Teil 8

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Mary Henk

Die Meisten eilten mit ihren Zahnbürsten aus den beiden Bussen, um sich die Zähne putzen zu gehen und trugen gemütliche Kleidung unterm Arm, um sich umzuziehen. Der Großteil würde wohl bei der Weiterfahrt versuchen zu schlafen.

Amy und ich hingegen genossen die letzten Minuten, die wir hatten, bevor wir wieder in getrennte Busse steigen mussten. Wir saßen im Dunkeln auf einer Bank, etwas abseits vom Geschehen und plauderten über alles mögliche. Gerade als wir uns richtig schön in ein Thema verquatscht hatten, stieß Ms. Bomer zu uns.

"Warum sitzt ihr hier noch rum? Wir fahren weiter!", rief sie streng. Erschrocken unterbrachen wir unser Gespräch und sahen zu ihr auf.

Ihre grauen, kurzen Haare, hatte sie hinter beide Ohren geschoben, ihre gestreifte Bluse in ihren weiten, bodenlangen Rock gesteckt und ihre Brille an einem Band um den Hals hängen. Wie eine klassische Hexe von Lehrerin sah sie aus, und genau das traf auch auf sie zu.

Eingeschüchtert standen wir auf und liefen mit gesenkten Köpfen an ihr vorbei. Die Letzten stiegen gerade in die Busse, als wir dazu stießen. Nun waren es nur noch Mr. Graham und Ms. Bomer, die sich noch nicht im Bus befanden. Mr. Graham stand vor der offenen Tür meines Busses, Ms. Bomer vor der Amy's Busses.

"Bis später.", murmelte Amy schnell, bevor sich unsere Wege trennten. Ich sah ihr noch zu, wie sie gefolgt von Ms. Bomer in den Bus stieg. Dann schob ich mich an Mr. Graham vorbei, der mich erst bemerkt hatte, als ich schon im Bus verschwunden war, und mir schließlich auch folgte.

Ich ließ mich sofort auf meinen Platz fallen. Mr. Johnson ließ Mr. Graham wieder auf seinen Fensterplatz rutschen und die Bustüren schlossen sich. Die Fahrt ging weiter.

Ganz anders als zuvor, war es nun ziemlich still geworden. Die Ersten waren eingeschlafen, andere versuchten es und der Rest beschäftigte sich mit Musikhören oder leisem Geflüster. Sogar Joana hatte ihren Kopf an die Fensterscheibe gelehnt und schien eingeschlummert zu sein. Und ausgerechnet jetzt verspürte ich nicht den geringsten Funken von Müdigkeit. Praktisch.

Ich ließ meinen Blick durch den Bus schweifen. Niemand war zu sehen, mit dem ich mich hätte beschäftigen können. Genau die paar Leute, die ich ein wenig kannte schliefen entweder, oder saßen am anderen Ende des Ganges. Mr. Graham und Mr. Johnson wechselten hin und wieder ein paar Worte, um was es ging verstand ich nicht. Gequält von Langerweile starrte ich aus dem Fenster, wo nichts weiter zu sehen war, als Dunkelheit. Trotzdem das Einzige, was als Beschäftigung in Frage kam, denn mein Handy hatte ich irgendwo im Rucksack vergraben und schonte den wenigen Akku, der noch übrig war.

Irgendwann dämmerte dann auch ich in einen leichten Schlaf.

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Mr. Graham

"William?", riss mich eine verschlafene Stimme aus meinem viel zu leichten Schlaf.

Blinzelnd und verwirrt sah ich mich um. Ich war vollkommen orientierungslos, vor allem da plötzlich schon erste Sonnenstrahlen in den Bus schienen. Eine Weile hatte ich also wohl doch geschlafen.

Ich sah nun zu meiner rechten Seite, wo Dean seinen Platz hatte und wurde sofort von seinen müden Augen konfrontiert.

"Machst du die Aufsicht?", fragte er niedergeschlagen. Er sah nicht so aus, als hätte er ein paar Minuten Schlaf bekommen. Noch immer musste ich mich erstmal sammeln, bevor ich überhaupt reagieren konnte. Denn im Moment hatte ich weder eine Ahnung wie spät es war, noch an welchem Ort wir gerade hielten.

Dean hörte nicht auf mich mit gehobenen Augenbrauen anzusehen, weshalb ich einfach nickte. "Von mir aus." Sofort lächelte er zufrieden und klappte seine Augenlider wieder nach unten. Vermutlich war es nur fair, wenn ich die Aufsicht machte.

Umständlich kletterte ich über ihn rüber, zupfte meine Jeans zurecht, da sie mir viel zu weit nach oben gerutscht war und ließ meinen Blick durch den langen Gang schweifen.

Gerade mal zehn Schüler saßen noch auf ihren Plätzen, sie alle schliefen. Der Rest war bereits nach draußen an die frische Luft geflohen.

Gähnend stieg ich die drei Stufen der vorderen Tür hinab. Sämtliche Schüler waren über die komplette Raststätte verteilt. Einige saßen bei einem kleinen Bäcker und aßen, andere schossen Selfies und wieder andere standen an der viel zu langen Toilettenschlange.

Ich brauchte nur ein paar Schritte zu gehen, bis ich vor einem Ortsschild stand, auf dem in weißen Buchstaben München stand. Dass wir in München waren, war nun kaum noch zu übersehen, als ich die vielen Berge und die dichten Wolken sah, durch die man beinahe hätte hindurch gehen können. Zumindest war mir so bewusst, dass wir in Bayern waren.

Fasziniert bestaunte ich gerade die Umgebung, als meine Einsamkeit gestört wurde.

"Ich dachte schon Sie würden die Aufsicht verschlafen.", hörte ich Ms. Bomer im viel zu arroganten Ton sagen. Sofort drehte ich mich zu ihr um. Noch immer hatte sie mir nicht das Du angeboten, und wahrscheinlich würde sie es auch nie. Alles was Lucas über sie erzählt hatte, hatte sich bewahrheitet und ich hasste diese Frau jetzt schon.

Ich lächelte verkrampft. "Natürlich nicht.", gab ich höflich von mir. Sie war die Einzige, bei der ich mich einfach zwingen musste, ihr in die Augen zu sehen. Andernfalls würde sie mich womöglich vor allen Schülern zusammenbrüllen und mich zum Thema Höflichkeit belehren wollen. Das konnte ich mir wirklich sparen.

Hochnäsig musterte sie mich nun von oben bis unten, als würde ich aussehen wie ein ranziger Obdachloser. Zugegeben, meine Jeans mochte vielleicht ziemlich verwaschen aussehen und auch meine Schuhe waren schon ziemlich abgetragen, aber deswegen verdiente ich sicher nicht solche angewiderten Blicke einer alten Dame, die selbst keine bessere Kleidung trug.

"Mr. Johnson schläft nehme ich an?", fragte sie, nachdem sie endlich aufgehört hatte mein Outfit zu bewerten. Sie fragte so, als würde sie die Antwort sowieso schon kennen. Und so, als wäre es typisch für Dean, dass er jetzt gerade schlief.

Ich ließ mir nicht anmerken, wie sehr mich diese Frage störte und gab ihr einfach die Antwort, die sie hören wollte.

"Das tut er. Allerdings hat er den Schlaf auch dringend nötig.", verteidigte ich ihn, auch wenn ich ihn noch immer nicht so ganz leiden konnte. Mehr als Ms. Bomer mochte ich ihn jedenfalls allemal.

Sie nickte schnippisch. "Soso."

Ich schluckte meine aufkommende Wut hinunter und sah mich hilfesuchend nach einer Ausrede um, um das Gespräch mit ihr endlich beenden zu können. Und ich fand sie sofort.

"Ich schätze mein Typ wird verlangt.", vertröstete ich sie schnell, und ließ sie stehen, eher sie was entgegnen konnte. Geradewegs ging ich auf eine Gruppe von Schülern zu, die gerade aufgeregt nach jemandem suchten, der ein Gruppenfoto von ihnen machte. Freundlich erklärte ich mich dazu bereit, da ich genau wusste, dass Ms. Bomer mich noch immer fest im Blick hatte. Ich grinste provokant.

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