Teil 7

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Mary Henk

Eine langweilige Stunde war vergangen, und noch immer hörte ich Mr. Johnson zu, da seine Stimme diejenige war, die an mir am Nächsten dran war. Zwischendurch wechselte er von Gesprächspartner zu Gesprächspartner, sodass ich manchmal kaum herausfinden konnte, mit wem er eigentlich gerade sprach.

Mr. Graham schien nicht sehr gesprächig zu sein, zumindest hörte ich ihn kein einziges Wort sagen. Doch das sollte sich bald ändern, wie ich erfahren musste.

"Spielst du mit?" Mr. Johnson hatte sich plötzlich zu mir nach Hinten umgedreht und sah mich erwartungsvoll an. Ich konnte kaum glauben, dass diese Frage tatsächlich mir galt. Noch nie hatte ich auch nur ein einziges Wort mit ihm geredet, ausgenommen vom Unterricht natürlich, und nun richtete er sich das erste Mal an mich. Völlig perplex sah ich ihn an.

"Wobei?", fragte ich zögernd. Mein Gesicht glühte vor Aufregung, wie immer wenn ich unerwartet von Leuten angesprochen wurde, mit denen ich sonst nicht sprach. Er hielt einen kleinen Stapel Karten in die Höhe. "Quartett."

Ich nickte einfach, ohne groß darüber nachzudenken. Besser irgendein ödes Spiel spielen, als sich zu Tode langweilen, oder nicht?

Die Beiden anderen Jungen aus der Reihe neben Mr. Johnson spielten ebenfalls mit. Er mischte gekonnt die Karten, zählte für jeden welche ab, und drückte mir schließlich meinen eigenen Stapel in die Hand.

Nun fingen wir an uns Runde für Runde nach Karten abzufragen. Mit der Zeit blühte ich ein wenig auf, sodass ich sogar ein bisschen Spaß an dem Spiel fand, und meine Schüchternheit ein wenig loswerden konnte. Mr. Johnson war um einiges lustiger, als ich immer gedacht hatte. Um einiges netter auch. Obwohl seine Arroganz noch immer sehr zu spüren war.

Dass Mr. Graham neben ihm, und Joana neben mir saß, hatte ich schon fast vergessen, bis ich abrupt wieder daran erinnert wurde.

"Mr. Graham?", hörte ich sie auf einmal unschuldig fragen. Sofort war meine volle Aufmerksamkeit nicht mehr bei unserem Kartenspiel, sondern bei ihr. Mich interessierte brennend, was sie vor hatte. Möglichst unauffällig behielt ich meinen Blick bei unserer Spielrunde, lauschte aber ihrer Stimme.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Mr. Graham hochschreckte, und genauso überrascht schien wie ich. Nun konnte ich doch nicht anders, als Joana anzusehen, um zu sehen, was sie tat.

Langsam drehte Mr. Graham sich um, sodass er feststellen konnte, wer ihn gerufen hatte. Joana klimperte mit ihren langen Wimpern auf und ab, setzte ein verträumtes Lächeln auf und richtete ihre Frisur. Ich platzte beinahe vor Fremdscham, und ebenso vor Mitleid, als ich sah wie unwohl sich Mr. Graham plötzlich fühlte. Er schien nicht damit gerechnet zu haben, dass Joana die ganze Zeit direkt hinter ihm gesessen hatte.

Er sagte kein Wort, stattdessen sah er sie einfach nur an. Wobei er eher durch sie hindurch sah, wie mir schien.

"Wann machen wir eine Pause?", fragte sie nun mit liebevoller Stimme, als würde sie mit einem kleinen Jungen reden. Er kratzte sich kurz am Hinterkopf, dann hob er seine Hand in die Höhe, um auf seine Armbanduhr zu sehen. Dass ich die Situation genau beobachtete, schienen beide nicht zu bemerken.

