Teil 24

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Zwei ganze Wochen ist die Klassenreise nun schon her. Seitdem hatte ich kein einziges Wort mehr mit Mr. Graham gewechselt. In all seinen Stunden hatte ich mich kein einziges Mal gemeldet, und er hatte mich auch kein einziges Mal aufgerufen. Es war seltsam, und irgendwie schmerzhaft. Jedes Mal blieb mein Blick pausenlos auf ihm haften, wenn er vorne am Pult saß, während wir eigentlich arbeiten sollten. Einen winzigen Augenblick trafen sich dann unsere Blicke, bis er sich sofort wieder auf seine Unterlagen konzentrierte, als müsste er alles tun, um mich zu meiden.

Auch jetzt saß ich wieder an meinem Platz, starrte nach vorne und sah ihm dabei zu, wie er lauter Gleichungen an die Tafel schrieb. Die Zahlen verschwammen bloß vor meinem Auge, alles was ich sah, war ihn, mit dem Rücken zu uns gerichtet. Seine Haare musste er vor kurzem geschnitten haben lassen, die Locken waren um einiges kürzer als sonst. Aufgrund der enormen Hitze, trug er ein graues T-Shirt, was er unordentlich in seine blaue Jeans gesteckt hatte.

Ich war nicht die Einzige, die meine Aufmerksamkeit viel mehr auf ihn, als auf Mathe gerichtet hatte. Sämtliche Mädchen hatten ihre Augen auf seinen Hintern fixiert, der sich zugegebener Maßen auch recht gut in dieser Hose machte. Trotzdem ärgerte es mich tierisch, dass ich nicht die Einzige war, die diesen Anblick genoss. Verdammt die ganzen letzten Tage hatte ich schon ununterbrochen an ihn denken müssen. Sogar in meinen Träumen wurde ich von ihm verfolgt. Was hatte dieser Mann nur mit mir angestellt?

Noch immer machte es mich wütend, dass wir an jenem Abend nicht noch stundenlang in einer Unterhaltung schwelgen konnten. Nein, stattdessen war unser Gespräch so schnell vorbei gewesen, wie es angefangen hatte. "Du solltest runter gehen zu den Anderen.", hörte ich seine Worte immer wieder in Gedanken. Einfach so hatte er mich weggeschickt. Einfach so.

Klar, was hätte er auch sonst tun sollen? Mich auf sein Zimmer bitten? Ich musste lächeln bei diesem Gedanken. Mit ihm auf einem Zimmer wäre eigentlich...

"Mary?", riss Amy mich aus meiner Träumerei. Ich zuckte zusammen und bemerkte zu meinem Pech, dass die ganze Klasse mich anstarrte. Inklusive Mr. Graham, auch wenn dieser natürlich wieder den Augenkontakt vermied.

"Nummer 5.", flüsterte Amy mir zu. "Lies Nummer 5."

Mir schoss die Röte ins Gesicht. Zum einen, weil alle mich anstarrten, und zum anderen, weil ich die Hausaufgaben total vergessen hatte, wie ich feststellte, als ich hektisch in meinem Heft blätterte.

"Mary.", stieß es ihm hervor. Ich zuckte unmerkbar zusammen. Mein Name aus seinem Mund klang unfassbar gut. Verdammt, konzentrier dich.

"Hast du die Aufgabe gelöst?" Seine Augenbrauen hoben sich. Für einige Sekunden sah er mir in die Augen. Am liebsten wäre ich in Tränen ausgebrochen, so sehr schmerzte das Gefühl, von ihm angesehen zu werden, mit dem Wissen, dass er nie mehr als dein Lehrer mein würde. Sein dürfte.

Langsam schüttelte ich den Kopf. Kein einziges Wort würde ich jetzt hervorbringen können. Mein Mund wurde trocken, mein Hals kratzte.

Er nickte, neigte seinen Blick, auf das Kursheft, was er in den Händen hielt, und notierte sich etwas. Mein Tag war gelaufen.

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Als es klingelte, packten alle sofort ihre Sachen zusammen. Ich dagegen blieb regungslos sitzen. Seit dem kleinen Zwischenfall vorhin war ich wie versteinert. Nach und nach verließen alle den Klassenraum, während ich weiter Löcher in die Luft starrte.

