen.
Hatte er tatsächlich Tränen vergossen?
Ja.. Die Flecken auf meinem T-Shirt bewiesen es mir.

Wir beide standen auf und verließen das Zimmer. Und während Kaden im Bad verschwand ging ich in die Küche, wo ich bereits den frischen Kaffee roch. 

Tatsächlich saß Nick am Küchentisch und trank seinen Kaffee. Als er mich sah, stellte er die Tasse ab und lächelte mich leicht an. Auch er sah erschöpft aus.
>>Du hast mich in deinem Bett schlafen lassen<<, stelle ich fest und er nickt mir zu.
>>Natürlich. Oder glaubst du, dass ich dich einfach so auf der Couch liegen lasse?<<
Lächelnd ging ich zu ihm rüber und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. >>Du bist der Beste.<<
>>Und deshalb liebst du mich<<, gab er selbstgefällig zurück, wobei ich lachen musste. Nun ja, bestreiten würde ich es nicht, denn Nick war eben mein bester Freund.
>>Wie geht es ihm?<<, fragte er mit einem mal. Ich seufzte auf und goss den frischen Kaffee in zwei weitere Tassen, nur um mir dann eine zu schnappen und selbst daraus zu trinken.
>>Den Umständen entsprechend. Aber das wird schon wieder.<< Damit wollte ich mir eigentlich selbst Mut zusprechen, denn ich wusste, dass es so schnell nicht wieder gut sein würde. Kaden war jemand, der seine Lasten Tage, ja sogar Wochenlang mit sich trug, ehe er sich von ihnen lösen konnte. Es dauerte bei ihm immer eine ganze Weile, bis er mit seinen Gefühlen wieder ins Reine kam.
>>Er braucht einfach nur Ablenkung. Das Wochenende wird ihm gut tun, glaub mir.<<
Nickend setze ich mich an den Küchentisch.
>>Ich hoffe es<<, murmele ich vor mich hin, wobei mich Nick nur mitfühlend ansah. 

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