3.

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Heute ist das Infinity noch voller als gestern und ich sehe viele bekannte Gesichter. Ich weiß schon jetzt, wie der Abend ablaufen wird. Es gibt viele Mädels, die auf die hübschen und vor allem reichen Jungs stehen und diese auch ganz aktiv und teilweise aggressiv anbaggern.

Die Jungs genießen das. Sie tanzen mit den Mädels und spendieren ihnen Getränke, aber es kommt selten zu mehr und mit nachhause nehmen sie meistens keine.

Wir setzen uns an den selben Tisch wie gestern und genau wie gestern setze ich mich wieder zu Malik. Heute entschied ich mich allerdings ausnahmsweise dazu, mal ein Glas Champagner zu trinken, da ich ja nicht fahren muss.

"Du siehst wirklich toll aus heute", flüstert Malik in mein Ohr, so dass nur ich es hören konnte. "Danke Malik, du auch!", erwidere ich lächelnd.

Malik reicht mir den Champagner und wir stoßen miteinander an. Wir unterhalten uns und lachen wie immer viel miteinander.

Zwischendurch stehen wir immer wieder auf und mischen uns unter die anderen Gäste auf der Tanzfläche. Die Musik im Infinity ist wirklich ausgezeichnet und trifft genau meinen Geschmack. Es ist eine Mischung aus Hip Hop, Charts und Dance-Musik, und immer wieder auch einigen Oldschool Songs. Musik ist für mich essenziell, da ich liebe es zu Tanzen. Es ist meine große Leidenschaft seit ich denken kann.

Irgendwann sitzen wir wieder am Tisch und Malik gibt mir mittlerweile das dritte Glas Champagner innerhalb von zwanzig Minuten. Ich greife etwas zu schwungvoll zu, so dass ich ein wenig Champagner auf meine Oberschenkel kleckere.

"Oh scheiße, das tut mir leid", sagt Malik und greift schnell nach einer Serviette, die auf dem Tisch liegt und rubbelt damit ein bisschen hilflos an meinem Bein herum. In dem Moment erklingt ein tiefes und nicht sehr erfreutes: "As-salamu alaykum."

Ich zucke zusammen die ganze Situation wird mir plötzlich total unangenehm. Abbas, Younes und Malik antworten mit: "Wa alaykumu as-salam."

Ich schaue hoch und direkt in Walids braune Augen, die mich böse anfunkeln. Abrupt stehe ich auf und umarme ihn mit stark klopfendem Herzen.

Walid zieht mich fest und ein wenig grob an sich und drückt mir einen lieblosen Kuss auf die Wange. Ich habe das Gefühl, er will mich vor Wut gar nicht umarmen oder küssen, und tut es nur, um Malik irgendwas zu beweisen. Ich kann mir seine Eifersucht auf Malik nicht erklären - wir sind doch nur Freunde.

"Ich wusste gar nicht, dass du doch kommst. Du hast mir ja nicht mehr Bescheid gesagt", sagt er in vorwurfsvollem Ton. Es ist nicht zu überhören, dass es abgefuckt ist.

"Ach Mist. Ich habe mein Handy zuhause zum Aufladen angeschlossen und bin dann runter gegangen um mit Abbas zu reden und zu frühstücken. Danach haben wir noch Netflix geschaut und sind irgendwie eingeschlafen und erst um 22 Uhr wieder aufgewacht. Ich hab mein Handy seit heute morgen nicht mehr in der Hand gehabt. Vor lauter Zeitdruck hab ich sogar vergessen, es mit zu nehmen", bemerke ich in diesem Moment erst selbst.

Walid nickt nur als Antwort. Seine Miene ist wie versteinert. "Kommst du mit mir eine rauchen?", frage ich ihn, um die angespannte Situation etwas aufzulockern. Anstatt mir zu antworten, nimmt Walid einfach meine Hand und läuft mit mir die Treppen hoch in sein Büro.

Er lässt mir den Vortritt und knallt dann die Tür lautstark hinter mir zu. Dann fährt er zu mir herum und schaut mich wütend an.

"Was ist das mit Malik und dir? Der ist mir gestern schon aufgefallen. Er ist ständig um dich rum, packt dich an, du lachst mit ihm. Habt ihr was miteinander oder hattet ihr mal was miteinander? Dann sag mir das. Ich lasse mich nämlich nicht verarschen", fährt er mich an.

Schockiert starre ich ihn an und meine Augen füllen sich mit Tränen. Es verletzt mich, dass er so von mir denkt. Und das, wo er sogar der Erste ist, von dem ich Abbas und Younes erzählt habe. Ich bin sprachlos, weiß mir nicht zu helfen und drehe mich überfordert um. Ich will einfach nur hier raus, weg von Walid. Ich will nicht, dass er meine Tränen sieht und ich will nicht, dass er mich weiter anschreit.

