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Jungkook Pov

Genervt raufe ich mir die Haare und stampfe mit den Beinen auf dem Fußboden auf. Seit genau 47 Minuten hänge ich nun am Telefon und diskutiere mit einem Mann in seinen jungen Jahren über etwas, was ich selber nicht ganz glauben kann. Ich weiß nicht wann mein Leben angefangen hat mich so sehr zu verschmähen, aber das ist wohl der größte Tiefpunkt, den ich jemals erreicht habe.

Als ich damals die High Shool beendet und mein Jurastudium angefangen habe, hat meine Mutter das all den Nachbarn und den Leuten erzählt, die ihr stets weismachen wollten das aus mir nichts werden würde. Ich weiß, wie sehr sie sich darüber gefreut hat eben jenen Menschen, die sie immer für unfähig gehalten haben, nur weil ihr Mann sie zusammen mit ihren vier und neun jährigen Söhnen hat sitzen lassen, jetzt zu zeigen, dass sie sich in ihr und in mir geirrt haben.

Sie war unglaublich Stolz auf mich, hat mich unterstützt wo sie nur konnte und mir sogar Geld geliehen als ich meine eigene Kanzlei hier eröffnet habe um mich selbstständig zu machen. Ich dachte, das ganze lernen all die Jahre hat sich gelohnt. Ich dachte wirklich, dass ich genau das erreicht habe was ich wollte, aber mit mir ist es wie mit jedem anderen der träumt; irgendwann wacht man auf.

Statt erfolgreich mit meiner Kanzlei als Rechtsanwalt für die Unschuld zu kämpfen, wie ich es mir immer vorgenommen habe, gehe ich in diesem Raum ein. Mein einziger Klient ist ein junger Mann in seinen zwanzigern, der nach drei Wochen Ehe mit seiner Frau die Scheidung eingereicht hat und sich jetzt mit ihr um das Sorgerecht streitet. Scheidungsfälle sind an sich bereits nicht wirklich interessant, aber es gehört zu meinem Job und ich wäre normalerweise auch nicht so am verzweifeln, wenn da nicht dieses eine, winzig kleine Detail wäre.

Es handelt sich bei dem Sorgerechtsstreit nicht etwa um ein gemeinsames Kind der beiden, es handelt sich um die Katze. Ein Erwachsener Mann, dessen Ehe nach nur drei Wochen kaputt gegangen ist und der nicht akzeptieren kann, dass die Katze seiner bald Ex-Frau gehört und nicht ihm. So viele Jahre Schule und Studium, so viel Geld das ich investiert habe, nur um mich jetzt am Telefon über eine Katze zu streiten.

Müde reibe ich mir über die Augen und atme noch einmal tief ein als er endlich aufhört zu reden. Eine lange Pause entsteht zwischen uns, eine Pause in der ich hoffe das er auflegt, weil er gemerkt hat, dass das ganze purer Blödsinn ist, aber Hoffnung ist bei diesem Job fehl am Platz.

"Mr. Jeon, sind Sie noch da?", fragt er ruhig, beinahe vorsichtig was nach dem ganzen Geschrei wegen seiner Wut auf seine Frau und ihrer verständnislosigkeit was die Liebe zu dieser Katze angeht mehr als nur unecht wirkt.

Ich öffne meinen Mund und lege meine Hand hinein in die ich so fest ich kann beiße, damit mich der Schmerz daran erinnert das dieser Mann mein einziger Klient ist, den ich nicht auch noch verlieren darf, egal wie dumm seine Geschichte auch ist. Es ist schon beinahe traurig das ich als gelernter Anwalt so verzweifelt bin, dass ich bereits einen Mann vertrete, der um das Sorgerecht einer Katze kämpft. Einer Katze, die seine Frau auch noch vor dem Anfang der Beziehung gekauft hat.

"Mr. Jeon?"

"Ja, ja, ich bin noch da." Ich kneife die Augen zusammen um die Tränen der Verzweiflung zurück zu halten und balle meine Hand zu einer Faust, sodass meine Fingernägel sich in die Innenfläche bohren. Schmerz wird von mir häufig angewandt, er erinnert mich daran das ich das hier brauche und nicht einfach wegwerfen kann, selbst wenn ich gerade das dringende Verlangen habe mich selber einfach von irgendeinem Gebäude zu werfen und dem erbärmlichen Leben, das ich führe, zu entfliehen.

