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ʷʰᵃᵗ ⁱᶠ ʸᵒᵘ ᶜᵃⁿ'ᵗ ʰᵉᵃʳ ᵐʸ ˢᵒⁿᵍ
ᵇᵉᶜᵃᵘˢᵉ ʸᵒᵘ'ʳᵉ ᵗᵒᵒ ᶠᵃʳ ᵃʷᵃʸ?
-Star

„Wie lange bist du schon krank?", ist meine erste Frage, nachdem ich mich mit dem Kaffe in der Hand neben ihm auf der Parkbank fallen lassen habe.

Heute hat er Klamotten an, mit denen er geradewegs in ein japanisches Girlbandvideo hüpfen könnte und man würde den Unterschied nicht merken.

Vielleicht bin ich auch einfach ziemlich altmodisch, was Kleidung angeht, Si Cheng steht es auf jeden Fall.

Beschweren kann ich mich auch nicht, denn wenn es auch sehr undistanziert klingt, seine Figur ist mega.

Das will ich ihm jetzt nicht einfach so unter die Nase reiben, denn wir treffen uns ja aus einem ganz anderen Grund, den wir beide für nötig hielten zu besprechen, bevor wir mit unserem völlig hirnverbrannten Projekt beginnen können.

Und das ist das mindeste, worauf ich auch stolz bin, weil der Impuls von mir aus ging.

„Sollen wir es wirklich krank nennen? Ich meine, es klingt gleich immer so, als würde das was so komplett ernsthaftes sein... Ich bin eben durch ein paar Symptome eingeschränkt auf psychischer Ebene?", schlägt er vor, doch ich schenke ihm nur einen Blick, der mehr von einem ‚Ernsthaft?!' spricht, als von einem ‚Klar-machen's- wir-so'- Blick.

„Si Cheng, im besten Willen: Nein. Nicht dass du von einem Hochhaus springen wolltest, aber gut. Ich will dich nicht verurteilen. Wir nehmen uns jetzt jeden Punkt einzeln vor. Wieso an diesem Abend?"

Von einer Sekunde auf die andere ist er so blass wie der Schaum auf meine Macciato, der mir seinen betörenden Duft direkt in die Nase treibt.

Doch der Kleine ist wichtiger, obwohl er nicht mal so klein ist, wie ich bemerken musste, als ich ihm vorher wieder begegnet bin.

In aller Eile und mit ein bisschen Alkoholintus verschwimmt einem schon mal die liebe Welt vor Augen.

Mit seiner Antwort lässt er sich mehr genug Zeit, seine Aufmerksamkeit gilt eher dem weiten Park, der in der Mittagssonne glänzt.

Die Bäume werfen ihre sanften, aber weiten Schatten auf den grünen Rasen und ein paar Vögel zwitschern in die leicht schwüle Sommerluft.

Der Moment ist so schön, dass ich eigentlich für immer mit ihm hier sitzen will und diese Erinnerung mit ihm teilen will, nur so, dass sie nur für uns beide existiert.

"Ich konnte nicht mehr", antwortet er mir dann doch, so dass ich meinen Blick von meinem Getränk hebe und ihn verwirrt mit einigen Fragezeichen im Gesicht anblinzle.

Sein Gesprochenes wirft nur Verwirrung in mir auf. Anscheinend bemerkt er meine Verwirrung, denn er gibt einen beschwichtigen Seufzer von sich, während er sich die Hände unter die Schenkel klemmt und der Natur wieder den Blickkontakt schenkt, leider nicht mir, Dafür bekomme ich eine Antwort, die endlich Aufschluss liefert.

„An dem Abend ging es mir wirklich schlecht. Keine Ahnung, aber mein Kopf war so zu. Die ganzen Tage habe ich es in mir behalten, mir gesagt, ich würde es schaffen. Ich wollte niemand wieder weh tun, aber irgendwie hat das nicht geklappt. Und wie es so schnell geht, wenn man allein ist, kam mir in diesem Wahnsinn nur noch das eine in den Sinn: Selbstmord. Damals war ich so ein Feigling."

Der Glanz in seinen Augen, als er mich wieder anblickt, nimmt mir jede letzte positive Hoffnung. Tiefste Trauer teilt er in diesem kleinen Moment von ein paar Sekunden wieder mit mir, die mich schon das letzte Mal aus der Fassung gebracht hat.

„Ich war so allein Yuta."

Meinen Namen spricht er schon fast so aus, als wäre es etwas Besonderes zu nennen.

„Du brauchst Hilfe. Das ist nichts Kleines", stelle ich dann entschlossen fest, von der Vorstellung entsetzt, wie sehr er in den letzten Monaten, ja vielleicht Jahren gelitten haben muss, dabei kenne ich nur seine Formulierung in diesen kurzen Sätzen, die mir immer noch in meinem Kopf umherschwirren wie ein Haufen Federn und mich auf die unangenehme Weise kitzeln.

„Willst du das wirklich machen? Wir könnten auch so Freunde sein."

Si Cheng lächelt mich traurig an, als wäre er es schon gewohnt, immer eine Abfuhr zu bekommen.

„Ich will dich viel besser kennenlernen. Si Cheng, ich mag dich und ich will dir helfen. Wenn ich es nicht schaffe, dann musst du wohl oder übel zu einem Psychologen, aber bis jetzt ist es noch nicht so weit. Wir verdanken uns beiden eine Menge, also können wir das doch gemeinsam meistern, dass keiner in der Schuld des anderen steht, sondern wir beide davon profitieren. Du hast mir meine Ex aus dem Kopf getrieben, mich vor einem One Night Stand gerettet und mir ein Zuhause geboten, als ich eigentlich keins hatte. Und du hast mir dein Leben anvertraut, weil ich es dir wohl durch Zufall gerettet habe. Das ist so viel, ich will dir nur helfen. Du bedeutest mir etwas, auch wenn wir uns erst seit ein oder zwei Tagen kennen. Und ich will, dass das so bleibt."

●•nine reasons to stay°yuwin•●Where stories live. Discover now