"Ich muss los, mein Dad wartet unten.", verabschiedete sich Amy, strich mir kurz über die Schulter und hang sich ihre Tasche über die Schulter. Sie ging. Ebenso wie alle Anderen. Nun saß nur noch ich hier. Und Mr. Graham.

Vorsichtig wanderte mein Blick zum Pult. Er schien noch nicht bemerkt zu haben, dass ich noch hier war, jedenfalls schrieb er völlig ungestört irgendwelche Notizen auf. Dieser konzentrierte Blick stand ihm wirklich ausgesprochen gut, auch wenn er selbst davon vermutlich keine Ahnung hatte. Überhaupt schien er gar keine Ahnung zu haben, welche Wirkung er auf die Frauenwelt hatte.

Wie von Geisterhand geführt begann ich schließlich doch meine Sachen zu packen. Ich zögerte so gut, wie es nur ging. Jede einzelne Sekunde hier mit ihm allein wollte ich genießen, auch wenn er mich nicht einmal registrierte. Ich glaubte sogar seinen Geruch bis hier hinten riechen zu können. Womit auch immer er sich pflegte, oder einsprühte, es roch ausgesprochen gut.

Mir fiel ein Buch aus der Hand, als ich es eigentlich in meinen Rucksack stecken wollte. Der Aufprall störte so plötzlich die Stille, dass Mr. Graham mich erschrocken anstarrte. Tollpatschiger konnte ich auch gar nicht mehr sein. Wobei ich jetzt endlich seine volle Aufmerksamkeit erlangt hatte.

Sofort bückte ich mich, sammelte das Buch auf und ließ es in meinem Rucksack verschwinden, eher ich mir diesen über die Schulter schwang. Er sah mir dabei zu, wie ich verunsichert den Weg zur Tür einschlug. Gerade, als ich am Pult abgebogen war, und die Tür erreichte, hielt er mich auf.

"Mary.", hörte ich ihn schon zum zweiten Mal heute sagen, und noch immer konnte ich davon nicht genug bekommen. Ich blieb mit dem Rücken zu ihm stehen.

"Schönes Wochenende.", sagte er heiser.

Ich musste lächeln, auch wenn ich mir natürlich ganz andere Worte erhofft hatte. Trotzdem konnte ich deutlich heraushören, dass er diese Worte ernst meinte. Keiner konnte mir erzählen, dass Mr. Graham mich nicht mochte. Nein, er mochte mich sogar sehr. Das wusste ich einfach.

Ich drückte die Türklinke nach unten und öffnete die Tür.

"Ihnen auch."

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"Du bist spät dran.", tadelte mein Vater, als ich nach Hause kam. Ich schüttelte grinsend den Kopf, als ich meinen schweren Rucksack abstellte. "Zwanzig Minuten vielleicht.", konterte ich.

Ich fand meinen Vater in der Küche, am Herd stehend. Er kochte, was nicht häufig vorkam. Eigentlich war er zur Mittagszeit eher in der Praxis als Zuhause, und abends bestellten wir öfter, als wir selbst etwas zu Essen machten. Grinsend ließ ich mich an den Küchentisch sinken. Dieses Grinsen hatte meine Lippen schon erobert, als ich den Klassenraum verlassen hatte. Nur ein Satz von Mr. Graham hatte meine gesamte Laune wieder nach oben gezogen.

"Wie war die Schule?", fragte mein Vater, noch immer mit dem Rücken zu mir stehend. Ich seufzte. "Wie immer." Er lachte leise.

"Die Frage ist wohl ziemlich ausgelutscht, was?" Ich nickte, obwohl er das natürlich nicht sehen konnte. "Ein paar neue Fragen wären nicht schlecht. Du hast doch sicher genug auf Lager, oder nervst du deine Patienten auch jeden Tag mit denselben?" Deine Patienten... sofort fiel mir Mr. Graham ein. So gerne würde ich mehr über ihn wissen, meinen Vater mehr ausquetschen. Doch erstens wusste ich, dass er mir sowieso kaum was erzählen würde, und zweitens war mein Vater sicher intelligent genug um zu wissen, dass mich dieser Mann wohl ziemlich interessierte, wenn ich wieder nach ihm fragen würde. Erneut lachte er.

"Da hätte ich einige, willst du welche hören?"

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⏰ Huling update: Apr 19, 2018 ⏰

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