Teil 20

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"Dass ich dich verraten habe tut mir übrigens leid."

Erstaunt sah ich zu Mr. Graham, der mich einen kurzen Moment anlächelte, bevor er wieder auf das Fußballfeld starrte. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe. Die Zeit hier mit ihm allein tat mir ganz und gar nicht gut. Viel mehr musste ich so über ihn nachdenken.

"Schon okay.", murmelte ich. Dass er Mr. Johnson von Sean erzählt hatte, interessierte mich kaum noch. Eigentlich wünschte ich sogar, ich hätte mich einfach an die Abmachung gehalten, nicht mir Fremden zu sprechen. Das hätte mir ein bisschen was erspart.

"Es ist nun mal leider unsere Pflicht ständig den Spielverderber zu spielen. Letztendlich versuchen wir nur euch zu beschützen." , rechtfertigte er sich.

Ich schluckte. Wir versuchen euch zu beschützen, oder war es doch nur er, der mich beschützen wollte? Ich verwarf den Gedanken schnellstmöglich wieder. Als würde er sich besonderes um mein Befinden sorgen.

"Hat sich sowieso erledigt.", stieß es aus mir heraus. Verlegen starrte ich sofort zu Boden, als ich spürte, wie er mich sofort ansah. Eine ganze Zeit lang sagte er nichts. Er schien mich einfach zu mustern und sich über irgendwas Gedanken zu machen. Mein Gesicht sah womöglich schon wieder aus wie eine Tomate.

"Wie kommt es, dass du so anders bist?", durchbrach er die unangenehme Stille. Mein Herz raste, ich hatte keine Ahnung was ich entgegnen sollte. Schüchtern sah ich wieder vom Boden auf und schenkte ihm ein schwaches Lächeln.

"Bin ich denn anders?"

Er grinste kurz. "Anders als andere in deinem Alter." Ich zuckte mit den Schultern, als wäre mir dieses Kompliment gleichgültig. Wenn er dies überhaupt als Kompliment gemeint hatte.

Er schien sofort zu merken, wie unsicher mich diese Worte werden ließen.

"Versteh das nicht falsch.", versucht er sich schüchtern zu retten. Sein Blick fällt auf seine Armbanduhr, dann steht er auf.

"Wir sehen uns gleich beim Essen.", verabschiedet er sich plötzlich, schnappt nach seinem Buch und läuft auf Mr. Johnson zu, der noch immer am Feldrand stand und die Jungs umherscheuchte. Ich starrte ihm nach. Verdammt warum musste mich sein schüchternes, zurückhaltendes Verhalten nur so fesseln? Ich fühlte mich wie eine Mutter, die ihren kleinen Sohn beim Spielen bewunderte. Oder viel mehr, ich fühlte mich verbunden, da wir vermutlich sehr ähnlich gestrickt waren. Ich seufzte tief. Schluss mit Mr. Graham... Schluss mit diesen Gedanken...

Langsam stand ich auf, sah ein letztes Mal zu ihm und Mr. Johnson, der sich jetzt mit ihm zu unterhalten schien und machte mich auf dem Weg zurück ins Gebäude.

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"Wo warst du die ganze Zeit?", fragte Amy mich, als wir wenig späte am Tisch saßen und zu Abend aßen.

"Ich hab' gelesen.", log ich. Ich konnte den Anderen schlecht erzählen, dass ich mit Mr. Graham auf einer Bank gesessen, und mich unterhalten habe. Amy verdrehte die Augen, wie immer wenn sie etwas an meinem Verhalten störte. Ich schluckte meine aufkommende Wut hinunter. Sie war nun mal, wie sie war.

Obwohl Mr. Graham am anderen Ende des Saals saß, konnte ich ihn von meinem Platz aus perfekt sehen. Was nicht wirklich was Gutes war. Kaum hatte ich einmal zu ihm gesehen, konnte ich nicht aufhören die ganze Zeit hinzusehen. Sein Blick schien abwesend, wie immer eigentlich. Ms. Bomer plauderte über irgendwas mit Mr. Johnson, drei Jungen, die mit am Tisch saßen redeten untereinander und ihm schien schon wieder nicht nach Reden zumute. Es schien als wäre er ständig in seiner eigenen Gedankenwelt gefangen, genau wie ich.

