Coming Home

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Ich lehne meinen Kopf an die kalte Fensterscheibe und muss mir ein Stöhnen unterdrücken. Sonst würden die schnöseligen Leute hinter mir, noch mehr abfällige Blicke auf mich werfen. Ja, ich habe verschlafen und ja, ich sehe aus wie eine Vogelscheuche, weswegen mich schon einige Leute wild gemustert haben. Die alte Frau neben mir schielt immer wieder kurz zu mir und rümpft ihre zierliche Nase. Ha, das könnte ich ebenfalls tun, erspare mir aber mit einer alten Frau einen Streit anzufangen. Welche Oma will denn schon hören, dass sie nach alten Leuten stinkt.

Das Flugzeug, dass mich wieder zurückbringt, fängt an sich zu bewegen und langsam aber sicher bin ich tausende Kilometer von Jasper entfernt. Ich blicke nach unten auf die Städte und Regionen, die so winzig klein aussehen und muss an die letzten Tage zurückdenken. Nach dieser einen Nacht, waren Jasper und ich wieder zurück ins Appartement gefahren und am darauffolgenden Tag waren wir im Zoo, wo mir Jasper doch tatsächlich sein Eis auf mein Kleid gepatzt hat. Und die letzten Tage verbrachten wir einfach so gemeinsam in der Wohnung. Es war ein Traum, der viel zu schnell vorbei war und ich kann mir noch immer nicht vorstellen, dass bald die Schule wieder losgeht. Es fühlt sich an, als würde mir die Realität mit voller Wucht eine ins Gesicht verpassen.

Mein Gesicht presse ich aber nicht nur deswegen gegen die Scheibe. Ich spüre nämlich immer noch wie meine Wangen glühen, da Jasper am Flughafen eine unglaublich romantische Szene veranstaltet hat. Einige Fans haben das sogar mitbekommen und als ich später auf mein Handy blickte, sah ich auf Twitter einige Leute, die mich auf einem Foto getaggt haben. Auf dem Bild sind ich und Jasper zu sehen. Eng umschlungen. Wir hatten uns lange umarmt, da wir uns wohl einige Zeit nicht in Person sehen werden. Auf dem zweiten Bild sind wir zu sehen, wie unsere Lippen aneinander kleben. Das ist mir eigentlich das peinlichste der Beiden und musste nicht unbedingt an die Öffentlichkeit gelangen. Küsse sind etwas ganz Intimes und nun kann es die ganze Welt sehen. Außerdem habe ich eine Vogelscheuchenfrisur und warte nur auf die bösen Kommentare, der eifersüchtigen Teenies.

Warum geht der mit 'ner Vogelscheuche aus?

Er hat doch etwas viel Besseres verdient.

Sie kann sich nicht mal anständig die Haare machen.

Genau so Dinge, denkt sich mein dämliches Gehirn zusammen, obwohl es so doch gar nicht kommen muss. Vielleicht reden sie nur darüber, dass Jasper wegen der Hektik am Morgen sein Hemd falsch herum an hat. Wir haben vergessen den Wecker zu stellen und sind erst aufgewacht als Kaden wild an die Zimmertür klopfte, weil er schon wach war. Er hatte ein Meeting und war deshalb schon früher aufgestanden. Wenigstens sind unter Jaspers Videos nur gute Kommentare über mich. Die Vorstellung, dass mich rund eine Millionen Menschen im Video angesehen haben, ist noch etwas seltsam.

Ich mache es mir noch ein wenig bequemer, soweit es in dem engen kleinen Raum des Flugzeuges eben geht, bekomme wieder einen genervten Blick von der alten Schachtel neben mir und schließe meine Augen bis ich in einen tranceartigen Zustand verfalle.

„Darf ich Ihnen ein Getränk oder Snacks anbieten?" Eine liebliche Stimme bohrt sich jedoch wieder in mein Bewusstsein und ich muss meine Augen wieder öffnen. Als ich auf die Uhr an meinem Handy blicke, erkenne ich genervt, dass ich nur 10 Minuten gedöst bin und seufze. Nicht einmal das ist mir heute gegönnt.

Ich folge mit meinem Blick der Stimme, die ich eben gehört habe und muss feststellen, dass es eine Flugbegleiterin mit ihrem Essenswagon ist. Sie hat so ein großes Lächeln auf dem Gesicht, ein Wunder, dass ihr dieses noch nicht stecken geblieben ist. Die roten Haare hat sie zu einem hohen Dutt gesteckt und ich frage mich, wie Tante Mai, so einen Job aushält. Sie ist ebenfalls Stewardess und die ganze Zeit nur unterwegs.

„Ja, ich hätte gerne einen Eistee und das Käsebrötchen mit Ei.", bestelle ich freundlich. Mein Magen schreit schon förmlich nach Essen, dazu habe ich auch noch keine Zeit gehabt.

„Eistee ist sehr zuckerhaltig, junge Dame.", sagt plötzlich die Oma neben mir und ich verdrehe die Augen.

„Ja, das weiß ich.", antworte ich und nehme meine Bestellung entgegen.

