Teil 4

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Mary Henk

"Gib' mir eine Woche und ich weiß wo er wohnt.", behauptete Joana, als es zur Pause klingelte, und Mr. Graham den Raum verlassen hatte. Amy und ich standen einige Meter von ihr und Hannah entfernt. Hannah war seit ein paar Monaten neu hier und seit ihrem ersten Tag die neue beste Freundin von Joana. Kein Wunder, denn wenn die Beiden eins teilten, dann war es ihre Vorliebe für ältere Kerle.

Ich tauschte einen fassungslosen Blick mit Amy aus. "Das kann doch nicht ihr ernst sein?", flüsterte Amy, sodass Joana es nicht hören konnte. Ich entgegnete nichts. Joana traute ich echt einiges zu, ebenso das ausspionieren von Leuten. Es wäre also wirklich nicht verwunderlich, wenn sie die Adresse von Mr. Graham rausfinden würde. Auch wenn das ganze natürlich mehr als krank war.

Amy und ich schlenderten nebeneinander her in die Pausenhalle und suchten uns einen Tisch aus, an den wir uns setzen konnten. Es gab zwar einige Leute, mit denen ich mich in der Schule abgab, allerdings war Amy die Einzige, die ich auch privat traf. Ich verließ mich lieber auf die paar Freunde die ich hatte, als sich etliche falsche anzulachen.

Wir saßen jetzt zu fünft an einem ruhigen Plätzchen und unterhielten uns, bis die Pause vorbei war.

William

"Joana Paker, hm?", riss mich Dean aus den Gedanken, als ich gerade dabei war, mir den Sitzplan anzusehen. Ich sah überrascht zu ihm auf, als er nun hinter meinem Stuhl stand und den Plan überflog. Ihm stand ein freches Grinsen ins Gesicht geschrieben.

Mir war nicht klar, was ich in diesem Moment antworten sollte, also verging eine peinliche Stille, die erst durchbrach, als sein Grinsen schwand und er mich ansah als wäre ich der größte Idiot, dem er jemals begegnet war.

Vermutlich war dies meine einzige Chance gewesen, dass Eis zwischen uns zu brechen und ich hatte kläglich versagt.

"Joana Paker?", hakte er nun weiter nach, als hoffte er noch darauf, dass ich endlich wusste, was er von mir will. Fehlanzeige.

Er verdrehte theatralisch die Augen, zog sich einen Stuhl direkt neben meinen und setzte sich. Noch bevor ich reagieren konnte, zeigte er mit seinem Zeigefinger auf das beschriebene Blatt vor mir. Er zeigte direkt auf ihren Namen.

"Das Mädchen ist ein Biest.", redete er weiter, als er den Finger wieder weg nahm. Endlich begriff ich. Joana Paker hieß also das blonde, aufdringliche Mädchen mit den stechenden Augen.

Dean saß so dicht neben mir, dass ich beinahe seinen Atem hätte spüren können, und er ahnte ja gar nicht, wie sehr mich solche Nähe reizte.

"Sie scheint hier ja sehr bekannt zu sein.", stellte ich fest. Dean lachte höhnisch. "Du hast ja keine Ahnung!"

Ich sah ihn fragend an, wenn auch nur für sehr kurze Zeit, mehr ertrug ich einfach nicht.

"Das Mädchen hätte meiner Meinung nach schon längst fliegen müssen." Er verschränkte seine Arme vor seiner Brust. "Aber mich fragt ja keiner."

"Was hat sie getan?", fragte ich nun ziemlich neugierig. So schlimm hatte ich sie dann doch nicht eingeschätzt.

"Die Frage ist eher, was sie nicht getan hat!" Wieder lachte er. "Ich kann dir zumindest sagen, dass du nicht der erste bist, der mit ihr zu kämpfen hat." Er löste seine verschränkten Arme und lehnte sich nach vorne, um sich auf den Tisch zu stützen.

