23. Dreiundzwanzig

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Kaia

Seit dem Tod unserer Eltern fragte ich mich immer wieder wie Ronan es schaffte vor anderen Leuten tagtäglich den stolzen König raushängen zu lassen. Ich war mir sicher, dass er sich so sehr vor seinen Mitmenschen verschloss, ihnen nur eine seiner vielen Masken zeigte, dass ich garnicht mehr genau wusste, wer mein Bruder eigentlich war.
Die einzigen Dinge an die ich mich erinnerte, waren wie er früher gewesen sein musste.
Entweder waren es Erinnerungen aus meiner Vergangenheit, oder aus meinen Träumen, die mich daran glauben ließen, dass Ronan ein guter König war.
Auch wenn noch so vieles dagegen sprach.

Die meisten dachten wohl ich wäre zu naiv um zu bemerken, wie sich mein Bruder verhielt. Stattdessen konnte ich ganz gut deuten, was diese anzüglichen Blicke bedeuteten, mit denen er so manche junge Frau bereits beobachtet hatte.
Ich verstand nie, warum Ronan mich so zwanghaft verheiraten wollte, wenn doch er derjenige war der seine Aufmerksamkeit nicht vom anderen Geschlecht nehmen konnte.
Er hatte mir diese Zweifel schon oft aus dem Kopf getrieben, indem er mir einredete, er hätte für eine Partnerin keine Zeit.

Ihn gerade dabei zu beobachten, wie er jeden einzelnen Gast begrüßte, die Männer kaum eines Blickes würdigte und den Frauen mithilfe eines federleichten Handkusses schmeichelte, ließ mich hin und wieder nachvollziehen, welche negativen Gedanken die Bewohner unseres Landes gegenüber meines Bruder mit sich trugen.
Die vielen jungen Frauen im Saal, denen er schöne Augen machte, taten es ihm gleich und konnten garnicht ihre Blicke von seinem kadettenblauen, schon fast türkisen Anzug nehmen. Sein Sakko saß eng genug um seine breiten Schultern zu betonen. Bei diesem Outfit wurde kein einziges Stück Stoff zu viel oder zu wenig verarbeitet. Jeder Zentimeter schmiegte sich perfekt an seinen Körper.

Der fließende Tüll meines Kleides wurde farblich genau auf die Bekleidung von Ronan abgestimmt. Laut einigen Beratern und Beraterinnen meines Bruders, sollte diese kleine Feinheit den Zusammenhalt zwischen mir und ihm darstellen.
Doch egal welche wirtschaftliche Bedeutung mein Auftreten hatte, das Kleid das ich trug war ungelogen eines der schönsten Werke von Liliana, das ich jemals präsentieren durfte. Mein Oberkörper war durch ein Spitzenoberteil, welches mit zarten Blumen bestickt wurde, bedeckt und ließ zu, dass genug Haut zu sehen war, um nicht all zu streng zu wirken.
Natürlich entging es mir nicht, wie manche Ballgäste ihre Augen dadurch beinahe an mir festklammerten. Nur war ich solche Situationen bereits gewohnt.
Glücklicherweise hielten sich bei diesem Fest die Tanzaufforderungen in Grenzen, da sich schon vor Tagen rumgesprochen hatte, dass sich mein Zukünftiger ebenfalls an diesem Abend hier aufhielt.

Matthew zwischen all den Gästen zu entdecken war leider einfacher als gedacht. Eigentlich hatte ich für den heutigen Tag keinerlei Befürchtungen was ihn anging, da sich einerseits viel zu viele Menschen hier befanden und andererseits ich das sicherere Gefühl hatte, dass Grayson mich ebenfalls nicht aus den Augen nahm. Auch wenn ich ihn momentan nirgends auffinden konnte, spürte ich einfach, dass er mich hier nicht im Stich ließ.
In dem Moment wo mein Blick auf den von Matthew traf, verzog sich sein Gesicht zu einem selbstsicheren Grinsen und er fing an vom anderen Ende des Saales auf mich zuzustolzieren.

Sofort erhob ich mich von meinem Stuhl und ohne zu wissen ob dies aus Panik oder aus Unsicherheit geschah, verließ ich meinen Platz und versuchte mich irgendwie zwischen das Getümmel von Menschen zu drängen.

Trotz der angenehmen Musik, war es durch das ununterbrochene Geplaudere der Gäste nervtötend laut im Ballsaal. Jeder wollte jeden kennenlernen. Musste neue Kontakte knüpfen. Und als ich mich aus der Menge wandte und das kühle Gestein der Wand an meinem Rücken spürte, atmete ich entspannt durch und ließ meinen Blick über den Saal und seine Beschmückung wandern.

Der Raum war unglaublich groß, schaffte Platz für mehr als 300 Gäste gleichzeitig.
Verschieden große Tische wurden an den Wänden, direkt neben den beachtlich hohen Fenstern, platziert und sorgten somit dafür, dass der Hauptteil des Saales Raum für tratschende und tanzende Leute bot.
Überall fand man bunte Blumengestecke vor. Von klein und zart, bis hin zu pompös und majestätisch, variierten die frühlingshaften Dekorationen.

Royal Liar Where stories live. Discover now