Teil 10

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"Wow.", murmelte Lisa, als sie als Letzte das Zimmer betrat.

Zwei Etagenbetten, zwei Kleiderschränke, ein Schreibtisch und eine Tür zum kleinen Badezimmer. Mehr bot das Zimmer nicht, doch mehr brauchte man auch nicht.

Ich lief sofort zum großen Fenster, gegenüber der Tür. Es bot eine wundervolle Aussicht auf den knallblauen Himmel, die hohen Berge und die schneeweißen Wolken. Auch das ganze Gelände konnte man von hier aus perfekt sehen. Trampoline, Schaukeln, Fuß- und Volleyballfelder, Tischtennisplatten. Und was das Beste war - einen Pool. "Seht mal!", rief ich grinsend. Sofort standen die vier Mädchen um mich herum und staunten begeistert. "Mr. Johnson hat nicht zu viel versprochen.", stellte Amy fest. Wir stimmten ihr zu.

"Lasst uns runter zum Essen gehen.", schlug Emma kurze Zeit später vor. Etwas, worauf wir uns alle seit Stunden freuten. Das Essen.

Als wir nach unten gingen und den Speisesaal aufsuchten, waren wir die Letzten, die eintrafen. Wir hatten die Zeit wohl etwas aus den Augen verloren.

Die ersten Jungen hatten schon ihre Jeans' mit Badehosen ausgetauscht und bereits ein Handtuch über der Schulter hängen. Typisch, sowas wie Geduld kannten die überhaupt nicht.

Wir standen noch immer unschlüssig im Saal, da alle guten Plätze schon belegt schienen, und sahen uns um. "Bei den Lehrern ist noch was frei.", bemerkte Maja. Wir seufzten. Das erste Mittagessen am Tisch der Lehrer, sowas war mal wieder typisch für unsere kleine Truppe.

Nicht gerade mit bestem Gefühl trotteten wir auf den noch ziemlich freien Tisch zu. Mr. Graham und Mr. Johnson hatten sich schon zum Buffet aufgemacht, während Ms. Bomer noch am Tisch saß und uns sofort bemerkte.

"Soso, haben die Damen keinen Platz mehr gefunden?", neckte sie uns. Wir lächelten gequält. "Wir wollten so gerne bei Ihnen sitzen.", scherzte Lisa. Ms. Bomer huschte ein Lächeln übers Gesicht, etwas was man bei ihr fast nie zu sehen bekam. "Na dann, setzt euch." Das taten wir.

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"Und, wie gefällt's euch hier?", fragte Mr. Johnson, nachdem er seinen vollen Mund geleert hatte. Sein Teller war mindestens doppelt so voll geschaufelt, als der von Mr. Graham.

Ich schwieg, da ich wusste Amy würde sofort für uns alle antworten, wie sie es immer tat.

"Sehr gut!", schleimte sie und zauberte sich ein breites Lächeln auf die Lippen. Mr. Johnson lächelte zufrieden. Ms. Bomer ließ permanent ihre strengen Augen durch die Runde wandern und Mr. Graham war vertieft in sein Essen und schwieg.

"Was machen wir heute noch?", fragte Maja plötzlich, als es wieder unangenehm still an unserem Tisch geworden war. Mr. Johnson wechselte einen kurzen Blick mit seinen beiden Kollegen, dann zuckte er mit den Schultern. "Geplant haben wir nichts mehr für heute." Maja und Lisa schienen ziemlich erleichtert. Die Beiden wollten schon seit unserer Ankunft endlich ins Bett fallen und schlafen.

Amy grinste mich an, und ich wusste sofort was das zu bedeuten hatte. In ihren Gedanken sah sie uns bestimmt schon mit irgendwelchen Österreichern am Pool sitzen. Ich unterdrückte ein Seufzen. Es würde sowieso enden wie immer. Amy würde sich stundenlang mit einem Typen unterhalten und ich müsste daneben sitzen und mir alles anhören. Nicht gerade was, was ich mir unter einem schönen Nachmittag vorstellte.