"Mr. Rudolph ist wegen ihr entlassen worden. Angeblich wegen sexueller Belästigung. Dabei hat er sie einfach nicht ran gelassen, das war alles."

Ich sah ihn ungläubig an. "Hat das denn Niemand überprüft?" Dean schüttelte lachend den Kopf." Sie hatte genug Mädchen, die auf ihrer Seite standen und für sie ausgesagt haben."

Ich war sprachlos. So etwas hatte ich mir beim Besten Willen nicht vorgestellt. Wie konnte ein so junges Mädchen nur so sehr davon besessen sein, sich an ältere Typen ranzuschmeißen?

"Das Mädchen ist total krank, ernsthaft." Dean stand auf und ließ mich alleine sitzen, als wäre nun alles zwischen uns gesagt, was gesagt werden musste. Ich starrte nun auf die Liste, die noch immer vor mir lag.

Joana Paker

Ich las ihren Namen immer wieder, bis ich den Zettel endlich von mir wegschob. Mir war ziemlich mulmig zumute nachdem was Dean eben erzählt hatte. Ein falscher Schritt und ich könnte genauso enden wie Mr. Rudolph.

Mary Henk

"Das sieht schrecklich aus!", rief ich lachend, als ich nach Hause kam und mein Vater mir stolz seine neue Frisur präsentierte. "Wieso?", fragte er ahnungslos. Ich schüttele lachend meinen Kopf.

"Undercuts trägt man mit fünfzehn, aber nicht mit achtunddreißig!", zog ich ihn auf. Auch wenn er mit seinem Aussehen glatt als dreißig durchgehen könnte, fand ich die Frisur einfach unglaublich unpassend. "Ich dachte du willst sie abrasieren?", fragte ich ein wenig enttäuscht, nachdem ich mich zu ihm auf die Couch gesetzt hatte.

"Bist du verrückt? Die letzten Jahre mit vollem Haar werde ich voll und ganz genießen! Komm du erstmal in mein Alter.", verteidigte er sich.

Ich strich mit meinen Fingern seinen Hinterkopf entlang über die millimeter-kurzen Haare. "Voll sind die Haare jetzt sowieso nicht mehr.", neckte ich ihn erneut. Er warf mir einen empörten Blick zu. "Pass auf was du sagst!", mahnte er gespielt, bis er schließlich selbst ein wenig lachen musste.

Mir fielen im selben Moment meine Hausaufgaben ein, weshalb ich mich wieder auf die Beine stemmte, und das Wohnzimmer verließ. "Du musst endlich einsehen, dass du nicht mehr zwanzig bist!", rief ich noch durch den Flur, bevor ich in meinem Zimmer verschwand. Ja, manchmal wollte mein Vater sich tatsächlich nicht seinem Alter entsprechend verhalten.

Ich suchte meine Schulsachen zusammen und setzte mich mit ihnen an den Schreibtisch. "Gott, wie ich Schule hasse.", murmelte ich zu mir selbst, bevor ich mich den Bergen von Hausaufgaben widmete.

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Am Abend saß ich mit meinem Vater zusammen in der Küche und aß, was er gekocht hatte. Auf den Tisch hatte ich ihm einige Zettel von der Schule hingelegt, die er jetzt durchlas.

"Klassenreise?", fragte er überrascht und sah zu mir auf. "Studienreise.", korrigierte ich ihn. "Du hast sie vor ein paar Monaten bezahlt.", erinnerte ich ihn. Er versank kurz in Gedanken, eher er sich mir wieder widmete.

"Und die ist wann noch gleich?" Ich zog einen der Zettel zu mir und las ihn flüchtig durch. "Übernächste Woche.", stellte ich fest. Er sah mich mit großen Augen an. "Was, schon so bald?" Ich nickte. Dass die Reise so bald sein würde, hatte ich selbst ganz vergessen. Die ganze Klasse hatte es irgendwie vergessen.

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