24. Vierundzwanzig

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Grayson

Mir war bewusst, dass sie wunderschön aussehen würde, jedoch dachte ich keinesfalls, dass es mir so schwerfallen könnte, meine Augen von ihr zu lassen. Was das Ganze natürlich auch nicht leichter machte, ist die Tatsache, dass ich sie sowieso nicht aus den Augen lassen sollte. Da mich Ronan netterweise als Bodyguard der Prinzessin einteilte, konnte ich ihren Anblick wenigstens noch ein paar Stunden genießen.

Bei dem Gedanken, sie nie wieder zu sehen, zog sich mein gesamtes Nervensystem schmerzhaft zusammen. Es machte mir Angst sie so ganz alleine ihrem Schicksal mit Matthew zu überlassen und nichts mehr dagegen tun zu können. Deswegen hoffte ich inständig darauf, dass mein Plan funktionieren würde, und es Matthew nicht einmal möglich war in die Nähe der zukünftigen Königin zu geraten.

Meine Hände vor meinem Körper gefaltet, beobachtete ich Kaia wie sie mit verschiedensten Leuten plauderte, denen ich in meinem Leben noch nie begegnet war. Aus Erfahrung konnte ich sagen, dass es der Prinzessin genauso erging, sie es aber mit geübter Freundlichkeit überspielte. Unmöglich konnte man so eine Masse an Adeligen unterscheiden, schon gar nicht, wenn sie alle gleich aussahen und fast die selben Kleider trugen, abgesehen von ihren lächerlichen Kopfbedeckungen. Im Unterschied zu ihnen war Kaia alles andere als lächerlich gekleidet.

Das zarte blau unterstrich ihren blassen Teint, wobei die Schlichtheit des weich fallenden Tülls durch ein aufregendes Spitzenoberteil aufgehoben wurde. Darüber wurden immer wieder Blumen gestickt, die mit einer verlaufenden Linienform ihre Taille betonten. Der tiefe Ausschnitt des Kleides machte es natürlich nicht gerade einfacher, sie nicht anzustarren. Als in meinem Kopf plötzlich wieder Bilder auftauchten, in denen ich Küsse über ihren Oberkörper verteilte und sie langsam aus ihrem Kleid befreite, musste ich meinen Blick von ihr richten und suchte zur Ablenkung nach meinem heutigen Opfer.

Ronans Anzug war an die Farbe von Kaias Kleid gepasst, was wahrscheinlich den Zusammenhalt der Königsfamilie darstellen sollte. Die Menschen haben jedoch keinen blassen Schimmer, dass diese Fassade bereits am bröckeln war. Er war viel zu abgelenkt, genauso wie seine Bodyguards, die gelassen mit irgendwelchen Dienstmädchen plauderten. Es würde also kein Kunstwerk sein, dem König sein Gift zu verabreichen. Was jedoch das größere Problem darstellte, waren die Bilder von Kaia die mich in meinen Gedanken verfolgten, und viel zu unkonzentriert und abgelenkt machten. Ich konnte mir hier nicht einmal einen kleinen Fehler erlauben.

Gerade als ich einen Kontrollblick in Kaias Richtung werfen wollte, da ich Ronans Situation bereits viel zu lange analysierte, war sie plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. An der Stelle, an der sie gerade noch vor ein paar Minuten stand, befand sich nun ein hochroter Prinz Matthew, der wohl die Launen seiner Zukünftigen wieder aushalten musste. Ich sah nur noch ihren blonden Schopf durch eine der riesigen Türen schlüpfen.

Ihr Drama kam natürlich genau zum richtigen Zeitpunkt. Anstatt mich einfach meine Arbeit machen zu lassen, musste sie wieder einen Aufstand wegen Matthew veranstalten. Mein kleiner, innerlicher Wutausbruch, war aufgrund Matthews Benehmen wahrscheinlich unberechtigt, da mir die Prinzessin eigentlich leidtun sollte. Jedoch brachte sie, wie so viele Male zuvor, meinen minutiös durchplanten Vorgang völlig durcheinander.

Trotz alledem schlängelte ich mich durch die Menschenmenge, ohne auch nur irgendjemandem im Weg zu stehen, geschweige denn aufsehen zu erregen, und schlüpfte durch das Tor zum Ballsaal.

Ich bekam gerade noch Kaias langen Rock zu sehen, als sie um die Ecke des Schlosses stürmte. Wegen ihren hohen Schuhen war es kein Problem mit großen Schritten aufzuholen. Sie lehnte allerdings schon an der kühlen Backsteinwand, als ich sie erreichte.

„Was sollte das denn schonwieder?", platzte es aus mir heraus, als ich sie gerade einholte und neben ihr stand.

