6. Sechs

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Grayson

Das Vertrauen der Prinzessin zu gewinnen war genauso leicht wie ich es mir davor ausmalte. Viel schwerer wird es aber, wenn ich in ihre hübschen grauen Augen blicken müsste, nachdem ich dieses Vertrauen mit Füßen treten werde. Da ich ihr gebrochenes Prinzessinnen Herzchen sowieso nichtmehr miterleben würde, schob ich den Gedanken schnell beiseite.

Sie war von Anfang an nur ein Mittel zum Zweck, eine Informationsquelle. Sie tat mir kein bisschen leid, immerhin gehörte ihr bald das ganze Land. Da würde sie noch tausende Bodyguards haben.

Wenigstens war der gestrige Abend nicht völlig unnötig für mich. Mithilfe einer Flasche Wein und ein bisschen Vanilleeis, plapperte sie wie ein Wasserfall, besonders über ihren Bruder. Irgendwie genoss ich es, dass mir jemand so sehr vertraute, immerhin war es eine seltene Geste, die mir jemand entgegenbrachte.

Jetzt irrte ich, wahrscheinlich schon das tausendste Mal, durch die Gänge des Palasts und suchte nach der Schneiderin der Prinzessin, da sie ja unbedingt ein passendes Kleid für den Ball, auf den sie mit ihren Prinz Charming gehen würdw, brauchte.

Irgendwie überraschte es mich kein bisschen, dass sie sich weiter mit ihm traf. Sie lebte in ihrer eigenen, kleinen, hoffnungslos romantischen Welt, und dachte weiterhin, dass es nur ein Ausrutscher von Matthew war.
Immerhin war er ja sonst auch immer so perfekt.

So in meinen Gedanken versunken, überhörte ich fast ein Paar flüsternde Stimmen zwischen den hallenden Gängen. Meine Beine stoppten abrupt als ich um die Ecke bog, und ein Szenario erblickte, dass nicht für meine Augen vorgesehen war.

Die kräftigen Hände des Königs erkundeten wie in Zeitlupe den Körper eines zierlichen Mädchens, welches mir bis jetzt noch unbekannt war. Da ich kaum verstand was die beiden beredeten, lauschte ich aufmerksam und versuchte meine Konzentration zu erhöhen.

„Miss Silveira. Ich…bräuchte Sie dringend auf meinem Zimmer zu einer Anprobe“, hauchte der König heiser.
Das Mädchen war sichtlich unwohl, sie presste ihre Arme gegen Ronans Brust, aber der König war sowieso stärker, das wusste sogar ich.

„Eure Hoheit, Sie…Sie wissen, dass ich für Ihre Schwester zuständig bin.“
Sie drehte angewidert den Kopf aus seinem Blickfeld. Dann hatte ich wohl die Person gefunden, die ich brauchte.

„Ich bin nichtmehr zufrieden mit der Arbeit meines Schneiders und…meine Schwester schwärmt am Abendtisch immer so über Sie“, antwortete er und man konnte ungemein die Dominanz in seiner Stimme hören. „Und ich weiß genau wie gut Sie auf meinen Körper reagieren, Miss Silveira.“
Er legte einen Zeigefinger unter ihr Kinn. Sie versuchte sich verzweifelt aus seinen Klammern zu entfernen, jedoch erreichte sie dadurch nur das Gegenteil.

„Es würde viel einfacher funktionieren, wenn Sie sich einfach nicht wehren“, zischte der König bissig und verstärkte den Griff um das Kinn des Mädchens. Sie war kaum älter als die Prinzessin. Und da ich insgeheim wusste, was als nächstes passieren würde, konnte ich nicht anders als einzugreifen.

„Ich bitte um Entschuldigung, Eure Hoheit“, räusperte ich mich und Ronan entfernte sich schnell von seinem Opfer, das hinter ihm schon fast drohte in sich zusammen zu sacken.

„Was wollen Sie, Grayson?“, presste der König zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, und sah dabei aus als wollte er mich in der Luft zerfetzen.

„Ihre Schwester hat mich geschickt. Sie bräuchte die Hilfe ihrer Schneiderin.“
Ronan richtete sich verärgert seinen Anzug, glättete die Falten, ging in meine Richtung.
„Gut. Sie gehört ihnen. Noch zumindest.“ Danach stolzierte er mit erhobenem Haupt davon und ließ mich mit dem Mädchen alleine
Einige Sekunden war nur der unregelmäßige Atem meines Gegenübers zu hören. „Können Sie mich zur Prinzessin bringen?“, fragte sie mit zitternder Stimme und atmete einmal kräftig durch.

„Alles okay?“ Erst bei näherem Beobachten, merkte ich, wie attraktiv sie eigentlich war. Dunkelbraune Locken umrandeten ihr Gesicht, und ihre dunkle Haut war makellos. Nur ein paar Sommersprossen spielten sich um ihre Nase.

„Ja, schon okay. Bringen Sie mich einfach zur Prinzessin“, murmelte sie leise und sammelte hektisch ihre Zettel und Notizbücher vom Boden auf um ihr Gesicht vor mir zu verstecken. Als sie versuchte aufzustehen und scheiterte, griff ich vorsichtig nach ihrer Hand und zog sie auf. Ihre Haut fühlte sich warm an, viel zu warm. Sie starrte einige Minuten an meine Hand, zog sie dann blitzschnell weg und umklammerte ihre Notizbücher.
Ich hatte Angst sie würde gleich wieder zusammenbrechen, so zierlich war sie.

Sie wirkte wahrscheinlich so intensiv auf mich, da sie das völlige Gegenteil zu Kaia war. Ihr Blick durchbohrte mich bis aufs Knochenmark und schrie förmlich nach mir.

„Sie sind Grayson, oder?“, erweckte sie mich aus meiner Trance.

„Und Sie sind…?“ Aus irgendeinem Grund war ich nichtmehr so schlagfertig und erwischte mich wieder dabei, wie ich sie näher unter die Lupe nahm. Bevor ich wieder drohte in der Schwärmerei über ihre Lippen zu versinken, antwortete sie, noch immer so angespannt wie davor.

„Liliana aber…Sie können mich ruhig Lili nennen.“

Und ohne auch nur einen Moment zu überlegen musste ich mit einem Grinsen ihre Antwort erwidern.

„Liliana find ich ehrlichgesagt viel schöner.“


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written by artisticwinchestxr

Riesige dankeschön für jeden einzelnen Vote, jeden einzelnen Kommentar und jeder der diese Buch mitverfolgt. Die Geschichte dieses Buches ist auf eine bestimmte Weise ziemlich wichtig für uns xd
Also Danke

Meinungen zum Kapitel?

Was sagt ihr zu Grayson und Liliana? ^^

Kritik und andere Anmerkungen sind immer erwünscht!

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