In meinem Herzen nur du

26.

Zeyd und ich sitzen noch eine Weile zusammen. Ich trinke ein Glas Wein und er einw Flasche Bier, wir quatschen und rauchen zu viele Zigaretten. Seine Gesellschaft tut mir gut, vor allem jetzt, da die Situation mit meinem eigenen Bruder so verfahren ist.

Walid kommt wieder spät in der Nacht nachhause und kuschelt sich an mich. Am nächsten Morgen stehe ich schon früh auf, ziehe mir meine Trainingssachen an, frühstücke eine Kleinigkeit und fahre dann zum Training.

Heute habe ich eine Stunde Ballett und zwei Stunden Eiskunstlauftraining. Momentan ist keine Saison, weshalb ich verhältnismäßig viel Freizeit habe. Wenn die Saison in wenigen Wochen wieder anfängt, wird sich das allerdings ändern und ich werde wieder den ganzen Tag auf der Eisbahn verbringen.

Nach dem Training gehe ich noch eine halbe Stunde in die Sauna und danach duschen. Ich trainiere in einem moderen Leistungszentrum, das mit allem Schnickschnack ausgestattet ist: Sauna, Schwimmbad, eine eigene Physiotherapie-Praxis, eine kleine Schneiderei, Baletträume und mehrere Eisbahnen. Es ist das luxuriöseste und fortschrittlichste Leistungszentrum Deutschlands und ich bin überzeugt, dass das viel zu meinem Erfolg beiträgt.

Ich schminke mich, föhne meine Haare und ziehe mir ein hübsches Sommerkleid an. Dann gehe ich nach draußen, setze mich in mein Auto und schnaufe tief durch.

Ich nehme all meinen Mut zusammen und rufe meinen Vater an. Es dauert lange, bis er den Anruf annimmt. "El-Habib, hallo?", tönt seine vertraute Stimme aus meinem Handy.

"Hallo Baba, ich bin's, Lilli", begrüße ich ihn leise. "Lilli, hallo Schatz. Wie geht's dir Prinzessin? Geht's euch gut?"

"Ja Baba, vielen Dank. Mir geht es gut. Ich war gerade beim Training."

"Okay Schatz, ich bin sehr stolz auf dich", sagt er liebevoll. "Danke Baba", antworte ich gerührt. "Was kann ich für dich tun mein Engel?", fragt er dann aufmerksam.

"Da gäbe es tatsächlich etwas. Es geht um einen Freund von Abbas. Er ist seit vier Jahren im Gefängnis und hat noch knapp ein halbes Jahr vor sich. Er wurde verurteilt wegen Hausfriedensbruch, Freiheitsberaubung, Bedrohung, Beleidigung und schwerer Körperverletzung. Er war allerdings Ersttäter. Jetzt ist es so, dass sein Bruder nächsten Dienstag seinen 25. Geburtstag hat und der sehr groß gefeiert wird. Ich weiß, das ist kein richtiges Argument.. Aber es wäre so wichtig, dass er dabei ist. Der Mann heißt Shayan Adel."

"Adel? Der Sohn von Hakim?", hakt er nach. "Genau."

Es dauert einen Moment, bis mein Vater antwortet: "Hätte Hakim mich seinen Sohn vertreten lassen, wäre er schon längst wieder draußen oder gar nicht erst ins Gefängnis gekommen. Weißt du, in welchem Gefängnis er sitzt?", fragt er. "Ja, in der JVA München", antworte ich.

"Okay, das ist gut. Den Leiter kenne ich vom Golf. Ich denke, das sollte ich hinkriegen. Ich werde ihn gleich anrufen und dir Bescheid geben." "Danke Baba, das wäre so großartig. Wenn das jemand schafft, dann du", sage ich hoffnungsvoll.

Dann sagt mein Vater plötzlich korkentrocken: "Du denkst auch, ich bin dumm, oder?"

Ich schlucke. "Nein, Baba, was redest du da? Was meinst du?", stammel ich.

"Du fragst für einen Freund von Abbas ja? Stellt sich mir nur die Frage, wer dein Freund ist? Walid oder Zeyd?"

Ich laufe knallrot an und bin froh, dass er mich nicht sehen kann. Er spricht unbeirrt weiter: "Aber wenn ich jetzt mal eins und eins zusammen zähle: Abbas' Freund wird 25. Shayan ist so alt wie Momo, Walid so alt wie Abbas.. Abbas ist 24. Sagst du's mir selbst?"

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Nervös spiele ich an meinem Armband rum und sage dann zögerlich: "Ja Papa, du hast Recht. Walid ist mein Freund. Wir lernen uns gerade kennen."