21. Einundzwanzig

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Kaia

"Kaia? Hörst du mir zu?"

"Was?", fragte ich leise und hob langsam meinen Kopf an. Ich sah direkt in Lilianas Gesicht, das mich konzentriert musterte, nur um kurz darauf einen überstehenden Faden von meinem Kleid zu entfernen.

"Ich habe gefragt, ob Prinz Matthew und du euer Outfit auf einander abgestimmt habt."
Ihre Stimme war so ruhig, dass es mir fast schwer fiel ihr lange genug Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich stand nun bereits seit fast 30 Minuten einfach nur still da, um Liliana möglichst wenig bei ihrer Arbeit zu stören. Die Tatsache, dass ich in den letzten paar Nächten fast kein Auge zugemacht hatte und daher meistens einfach tagsüber in der Bibliothek oder an meinem Schreibtisch einschlief, half mir keineswegs dabei nicht jeden Moment die Augen zu schließen und von dem wenige Zentimeter hohen Podest zu fallen auf dem ich mich befand.

Je näher der Ball kam, desto mehr sträubte ich mich dagegen. Inzwischen hatte ich mich zwar daran gewöhnt Matthew mehrmals in der Woche über den Weg zu laufen; den schmerzenden Schauer zu ignorieren, der jedes Mal beinahe meine Mahlzeiten wieder hochkommen ließ, sobald sich unsere Blicke trafen, trotzdem verfolgten mich die Erinnerungen an ihn und unsere gemeinsamen Erlebnisse in meinen Träumen. Und es hörte einfach nicht auf.
Weswegen ich auch versuchte diese Vorstellungen irgendwie zu vermeiden, jedoch war es eher unwahrscheinlich, dass ich es jemals schaffte zu kontrollieren worum es in meinen Träumen ging.
Was ich allerdings kontrollieren konnte, war mein Schlaf allgemein.
Inzwischen konnte ich mich an manchen Tagen nicht mal mehr daran erinnern, ob ich bereits meine Augen ausgeruht hatte oder nicht.
Ich wusste, dass es nicht ewig so weitergehen konnte.
Doch das musste es.
Zumindest solange, bis ich es endlich schaffen würde meine Ängste zu vergessen.

"Du tust es schon wieder", beschwerte sich Liliana mit einem belustigten Schmunzeln auf den Lippen und war gerade dabei jeden einzelnen Glitzerstein, der sich an dem edlen Stoff befand, noch ein Mal unter die Lupe zu nehmen.
"Dein Körper ist zwar hier, aber dein Kopf befindet sich irgendwo anders."

"Tut mir Leid", seufzte ich übermüdet und strich mit meinen Handrücken mehrmals über meine Augenlider, um mich wenigstens noch für die nächsten paar Minuten wach zu halten.

"Du bist eine Prinzessin. Du solltest dich nicht entschuldigen."

"Das ist vollkommener Unsinn."

"Das interessiert doch hier keinen, oder?"
Die hellen Augen von Liliana sahen zu mir auf und Mal wieder bewiesen wir uns gegenseitig, was für einen nicht nachvollziehbaren Lebensstil wir beide hier tagtäglich miterlebten.

"Wo befinden sich deine Gedanken überhaupt?", fragte sie noch bevor ich an unser eigentliches Thema anschließen konnte.
"Etwa bei einem jungen Mann?"

Etwas in mir schien auf einmal zersprungen zu sein und ich konnte förmlich spüren wie unzählige Erinnerungen an Liliana und Grayson als verträumtes Liebespaar meinen Körper durchrauschten und direkt wieder in meinem Kopf landeten.
Meine Schneiderin wusste auch schon ohne dass ich ihr davon erzählte, dass mir Matthew mehr als nur unsympathisch war. Das war auch der Grund, weshalb sie es sonderlich interessant fand, wie verträumt ich manchmal vor mich hinstarrte.

Aber ich konnte ihr nichts von Grayson erzählen. So sehr ich mich auch danach sehnte meine Gedanken endlich mit jemandem teilen zu können, der mich sicherlich nicht dafür verurteilte, durfte Liliana nichts davon erfahren, dass der selbe Mann wohl unsere beiden Herzen gestohlen hatte.

"Um ehrlich zu sein, ja", sagte ich und bekam als Reaktion nur ein zufriedenes Lächeln.

