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Es war schnell klar, dass Chanyeol der geschickteste Schwertkämpfer unter den Jugendlichen war, er war auch der kräftigste wenn Semachites sie gegeneinander ringen ließ und der treffsicherste mit Pfeil und Bogen auch wenn Chanyeol versicherte, dass er noch nie zuvor einen Bogen in der Hand gehalten hatte. Er hatte eben ein natürliches Talent.

Die anderen Jungen verachteten Chanyeol sehr, weil sie sich gedemütigt fühlten. Er war nur ein Sklave, das niedrigste Mitglied der Gesellschaft und doch schien Semachites ihm großen Respekt zu zollen! Einem Sklaven! Es war lächerlich.

Wenn Semachites nicht hinsah erinnerten sie ihn an ihre höhere Abstammung mit fiesen Worten und verächtlichen Blicken, sie spuckten ihm vor die Füße und ins Gesicht und wenn sie ihn bei seinen nachmittäglichen Aufgaben als Palastsklaven beobachteten, dann kippten sie ihm sein dreckiges Putzwasser über den Kopf oder schütteten Erde auf die Fußböden, die er bereits gewischt hatte. Chanyeol wehrte sich nicht gegen die Hänselleien der anderen Jugendlichen, weil sein Stand es ihm nicht gestattete. Aber Chanyeol verstand, dass er sich den anderen Jungen gegenüber nicht mehr wie ein Sklave fühlte.

Morgens war er ein Schüler des Schwertkämpfers Semachites, so wie alle anderen Jungen es waren und wenn Semachites ihn gegen einen der Jungen antreten ließ, dann erinnerte er sich an die Dinge, die sie ihm angetan hatten und rächte sich indem er sie in einem fairen Kampf besiegte – das, so wusste er, war die größte Niederlage und bedeutendste Demütigung für sie.

Wenn er machmittags dann wieder zu seinen Aufgaben als Sklave zurückkehrte war Chanyeol nicht verbittern oder traurig. Im Gegenteil, am nächsten Morgen würde er wieder ein Schüler des Semachites sein und könnte alles vergelten. Morgens ein Schüler Semachites – gar der Beste -, mittags ein Sklave und nachts ein Heros.

Die anderen Jungen verstanden dass sie Chanyeol kaum etwas anhaben konnten und griffen bald zu wirklich widerwärtigen Mitteln. Es war Arastro, der Anführer der Jungen, weil er vor Chanyeols Auftauchen der geschickteste Schwertkämpfer aber auch derjenige mit dem höchsten Stand unter ihnen gewesen war, der Chanyeol eines Nachmittags überraschte.

„Hey Sklave!", rief er aus. Chanyeol trug gerade einen Korb Lebensmittel in die Küche die für das Abendmahl des Prinzen gedacht waren, als Arastro und drei anderen Jungen – Lybis, Omezides und Fakulta – ihn zu sich heranwinkte. Chanyeol ignorierte sie, weil er wirklich dringend seiner Aufgabe nachgehen musste.

„Sklave!", riefen sie lauter, dann standen sie ihm im Weg mit erhobenen Schwertern. Nicht die hölzernen, die sie meistens im Training verwendeten, sondern echte, scharfe Klingen die Chanyeols Gesicht spiegelten, als die Jungen die Schwerter auf ihn richteten.

„Was wollt ihr?", fragte er also und wandte sich ihnen zu.

„Ist das die Art wie ein Sklave mit seinen Herren spricht?", zischte Arastro und kam einen Schritt auf Chanyeol zu, so dass die Spitze der Klinge fast seinen Adamsapfel berührte. Es war natürlich nicht die Art und Weiße wie ein Sklave mit irgendjemanden, der kein Sklave war, zu reden hatte, aber Chanyeol fühlte nicht mehr wie ein Sklave, vor allem nicht vor Jungen, die ihm im Schwertkampf so deutlich unterlegen waren.

„Dreckiger Hund! GEH ZU BODEN VOR DEINEM HERRN!", schrie Arastro, wütend über den entschlossenen Ausdruck in Chanyeols Augen.

Chanyeol legte seinen Korb auf den Boden neben sich und sank dann langsam auf ein Knie. Nicht wie ein Sklave, sondern wie ein Adliger, der einen anderen Adligen grüßte.

„DU SOLLST ZU BODEN GEHEN!", polterte Arastros Stimme durch den Saal, andere Sklaven zogen die Köpfe ein und verschwanden wie Schatten in den Ecken des Saales. Chanyeol war keiner dieser Schatten mehr. Er blieb auf einem Knie und senkte auch nicht den Kopf. Arastro lief rot an vor Wut, schmiss sein Schwert zur Seite und griff stattdessen nach dem Korb, der neben Chanyeol lag.

FallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt