Teil 17

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Als auch die Letzten unserer Gruppe an der Bergspitze angekommen waren, trommelte Ms. Bomer alle zusammen, um ein riesiges Gruppenfoto zu schießen.

Mit wenig Begeisterung gesellte ich mich zu Amy, die dabei war ihre Frisur zu richten, um für das Foto gut auszusehen. Ms. Bomer hatte sich bereits mit der Kamera positioniert und forderte uns alle zu einem breiten Grinsen auf. Widerwillig gab ich mich dem kleinen Fotoshooting hin, lächelte krampfhaft und legte meinen Arm um Amy's Hüfte. Ich hasste Fotos, und noch mehr hasste ich das gespielte Lächeln, was man dabei ständig aufsetzen musste.

Wir verteilten uns wieder auf der kleinen Rasenfläche und erholten uns den Rest der Pause, eher wir dann den Weg zurück einschlagen mussten. Ich zog mein Handy aus meiner Tasche, um die Uhrzeit zu prüfen, als ich feststellte, dass mein Vater mir heute Morgen geschrieben hatte. Ich hatte total vergessen ihm zu schreiben, als wir gestern angekommen waren.

Lebst du noch?, schrieb er. Ich musste grinsen. Er und seine Sorgen... Ich öffnete meine Kamera, um ein Foto zu schießen. Als Lebensbeweis. Irgendwelche Leute waren auf dem Foto zu sehen, wer genau war mir egal. Ich schickte das Foto sofort an ihn weiter, auch wenn ich wusste, dass ich erst im Hotel wieder Internet haben würde.

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Inzwischen war es stockdunkel draußen. Der Rückweg war eine Qual, umso erleichterter waren wir, als wir es pünktlich zum Abendessen zurück geschafft hatten. Nun saßen wir alle zusammen draußen am Lagerfeuer, welches Mr. Johnson und Mr. Graham irgendwie gezaubert hatten, hielten Stockbrote in der Hand und ließen gemütlich den Abend ausklingen.

Nebenbei spielte Mr. Johnson ein paar Lieder auf seiner mitgebrachten Gitarre, die sogar die Mehrheit von uns, wenn auch nicht ganz fehlerfrei, mitsangen. Wir hatten ihn irgendwann mal dazu aufgefordert uns beweisen zu müssen, dass er Gitarre spielen konnte, und das tat er jetzt. Überraschenderweise hatte er nicht zu viel mit seinem Talent geprahlt, es klang tatsächlich sehr schön, ebenso wie sein Gesang, der allerdings noch etwas schüchtern wirkte.

Emma und Amy saßen neben mir und zitterten ein wenig vor Kälte. Von der unglaublichen Hitze war keine Spur mehr. Auch ich fror allmählich, weshalb ich mich nach kurzem überlegen dazu entschloss, eine Jacke zu holen.

"Ich geh mir was zum überziehen holen. Kommt einer mit?", fragte ich, als ich bereits aufgestanden war. Emma hob ihre Hand und stand auf. "Ich komm' mit." Mein Blick fiel erwartungsvoll auf Amy, die sitzen geblieben war. "Geht nur, ich bleib' hier." Ich zuckte mit den Schultern, lächelte ihr zu und stapfte mit Emma los, zurück zum Gebäude. Man konnte die Hand vor Augen nicht sehen, weshalb sie mit ihrem Handy den Weg leuchtete.

Sofort stiegen wir die Stufen rauf. Ich sah mich währenddessen neugierig um, um möglicherweise Sean zu entdecken. Er schwirrte schon die ganze Zeit in meinem Kopf herum. Im Flur war er nirgendwo zu sehen, also folgte ich Emma ein wenig enttäuscht in unser Zimmer. Wir schnappten uns beide eine Jacke, bevor wir sofort wieder den Raum verließen.

Etwas trödelnd stieg ich die Stufen nach unten, hoffend, Sean würde doch noch irgendwo zu sehen sein. Auch wenn das Lagerfeuer draußen noch so schön war, hätte ich lieber hier drin mit ihm gesessen.

Emma war schon unten und drehte sich suchend nach mir um. "Kommst du?", rief sie mir ungeduldig entgegen. "Ich komme gleich nach.", rief ich zurück. Gott sei Dank war sie keine Person, die viele Fragen stellte. Stattdessen zuckte sie gleichgültig mit den Achseln und ließ mich auf der Treppe zurück.

Ich lächelte erleichtert. Amy hätte mich sicher nicht so leicht davonkommenlassen.

Ein letztes Mal sah ich mich um, bevor ich die Treppe hinter mir ließ. Hier war er zumindest nicht zu sehen.

Langsam erkundete ich unten die Umgebung weiter. Ich hatte zwar keine Ahnung, was ich erwidern sollte, sollte ich ihn jetzt antreffen, doch das war momentan sowieso nur Nebensache. Ich wollte ihn einfach sehen.

Ich betrat die Eingangshalle und blieb abrupt stehen. Hinter der Rezeption stand er, lächelte und unterhielt sich mit einer jungen Frau, die ganz angeregt zuhörte, als er sprach. Mein Herz raste. Ich kam mir plötzlich unglaublich dämlich vor, ihn aufgesucht zu haben. Ich kannte ihn überhaupt nicht und hatte keine Ahnung, wer genau er eigentlich war. Die Worte von Mr. Johnson gingen mir durch den Kopf und auf einmal musste ich feststellen, dass er sowas von recht hatte. Ich hatte Sean viel zu schnell vertraut, was ich jetzt wie einen Schlag ins Gesicht zu spüren bekam. Er lehnte sich vor und küsste sie lächelnd über den Tresen hinweg, was sie sofort erwiderte. Meine Knie zitterten, mir wurde übel. Tränen stiegen mir in die Augen. Wie konnte ich nur so blöd sein und gedacht haben Sean würde an sowas wie einer Beziehung mit mir interessiert sein? Wieso war ich nicht auf die Idee gekommen zu fragen, ob er vergeben war?

Die erste Träne rollte mir die Wange entlang. Noch immer hatte keiner der Beiden mich entdeckt, zu meinem Glück. Richtig peinlich würde es jetzt werden, würde er mich hier weinend stehen sehen.

Ich stolperte ein paar Schritte zurück, kehrte den Beiden meinen Rücken zu und verließ hastig die Eingangshalle, eher ich anfing zu schluchzen. In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mich Zuhause in meinem Zimmer zu vergraben. Ich war so verdammt naiv.

Immer wieder wischte ich mir Tränen aus dem Gesicht, als ich zurück zur Treppe stolperte und mich letztendlich kraftlos auf die Stufen sinken ließ. Genau in diesem Moment vibrierte mein Handy in meiner Hosentasche. Verdutzt zog ich es hervor. Mein Vater hatte geantwortet.

Sofort stoppte mein Tränenfluss.

Ist das etwa William auf dem Foto?

William? Verwirrt öffnete ich das Foto, was ich meinem Vater vorhin geschickt hatte. Ein paar Jungs aus meiner Klasse waren im Hintergrund zu sehen. Ansonsten nur irgendwelche Wanderer. Mein Blick erkundete das Foto weiter. Und Mr. Graham. Meine Stirn legte sich automatisch in Falten. Wer zur Hölle ist William?

Ohne groß nachzudenken wählte ich seine Nummer und rief ihn an. Meine Neugier war kaum auszuhalten. Warum erkannte mein Vater irgendeinen Typen auf meinem spontanen Bergfoto wieder?

Hey Mary!, meldete er sich überrascht. Schön, dass du dich meldest.

Ich lächelte schwach. Ging nicht früher, tut mir leid. Entschuldigte ich mich flüchtig.

Was hat denn deine Nachricht zu bedeuten? Wer ist William? Platzte es aus mir heraus, noch bevor er weitere Fragen stellen konnte. Ich konnte mich nicht zurückhalten, ich musste es wissen.

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