"Erzähl mir mehr", forderte sie sanft und teilte nun ihre Aufmerksamkeit mit dem zauberhaften Kleid das ich trug und den Worten die jeden Moment aus mir heraugeflogen kamen.

"Es ist nur eine Schwärmerei, die ich schnellstmöglich wieder vergessen sollte. Er arbeitet für meinen Bruder und mich. Schon deswegen wäre es quasi zum Scheitern verurteilt."
Ich zuckte nur leicht mit den Schultern, in der Annahme, dass diese Konversation damit beendet sei. Doch Liliana ließ ihren Blick noch ein letztes Mal über meinen Aufzug wandern und reichte mir dann ihre zarten Hände, um mir dabei zu helfen vom Podest zu steigen.

"Wenn er dir wirklich was bedeutet, dann werdet ihr zueinander finden, Kaia. Kenne ich ihn denn?"

"Das bezweifle ich", antwortete ich schnell und versuchte sofort weiteren Fragen, die zu Grayson leiteten, aus dem Weg zu gehen.
Es wunderte mich, dass sie schon allein bei diesen Andeutungen keinen Verdacht schöpfte.
Doch genau das machte mich so unpassend nervös.
"Aber ja. Ich denke, er bedeutet mir wirklich viel. Mehr als gut für mich ist. Um ehrlich zu sein ... kann ich manchmal nicht aufhören an ihn zu denken. An manchen Tagen will ich gar nicht damit aufhören ihm hinterher zu starren. Doch dann erinnere ich mich wieder daran, welches Leben mir vorgeschrieben wird und dass da so jemand einfach nicht hinein gehört."

"So jemand? Wen meinst du damit? Jemand, den du wirklich liebst ... Jemand, der dir nicht von deinem Bruder aufgezwungen wird ... Jemand, mit dem du dir ein glückliches Leben vorstellen kannst?"

Solche Worte von Liliana zu hören erleichterte mich unglaublich und ich musste zugeben, dass bei dem Gedanken, welch unschöne Zukunft mir eigentlich bevorstand, ich wohl am liebsten losgeheult hätte.
Ich wollte nicht einfach alles auf mich zukommen lassen müssen. Doch die grausame Wahrheit war, dass ich nicht darüber zu entscheiden hatte. Sondern Ronan. Und der hatte bereits seine Entscheidung getroffen.
Lilianas Hand wanderte tröstend über meinen Rücken, als mein Körper vor Erschöpfung einfach nur noch auf die Bettkante sackte.

"Es könnte so wunderbar mit ihm sein", wisperte ich und starrte nur an den hellgrauen Teppich auf dem Boden, wobei Liliana einfach neben mir saß und mir zuhörte.
"Ich dachte immer ich hätte alles; dass ich glücklich wäre. Doch je näher die Zukunft kommt, desto weniger will ich sie, wenn ich weiterhin keinerlei Einfluss darauf haben werde."

"Ich kann nur versuchen mir vorzustellen wie du dich fühlst, Kaia. Aber du musst einfach versuchen mir zu vertrauen, wenn ich dir sage, dass die Liebe so viel stärker ist als jedes Gesetz, dass in dieser ganzen königlichen Verordnung geschrieben steht."

Ein pochender Schmerz fing an sich in meiner Brust auszubreiten und ich konnte fühlen, dass meine Seele in diesem Moment nicht nur aus Angst, Verzeiflung und Ehrfurcht bestand. Sondern auch ein winzig kleiner Teil von mir sorgte dafür, dass genug Platz übrig war für dieses gewisse Gefühl, das Grayson Tag für Tag in mir auslöste. Und wenn es so weiter ging wie bisher, würde es sicherlich auch nicht weniger werden.

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written by me (writingxines)

Endlich kann sich Kaia jemandem öffnen...naja so halb zumindest xd
Ausserdem steht sie endlich zu ihren feeeelings

Vermutungen für die nächsten Kapitel?

Was wird wohl zwischen Matthew und Kaia am Frühlingsball passieren?

Was denkt ihr über Kaias Gefühle zu Grayson?
Und wie könnten sie es schaffen doch ein Paar zu werden, obwohl Kaia laut ihrem Bruder nur einen Adeligen heiraten darf?

Meinungen zum Buch?

Kritik und andere Anmerkungen sind immer erwünscht!

Danke, dass du dir Zeit für unser Buch genommen hast

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