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Nach dem Essen überredete Amy mich tatsächlich im Pool schwimmen zu gehen. Emma wollte mitkommen, also zogen wir zu dritt los. Im Gegensatz zu den Anderen trug ich einen Badeanzug statt einem Bikini, und hatte mein Handtuch wie einen Umhang um mich gelegt. Es lag nicht unbedingt an meiner Figur, dass ich keinen Bikini trug, viel mehr hasste ich es einfach, mich zu präsentieren. Dafür fehlte mir einfach das Selbstbewusstsein.

Amy und Emma hingegen stolzierten in ihren knappen Bikinis Richtung Pool, als wären sie bei Germanys next Topmodel. Kein Wunder, dass alle Jungs sich sofort nach ihnen umsahen.

Wir kamen am Pool an, fanden drei freie Liegen nebeneinander und legten unsere Sachen ab. Außer ein paar Klassenkameraden von uns und ein paar aus der anderen Klasse war keiner hier. Keine heißen Österreicher für Amy also, dachte ich belustigt.

Amy sprang sofort ins kalte Wasser, tauchte unter und schrie auf. "Das Wasser ist eisig!", kreischte sie. Ich setzte mich auf meine Liege und grinste. "Was hast du denn erwartet?" Sie hielt mir ihren Mittelfinger entgegen. Ich lachte schadenfroh.

"Kommst du nicht mit rein?", fragte Emma plötzlich. Sie hatte sich vor mich gestellt und sah zu mir herab. Ich lehnte kopfschüttelnd ab. "Gleich vielleicht. Die Sonne ist so schön warm.", versuchte ich mich zu rechtfertigen. Die Sonne war zwar ziemlich warm, doch in Wirklichkeit wollte ich einfach nicht vor allen Anwesenden ins Wasser springen. Wir drei waren immerhin die einzigen Mädchen hier und somit total im Mittelpunkt der Jungen. Und Mr. Graham, wie ich plötzlich feststellte. Er stand unschlüssig am Zaun, welcher den Pool eingrenzte, hatte ein Buch unterm Arm und ließ seinen Blick durch den Poolbereich gleiten. Es schien so, als müsste er die Poolaufsicht übernehmen.

Als sein Blick kurz an mir haften blieb, hörte ich sofort auf ihn anzusehen, drehte mein Gesicht von ihm weg und schloss meine Augen. Er musste schließlich nicht wissen, dass ich ständig alles und jeden beobachtete, weil ich sonst einfach nichts interessanteres zu tun hatte.

Nur einige Sekunden lag ich so mit geschlossenen Augen da und genoss die intensiven Sonnenstrahlen auf meiner Haut, denn auf einmal spürte ich einen Schatten auf mir.

"Ist die Liege hier frei?" Ich öffnete blitzschnell meine Augen, um der fremden Stimme nachzugehen. Vor mir stand der junge Mann, den wir vorhin schon an der Rezeption gesehen hatten. Er trug nichts weiter als eine rote Badehose, die seinem muskulösen Körper sehr gut stand. Über die Schultern hatte er ein weißes Handtuch gelegt, dessen Enden er jeweils mit seiner rechten und seiner linken Hand festhielt. Seine dunkelblauen Augen strahlten regelrecht.

Ein wenig benommen nickte ich schließlich, nahm Emma's Handtuch von der Liege neben mir und legte es zu meinen Füßen. Der Mann lächelte freundlich und ließ sich sofort neben mir nieder. Verunsichert sah ich mich um und stellte fest, dass noch einige Liegen frei waren. Wieso hatte er also genau die gewählt, die neben meiner, und eigentlich besetzt war?

Ich entdeckte Mr. Graham, der inzwischen schräg gegenüber von mir am Beckenrand saß, die Beine ins Wasser baumeln ließ und nun skeptisch zu mir rüber sah. Er schien das Ganze ebenfalls merkwürdig zu finden.

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