"Hören Sie, Mr. Byun", sage ich und bastel mir schnell eine Ausrede zusammen, die mich wenigstens für heute von diesem Typen befreien wird. "Ich werde die Unterlagen noch einmal durchgehen und Sie diese Woche kontaktieren um die Erfolgsaussichten zu besprechen. Tun Sie mir nur einen Gefallen, halten Sie sich von ihrer Frau fern."

"Fern halten?" Es entsteht erneut eine kurze Pause und als er wieder anfängt zu sprechen, ist seine Stimme leiser und wird durch ein zittern untermalt. Mittlerweile glaube ich nicht einmal mehr, dass es sich hierbei um einen Scherz oder einen Racheakt an seiner Frau handelt, weil diese ihn verlassen hat. Ich glaube, dass er sich so sehr in diese Sachen hineinsteigert, dass er irgendwann angefangen hat es ernst zu meinen.

Und dieses Verhalten wird noch Schuld daran sein wenn ich dem Wahnsinn verfallen. Vielleicht ist es doch nicht das klügste mich selber umzubringen, ich sollte es mit Mr. Byun tun und am besten noch seine Frau hinterher schicken, weil sie ihn verlassen und zu diesem Stück Elend gemacht hat das er jetzt ist.

Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und schließe erschöpft die Augen. "Ihre Frau hat eine Einstweilige Verfügung gegen Sie in der Hand. Wenn Sie gegen die verstoßen, werden Sie Ihre Katze nie wieder sehen. Tun Sie also einfach was ich Ihnen sage und warten Sie auf einen Anruf von mir, verstanden?"

Durch das Telefon kann man es zwar nicht sehen, aber ich wette das der Kerl gerade mit dem Foto der Katze, dass er auch bei unserem ersten Treffen dabei hatte, auf dem Boden sitzt und weint. Manchmal kann ich nicht glauben das es so verrückte Menschen gibt, aber ich vertrete lieber die als irgendwelche Mörder oder gleichwertig kriminelle. Selbst wenn diese mich manchmal fast dazu bringen selber kriminell zu werden.

"Ich vertraue darauf das Sie mir helfen, Mr. Jeon."

Erleichtert dieses Gespräch gleich beenden zu können setze ich mich auf. "Ich gebe mein bestes."

Ich sitze eine Weile da und starre die leere weiße Wand gegenüber von mir an, selbst als das erlösende Beep ertönt auf das ich die letzten fünfundvierzig Minuten gewartet habe. Es ist als könnte ich meinen ganzen Werdegang auf dieser leeren Oberfläche sehen, aber statt Stolz auf mich selber zu sein macht es mich viel mehr traurig.

Meine Mutter glaubt das meine Kanzlei gut läuft, sie glaubt mit meinem Umzug hierher hat die Stadt einen erfolgreichen neuen Anwalt gewonnen, aber ich traue mich nicht ihr die Wahrheit zu sagen, was ich bald wahrscheinlich wohl oder übel tun muss. Mit einem Klienten, dessen Fall noch dazu Hoffnungslos ist, kann ich mich nicht über Wasser halten. Ich werde bald wohl nicht einmal mehr die Miete hierfür bezahlen können und zurück zu meiner Mutter müssen.

Wann in meinem Leben habe ich den Fehler gemacht, für den ich das hier verdient habe? Ich weiß es nicht, aber es muss etwas so schlimmes gewesen sein, das Gott oder wer auch immer mir dafür meine ganze Existenz ruinieren muss.

Ich lasse mich zurück in meinen Sitz fallen und schließe Müde die Augen. Die Frage ist tatsächlich berechtigt: Wann hat mein Pech angefangen? Während des Studiums war ich einer der besten und selbst danach war die Hoffnung groß, also wann hat das Pech angefangen mich zu verfolgen und wann wird es aufhören?

Wann wird das verdammte Leben mich erlösen?

Afterlife |Vkook|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt