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Chanyeol schritt langsam auf Luhan zu, in seinen Augen stand nichts als kalte Berechenbarkeit. Luhan kniete noch immer vornübergebeugt auf der Erde, seine Schultern bebten von den Schluchzen, die seinen Körper erschütterten. Sein Gesicht lag in seinen blassen Händen und er reagierte nicht auf die leisen Schritte, die ihn anvisierten.

In Baekhyun saß der Schock ebenfalls sehr tief. Er konnte nicht aufhören die Stelle anzustarren, wo eben noch Minseok gestanden war. Wo glitzernde Kettenstücke sein Gesicht erhellt hatten.

„Chanyeol", flüsterte Baekhyun schwach. „Bitte-" Der Erzengel sah ihn weder an, noch machte er sonst den Eindruck, als hätte er Baekhyuns Worte gehört. Sein Schatten fiel über Luhans zusammengekrümmte Gestalt und seine Hände wurden von einem Licht umhüllt, das Grauen in Baekhyun hervorrief.

Baekhyun hasste das Chanyeol ein Erzengel war und ihm war noch immer nicht ganz einleuchtend wie und wieso es dazu gekommen war. Doch so sehr alles in ihm sich dagegen sträubte Chanyeol auch nur ein Haar zu krümmen, so wusste er doch das wenn er jetzt nicht handelte, dass Chanyeol Luhan vernichten würde. Also handelte er.

Geschwindigkeit, wie auch Geschicklichkeit hatte er von Jin und Namjoon eingeprügelt bekommen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er hatte wohl ihnen zu verdanken, dass sein Körper flink wie eine Rakete nach vorne preschte und mit dem Erzengel kollidierte. Es riss sie beide von den Füßen. Sie rollten ein paar Meter über den Kieselsteinweg, verheddert in den Gliedmaßen des anderen. Chanyeol zischte genervt, riss seine Hand nach oben und verfehlte Baekhyun nur um Haaresbreite, als dieser geschwind aus seiner Reichweite sprang.

„Willst du etwa als erstes sterben?"

Baekhyun verzog das Gesicht. „Das klingt unheimlich falsch aus deinem Mund Chanyeol."

Chanyeol blieb weiterhin unberührt. Er rappelte sich wieder auf die Füße auf und war in der nächsten Sekunde in der Luft, weit über Baekhyun. Die Luft flimmerte, Chanyeol erschien dreißig Meter weiter links wieder und war erneut fort, bevor Baekhyun folgen konnte. Es war nur ein winziger Luftzug, der ihm verriet, dass Chanyeol hinter ihm erschienen war. Er duckte sich, kassierte jedoch einen Tritt in die Magengrube, der ihm für einen Moment Hören und Sehen vergehen ließ. Er stolperte rücklings und landete in einem lilafarbenen Hyazinthenstrauß, der aus der Erde eines Grabes wuchs. Ein Friedhof war bei bestem Willen kein Ort, an dem ein Erzengel und ein Gefallener Engel ihr Wiedersehen feiern sollten.

„Chanyeol, kannst du nicht..." Baekhyun versuchte sich aufzurichten, der Schmerz ließ schnell nach. Wer hatte ihm das schnelle Heilen gelehrt? Yoongi? Taehyung? (Wahrscheinlich waren es Alle gewesen). „Können wir nicht darüber reden?"

Chanyeol strauchelte tatsächlich, fing sich jedoch und starrte Baekhyun lange an. „Reden? Du bist ein Gefallener Engel, darüber gibt es nichts zu reden."

„Wir müssen ja auch nicht zwingend gleich darüber reden. Wir könnten mit netteren Dingen anfangen. Gute alte Zeiten oder so."

Chanyeols Gesichtsmiene wurde immer finsterer.

„Mh, wir könnten auch über Tiere reden? Du weißt schon, die kleinen, pelzigen Lebewesen mit denen du mich immer verwechselt hast?"

Baekhyun hatte noch nie zuvor so gigantische Flügel gesehen. Chanyeol war ein Riese von einem Menschen gewesen, ähnlich groß wie Kris, aber Chanyeols Flügel waren unglaublich. Sie waren reines Licht und bewegten sich sanft mit jeder seiner Bewegungen mit. Jetzt gerade erzitterten sie leicht, was Baekhyuns einzige Vorwarnung war, bevor Chanyeol auf ihn zugeschossen kam.

Baekhyun war nicht schnell genug und er war auch nicht stark genug um es mit einem Erzengel aufnehmen zu können. Und Chanyeol war offensichtlich ein verflucht starker Erzengel.

FallenWhere stories live. Discover now