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Um 22.00 Uhr trafen wir uns alle unten im Keller, der zu einer kleinen Disko umgestaltet wurde. Alle hatten sich ordentlich herausgeputzt. Mit meinem schlichten Kleid war ich noch ziemlich underdressed.

Die Mädchen trugen alle figurbetonte Kleider, viel zu tiefe Ausschnitte und vor allem viel zu viel Make-up. Die Jungen trugen größtenteils teure Hemden, oder sogar ganze Anzüge.

Ich saß mit ein paar Leuten in einer gemütlichen Sitzecke, schlürfte mein Getränk und sah den ersten Leuten dabei zu, wie sie in dem blauen Neonlicht zu der viel zu lauten Musik zu tanzen begannen.

Einige Mädchen kicherten lautstark, als Mr. Johnson zur Tür reinkam. Zugegeben, er sah wirklich gut aus in schwarzem Smoking und schwarzer Fliege. Aber das wusste er selbst ganz genau.

Ein selbstverliebtes Lächeln stand ihm im Gesicht, als er sich durch die kleine Menschenmenge drängte, um bei den Snacks anzukommen. Ich lächelte schwach. Total sympathisch, aber eben doch viel zu arrogant.

Mein Blick löste sich von ihm und wanderte zurück zur Tür, durch welche immer mehr Schüler hineintraten. Unter ihnen befand sich außerdem Mr. Graham, wie ich mit klopfendem Herzen feststellte. Unwillkürlich musste ich grinsen, als ich ihm die mangelnde Freude aus dem Gesicht ablesen konnte.

Anders als Mr. Johnson trug er bloß ein schlichtes weißes Hemd, was er ordentlich in seine dunkle Jeans gesteckt hatte. Er schien sich nicht viel aus nobler Kleidung zu machen, ebenso wie ich.

Ich starrte ihn noch immer an, hoffend darauf, dass er mir einen kurzen Blick zurück schenken würde. Keine Chance. Seine Augen waren auf den dunklen Holzboden fixiert, um sämtlichen Augen auszuweichen.

Er drängelte sich achtsam durch die Schüler, um sich schließlich ein Getränk zu holen. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich die laute Techno Musik schon vollkommen ausgeblendet hatte. Ich hatte nur noch Augen für ihn. William.

Zum ersten Mal führte ich mir jetzt seinen Vornamen richtig vor Augen und musste feststellen, dass mir dieser mehr gefiel, als er eigentlich sollte. Überhaupt gefiel mir dieser Mann viel mehr, als er eigentlich sollte. Und das nur, weil mich dieses geheimnisvolle an ihm reizte. Außerdem fühlte ich einfach diese tiefe Verbundenheit zu ihm.

Es dauerte keine zwei Minuten, bis Joana ebenfalls ihren Blick nicht mehr von Mr. Graham lassen konnte und sich eilig einen Weg zu ihm durchbahnte.

Ich hatte keine Ahnung, was sie ihm sagte, aber jedenfalls unterhielten sie sich eine ganze Weile. Meine Stirn legte sich in Falten. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Joana schon wieder was geplant hatte.

Unaufhörlich starrte ich zu den Beiden rüber, darauf wartend, dass was passieren würde. Mr. Graham schien es gar nicht mal so zu stören, dass sie mit ihm sprach. Mehr als seltsam, immerhin war er sonst nie sehr erfreut gewesen sie zu sehen. Sie musste schon wieder ihr ganzen Schauspieltalent genutzt haben, um sich bei ihm einzuschleimen. Ich biss meine Zähne fest zusammen. Tatsächlich war ich ziemlich eifersüchtig in diesem Augenblick.

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