„Was?", stieß sie erschrocken hervor und ich konnte sehen wie stark sie schlucken musste als ihr Blick auf mich fiel.

„Kannst du dich nicht ein Mal zusammenreißen? Dein Bruder hat dir doch gesagt, dass du so wenig aufsehen wie möglich auf dich ziehen sollst, was Matthew betrifft."
Meine Worte klangen deutlich genervt, woraufhin sich Kaias Gesicht zu einem riesigen Fragezeichen verzog. Ich musste mich wohl gerade wie das größte Arschloch anhören, aber sie hatte sich wegen ein bisschen Drama gerade ihre Zukunft zerstört, die ich ihr gegeben hätte.

„Seit wann denkst du so, Grayson?", fragte sie mit einem verwirrten Unterton und verschränkte die Arme schützend vor ihrer Brust. Sie wollte gerade ansetzen mir davon zu erzählen ob ich wirklich nichtmehr von der Nacht im Hotel wusste, wobei ich sie jedoch nur grob unterbrach.

„Ich weiß, was er mit dir machen wollte. Aber er ist deine Zukunft. Also reiß dich zusammen und versuch nicht die ganze Zeit irgendetwas anders machen zu wollen, als es für dich vorgesehen ist. Eine Prinzessin ist die letzte Person, die rebellisch werden kann", redete ich aufbrausend auf sie ein, ging mit jedem Wort einen Schritt näher auf sie zu und sah mit jedem Wort wie das Bild eines liebevollen Bodyguards sich in ihren Augen in Luft auflöste.

Ich musste irgendwie dafür sorgen, dass sie mich vergaß. Mir war klar, dass Kaia gewisse Gefühle für mich hegte, als mir Liliana jedoch erzählte, dass die Prinzessin unsterblich in einen Angestellten verliebt sei, platzte mir fast der Kragen.

Also war nun die einzige Möglichkeit sie dazu zu bringen, mich zu hassen, und ihr klar zu machen, dass sie mir nie etwas bedeutete und ich nicht ein Zeichen der Zuneigung ernst meinte.

„Und bevor ich es vergesse, hör auf diesem Bediensteten nach zu heulen", zischte ich und baute mich vor ihr auf. Ich spürte wie ich in diesem Moment viel zu aufbrausend auf sie wirken musste, kaum etwas würde es jetzt noch schaffen mich aufzuhalten. Gerade als sie ihren Mund öffnen wollte fiel ich ihr ein weiteres Mal ins Wort: „Du wirst Matthew heiraten. Du hattest recht. Wir haben keine gemeinsame Zukunft, und werden sie auch nie haben."

Ich merkte wie sie immer häufiger anfing zu blinzeln und ihre Aufmerksamkeit nur auf meine Schuhe gerichtet war. Ihre blonden Locken fielen ihr ins Gesicht, als sie kurz nickte, und mir dann wieder in die Augen sah. Ihr Blick war so intensiv, dass selbst ich Angst hatte, meine Kontrolle zu verlieren. Sie sah viel zu schön aus um ihr jetzt das Herz zu brechen.
Aber es war nötig.

„Wir haben keine gemeinsame Zukunft, Kaia. Nie. Ich habe Liliana, ich liebe sie. Und sie ist so viel besser als du", murmelte ich so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob sie wirklich verstand, was ich ihr mitteilen wollte. Denn ich merkte erst jetzt, was ich wirklich sagte. Es versetzte mir einen Stich ins Herz als sie mich nur entsetzt anstarrte und kein Wort mehr herausbrachte. Ihre Brust hob und senkte sich immer schneller und ihre Arme umschlangen immer schützender ihren Oberkörper. Es fühlte sich an als würde sie bis in meine Seele hindurchstarren und versuchen aus mir schlau zu werden. Ich hoffte nur, dass sie nicht merkte, dass ich sie anlog.

Sie war so viel besser als Liliana, so viel besser für mich. Ich fühlte so viel mehr für sie. Und als ich zusah wie langsam ihre Augen rot und glasig wurden, als sie mich weiter stur ansah, konnte ich nicht anders als meine Hand nach ihrer Wange auszustrecken und ihre Tränen durch einen Kuss aufzuhalten.

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written by artisticwinchestxr

Was sagt ihr zum Ende dieses Kapitels? Ein guter Cliff-Hanger? ^^

Was wird aus Graysons Plan?

Wie wird es zwischen Kaia und Grayson weitergehen?

Es tut mir echt leid, dass so lange nichts kam, aber wir werden versuchen ab jetzt wieder regelmässig zu uploaden. Ich kann euch versprechen, dass die nächste Kapitel genauso aufregend weiter gehen <3

Meinungen zum Kapitel?

Kritik und andere Anmerkungen sind immer erwünscht!

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