Ich laufe mit schnellen Schritten und gesenktem Blick zur Tür, aber Walid stellt sich mir in den Weg. Allein seine große und breit gebaute Statur wirkt einschüchternd und selbst wenn ich es versuchen würde, würde ich mit meinem Fliegengewicht von 50kg nicht an ihm vorbei kommen.

Walid fasst mich sanft am Handgelenk und sagt mit deutlich sanfterer Stimme: "Warte." Dann hebt er behutsam mit seiner rechten Hand mein Kinn an, sodass ich gezwungen bin, ihm in die Augen zu sehen. "Es tut mir leid, ich wollte dich nicht anschreien", sagt er reumütig.

Ich habe keine Ahnung, ob der Champagner seine Wirkung zeigt oder ob es einfach nur die Enttäuschung gepaart mit meiner Unerfahrenheit ist, aber ich reiße mich von ihm los und renne die Treppen runter. Meine Tränen kann ich nun auch nicht mehr zurück halten.

Walid kommt mir hinterher und ruft mehrmals meinen Namen, aber das ist mir in dem Moment egal. Ich fühle mich total gekränkt. Er hat mir unterstellt ihn zu belügen und mit ihm zu spielen ohne mir überhaupt mal die Chance zu geben, mich zu erklären. Stattdessen hat er mich direkt angeschrien. Das war etwas, dass noch niemand mit mir gemacht hat.

Ich laufe einfach immer weiter, quer durch den ganzen Club. Meine Augen suchen Abbas und es dauert eine Weile, bis ich ihn endlich in der Menschenmenge entdecke. Er tanzt gerade am Rand der Tanzfläche mit einem brünetten Mädchen.

Ich laufe zu ihm und stürze mich in seine Arme. In dem Moment brechen alle Dämme und ich lasse meinen Tränen freien Lauf. Es ist mir auch scheiß egal, was die Brünette oder all die anderen Menschen dachten. Ich bin zu keinem rationalen Gedanken mehr fähig, da ich mich so in die Situation und meinen Schmerz herein gesteigert hatte.

Walid steht mittlerweile hinter uns und beobachtet die sich ihm bietende Szene wortlos. Nach und nach kommen Younes, Malik und auch andere Kollegen von Abbas dazu. Es bildet sich eine regelrechte Menschentraube um uns herum.

Alle rufen durcheinander und fragen Abbas was los ist. Auch der wird zunehmend unruhig und fragt immer wieder: "Lilli, was ist los? Was ist passiert? Bitte rede doch mit mir!"

Aber ich stehe nur da und schweige, während immer wieder einzelne Tränen über mein Gesicht kullern. Der einzige Satz, den ich dann schluchzend heraus bekomme, ist: "Abbas, bitte bring mich hier weg. Ich will nachhause."

Abbas schaut mit einem bösen Blick zu Walid und fragt aufgebracht: "Madha yahduth? Was hat sie?"

Aber Walid antwortet nicht.

Ich merke, dass Abbas sich von mir los machen und wahrscheinlich auf Walid los gehen will, aber ich klammere mich noch fester an ihn. Er zögert kurz und hebt dann mit einem Arm meine Beine hoch, den anderen legt er in meinem Nacken und trägt mich aus dem Club.

Malik und Younes wollen mitkommen, aber Abbas lehnt das ab und trägt mich zu seinem Auto, setzt mich auf die Beifahrerseite und startet den Motor seines Wagens mit lautem Aufheulen.

Zuhause angekommen laufe ich direkt hoch in mein Zimmer. Abbas folgt mir und deckt mich fürsorglich zu. Wir haben bis jetzt noch immer kein Wort miteinander geredet. Er kennt mich einfach am besten und weiß, dass ich jetzt gerade nicht reden will oder kann. Ich muss das alles erstmal selbst verarbeiten.

Abbas drückt mir einen Kuss auf die Stirn und ist gerade im Begriff aus dem Zimmer zu gehen, doch ich greife nach seiner Hand, halte ihn fest und sage: "Nein, bitte geh nicht. Kannst du bitte bei mir schlafen? Ich will jetzt nicht alleine sein."

Abbas schenkt mir einen gerührten Blick, nickt kurz und legt sich dann neben mich.

Er nimmt die Fernbedienung und schaltet "Two and a half men" an. Ich lasse mich noch kurz von den Bildern im TV berieseln und schlafe dann entgegen meiner Erwartungen relativ schnell ein.

In meinem Herzen nur duWhere stories live. Discover now