"In einer halben Stunde halten wir kurz.", rief er plötzlich lautstark durch den ganzen Bus, damit es alle mitbekamen. Sofort löste er damit noch lauteres Getuschel aus, als vorher. Er schenkte ihr ein gespieltes Lächeln, wandte sich wortlos wieder nach Vorne um, und lehnte sich wieder zurück in seinen Sitz. Ich musste fast Lachen, als ich sah wie empört Joana jetzt Löcher in die Luft starrte. Endlich mal jemand, der ihr nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die sie verlangte.

Erst jetzt bemerkte ich, dass die Anderen darauf warteten, dass ich endlich meinen Spielzug absolvierte. Peinlich berührt wich ich den Blicken der Jungs aus, und fragte schließlich Mr. Johnson nach der letzten Karte, die mir für mein Gewinnen fehlte. Zufällig hatte er sogar tatsächlich genau die letzte Karte, die mir fehlte.

"Gewonnen.", sagte ich grinsend und hielt meine Karten durch die Runde. Die Jungs fluchten verärgert, wogegen Mr. Johnson lächelnd seine Hand in die Höhe hielt, um mich einschlagen zu lassen.

"Glückwunsch.", gratulierte er, und ich schlug ein.

Auf eine weitere Runde verzichteten wir, was mich fast ein wenig enttäuschte. Ich wollte schon gerade meine Musik anmachen, um die Zeit zur ersten Pause zu überbrücken, als Mr. Johnson sich wieder zu mir umdrehte, um sich mit mir zu unterhalten. Es schien so, als würde er sich sonst genauso langweilen wie ich. Ich war überrascht, ließ es mir aber nicht anmerken.

Und so redeten wir die ganze halbe Stunde bis zur Raststätte durch. Von Lieblingsfächern bis hin zum letzten Reiseziel, und ich spürte wie Joanas neidischer Blick auf mir ruhte. Dabei war es doch nicht meine Schuld, dass sich kein Lehrer mehr traute sie anzusprechen, weil die ständige Angst herrschte, sie könne dann denken man habe sich unsterblich in sie verliebt.

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Kaum war ich ausgestiegen, traf ich auf Amy, der ich sofort alles erzählte, was bis jetzt passiert war.

"Du erlebst ja richtig was da drüben.", schmollte sie. "Bei uns schläft die Hälfte und der Rest hat Kopfhörer auf." Ich lachte leise."Neben Joana zu sitzen hätte ich mir auch schlimmer vorgestellt.", verteidigte ich mich. Amy lachte ebenfalls.

"Auf der Rückfahrt müssen wir es schaffen irgendwie zusammenzusitzen." Ich nickte eifrig. "Auf jeden Fall!" Doch bis dahin war ja noch ziemlich viel Zeit.

Mit einem Mal schien Amy an mir vorbei, zu jemandem hinzusehen. Ruckartig drehte ich mich um, um ihrem Blick zu folgen.

"Da scheint aber jemand gut drauf zu sein.", flüsterte Amy plötzlich. Wir Beide beobachteten Mr. Graham, wie er sich niedergeschlagen gegen einen der Busse lehnte, und in den sternbedeckten Himmel starrte. Mr. Johnson schien sich mit ihm zu unterhalten. Ich konnte nur zu gut nachvollziehen, wie lustlos und müde er sein müsste, so laut, wie es die ganze Zeit im Bus war.

"Wahrscheinlich hat Joana ihm die Laune verdorben.", scherzte Amy und musste selbst über ihren Witz lachen. Ich dagegen lächelte bloß. Womöglich hatte Amy damit sogar Recht. "Oder Mr. Johnson erzählt schon wieder von seiner Reifenpanne letzten Sommer.", versuchte sie nochmal mich zum lachen zu bringen, was ihr diesmal gelang. Die Reifenpannen-Story hatte er mit Sicherheit schon dreißig mal erzählt, ohne es bemerkt zu haben. Und jedes Mal faszinierte die Geschichte uns so sehr wie Brokkoli. Gar nicht.

■ I might be in love ■Where stories live. Discover now