„Das ist ungesund. Wollen Sie etwa Diabetes bekommen?"

„Wollen Sie Diabetes? Wenn ich mich genau erinnere, dann haben Sie doch eben 6 Zuckerstücke in Ihren Kaffee getan. Guten Hunger.", sage ich fröhlich und beiße genüsslich in mein Sandwich. Die Frau sieht dumm aus der Wäsche und für den restlichen Flug, spricht sie mich auch gar nicht mehr an.

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Am Flughafen kämpfe ich mir den Weg durch all die Leute und kann sofort erkennen, wo meine Mutter mich abholt. Das irre Winken kann sie sich einfach nicht abgewöhnen. Außerdem kann ich sie mit ihrem rosa Rock und dem riesigen Fascinator auf ihrem Kopf gar nicht verfehlen. Sie hat sich herausgeputzt und das extra nur für mich. Ich schleppe meinen Koffer angestrengt hinter mir her und meine Schritte werden immer schneller. Währenddessen fängt meine Mutter an mir zuzurufen und ich verstecke mein Gesicht unter meinen Haaren. Ich habe wirklich gehofft, dass sie dieses Mal keine Szene macht. Aber so kann man sich täuschen.

„Huhu. Schätzchen. Mami hat dich so vermisst!" Ich verdrehe die Augen und zu meiner Verwunderung und gleichzeitig großen Begeisterung sehe ich auch einen kleinen, wedelnden Hund neben ihnen stehen.

„Cherry!", schreie ich und renne lachend zu meinem Hund, der mir freudig in die Arme springt und herumwuselt, als wäre ich Jahre weg gewesen. Er leckt mir freudig übers Gesicht und ich drücke ihn fest an mich. Wie habe ich ihn vermisst.

„Tja, daran erkennt man seine Tochter. Sie liebt den Hund mehr als ihre eigene Mutter.", schmollt meine Mama und lässt ihre ausgebreiteten Arme sinken. Ich sehe lachend zu ihr nach oben. „Ach, komm. Jetzt sei doch nicht eingeschnappt.", sage ich und breite meine Arme für eine Umarmung aus. Sie kann auch nicht lange wiederstehen und drückt sich an mich. Es tut gut von ihr gehalten zu werden und ich knuddle mich an meine Mama, jedoch nicht zu lange. Es soll ja nicht peinlich werden. Als wir uns lösen, kneift sie mich auch noch in die Wange und ich schreite einen Schritt zurück.

„Du siehst viel erwachsener aus.", sagt sie und mustert mich von oben bis unten. Eigentlich sehe ich verschlafen aus. Wie eine Vogelscheuche eben, aber das scheint sie gekonnt zu ignorieren.

„Ich war doch nur eine Woche weg.", erwidere ich und nehme die Leine von Cherry. Ich verstehe nicht warum sie immer so anhänglich sein muss.

„Viel zu lange, wenn du mich fragst." Sie schüttelt den Kopf und dann gehen wir los zum Auto, wo die große Ausfragerei beginnt. Obwohl wir telefoniert haben, will sie alles noch einmal hören. Ich kann mich gar nicht entspannen, dabei bin ich noch so müde vom Flug und Jasper will ich auch noch schreiben, dass ich gut angekommen bin.

„Wie war der Trip denn so? Was habt ihr gemacht? Bist du mit diesem Youtuber jetzt zusammen? Ich habe ein Bild in Twitter gesehen." Es war mir klar, dass meine Mutter das Bild schon entdeckt haben muss. In Sachen Social Media ist sie manchmal besser informiert als ich. Ich erzähle ihr alles über Jasper und seinen Mitbewohner Kaden. Alles was wir erlebt haben nur die Sachen, die man seiner Mutter nicht unbedingt auf die Nase binden will, lasse ich weg. Am Ende jedoch findet sie doch wieder etwas auszusetzen.

„Fernbeziehungen funktionieren nie, Schätzchen. Ich war auch mal jung und ich musste es auf die schmerzhafte Weise erfahren.", sagt sie dann etwas distanziert und bitter. Ich fühle mich plötzlich nicht mehr so gut. Die gute Stimmung ist plötzlich etwas gedämpft und ich atme hörbar aus.

„Es mag für dich so gewesen sein, aber bei uns ist das was anderes. Ich spüre das.", sage ich leise und denke an das wundervolle Lächeln von Jasper. Meine Mutter kann so viele Zweifel haben wie sie will, es ist meine Beziehung. Und wenn ich auf die Schnauze falle, dann ist das eben so.

„Selbst wenn es hält, er wird wohl kaum von London hier in unser Kaff ziehen.", wimmelt sie mich ab und dreht den Radio etwas lauter. Warum soll Jasper denn hierherziehen? Ich wäre sogar gewillt, zu ihm zu ziehen, denke ich mir, spare es mir aber es laut auszusprechen, weil ich keinen Streit anfangen will. Stattdessen höre ich der Musik zu und sinke in meine Gedanken.

„Ich lasse dich nie wieder weg. Das Haus war so grauenvoll leer ohne dich.", sagt sie dann doch noch leise. Jetzt dreht sie völlig durch.

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