4.

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Mitten in der Nacht werde ich von dem Geschrei meines Bruders geweckt. "Was ist denn passiert? Rede doch! .. Nein, sie schläft und bevor du mit ihr redest, redest du jetzt erstmal mit mir."

Er muss mit Walid sprechen.

Er schweigt einen Moment, wahrscheinlich um gerade seinem Gesprächspartner zuzuhören und sagt dann aufgebracht: "Ist das dein scheiß Ernst, Walid? Wie gehst du denn mit meiner Schwester um? Schreist du sie noch einmal an oder behandelst sie scheiße, kriegst du es mit mir zu tun und dann wirst du sie nie wieder sehen! Sowas kannst du mit irgendwelchen anderen Weibern machen, aber nicht mit Lilli!"

So wütend hatte ich Abbas bis jetzt noch nie erlebt. Dann höre ich plötzlich noch weitere Stimmen, die ich Younes und Malik zuordnen kann.

"Das ist mir scheiß egal, wallah. Das ist meine Schwester, ein anständiges Mädchen und keine daher gelaufene Hure. Wenn du ein Problem mit ihr hast, rede vernünftig mit ihr und klär das oder klär dein Problem mit Malik. Aber ich will und ich werde nie wieder meine heulende Schwester aus deinem verschissenen Club tragen! Sie hat mir gestern von dir erzählt und ich habe ihr noch gesagt, dass das okay ist, wenn ihr euch kennen lernt, und dass du ein anständiger Mann bist. Lass mich das nicht bereuen! Weißt du eigentlich, dass sie nie feiern geht? Sie ist heute nur wegen dir gekommen, dabei hast du das anscheinend gar nicht verdient."

Ich bin sprachlos. Solche Worte habe ich nicht erwartet. Kurz darauf höre ich, wie Abbas sich von Walid verabschiedet und auflegt.

Abbas ist immer noch aufgebracht und richtet sein Wort nun an Malik: "So Malik, jetzt mal Karten auf den Tisch. Was ist das zwischen euch? Läuft da was? Lief da jemals was? Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen, aber ich will es aus deinem Mund hören."

"Nein Bruder, wallah, da lief nie was zwischen uns. Wir sind einfach nur Freunde, das weißt du doch", beteuert Malik kleinlaut. "Walid sagt, dass du immer um sie rum bist, sie anfasst, anstarrst, anlächelst", kommt nun von Abbas.

"Ja, aber ist doch auch so. Sorry Malik, aber es stimmt doch. Das haben wir dir doch auch schon oft gesagt. Wir ziehen dich nicht umsonst damit auf", mischt sich nun Younes ein.

"Keine Ahnung, was soll ich dazu sagen? Ich weiß doch nicht, wie es von Außen aussieht. Ich kann euch nur sagen, dass wir einfach nur Freunde sind", rechtfertigt Malik sich fast schon verzweifelt.

"Okay, ihr seid einfach nur Freunde. Aber würdest du dir vielleicht wünschen, dass ihr mehr als nur Freunde wärt? Willst du vielleicht was von Lilli?", fragt Abbas nun verständnisvoll und deutlich ruhiger. Malik schweigt.

"Malik, Lilli hat sich total in Walid verguckt, das hat sie uns heute selbst gesagt. Wenn du sie willst, dann sag es ihr. Vielleicht habt ihr 'ne Chance, Allahu alem. Aber wenn sie dir sagt, dass sie Walid will, dann halt dich bitte von ihr fern und lass sie glücklich werden", sagt Abbas mit Nachdruck.

Malik schnaubt verächtlich. "Glücklich werden? Mit Walid? Sie wird bestimmt sehr glücklich mit einem, der sie bei der erstbesten Gelegenheit schon anschreit", spottet Malik. "Der hat sie doch gar nicht verdient. Lilli verdient was viel Besseres."

"Glaub mir, das war das erste und letzte Mal, dass er sie angeschrien hat, sonst gnade ihm Gott", antwortet Abbas laut.

Ich bin total durcheinander. Malik steht auf mich? Irgendwie habe ich das ja schon geahnt, aber es jetzt so zu hören, ist noch mal was ganz anderes. So ernst habe ich seine Flirterei nie eingeschätzt und irgendwie bringen seine Worte mich auch zum Zweifeln. Er hat einen wunden Punkt bei mir getroffen.

Ob Walid mich jemals glücklich machen kann, wenn er mich für so eine Kleinigkeit schon so anschreit? Malik ist echt ein lieber Kerl. Er würde mich auf jeden Fall auf Händen tragen, das weiß ich.

Andererseits kann ich Walid auch ein bisschen verstehen. Wie hätte ich denn reagiert, wenn die Situation anders herum gewesen wäre? Wenn Walid neben einer fremden Frau gesessen und an ihren nackten Beinen mit einer Serviette rum gerieben hätte? Ich wäre doch auch stinksauer gewesen. Erst Recht, wenn ich sowieso schon das Gefühl gehabt hätte, dass diese Frau auf ihn steht.

Ich entscheide mich dazu, zu den drei Jungs nach unten zu gehen, aber davor gehe ich ins Bad und ziehe mir mein rosanes Kleid aus, welches ich immer noch trage. Ich wasche mir die letzten Schminkreste aus dem Gesicht und ziehe mir einen hellblauen Adidas Jogginganzug an. So frisch und sauber und in bequemen Sachen fühle ich mich direkt viel besser.

Mit langsamen Schritten laufe ich die Treppe zum Erdgeschoss runter, wo die drei Jungs auf dem Sofa sitzen. "Selam. Was geht denn hier ab? Clubsitzung?", frage ich trocken. "Witzig. Die Jungs haben sich Sorgen um dich gemacht und sind deshalb vorbei gekommen", antwortet Abbas ernst und mit finsterer Miene.

"Danke ihr beiden", antwortete ich ehrlich gerührt und schicke ihnen Luftküsschen.

"Außerdem wollte Malik noch was mit dir bereden", sagt Younes dreist. Was? Jetzt? Ich weiß gar nicht, wer von uns beiden in dem Moment schockierter guckt - Malik oder ich. Ich dachte und hoffte eigentlich, ich hätte noch etwas Bedenkzeit, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Danke Younes!

"Ehhh ja genau", stammelt Malik verlegen. "Ehm.. Okay.. Dann lass uns doch hoch in mein Zimmer gehen", schlage ich leicht überfordert vor. Malik nickt und folgt mir nach oben.

Er schließt leise die Tür hinter sich, nachdem er mein Zimmer betreten hat. Ich setze mich auf das kleine altrosane Samtsofa, welches in meinem Zimmer steht und klopfe dann neben mich, um ihm zu signalisieren, dass er sich dort hin setzen soll. Er zögert eine Sekunde und setzt sich dann.

Er holt tief Luft, schaut mir unsicher in die Augen und sagt: "Lilli, es tut mir wirklich leid, wenn du wegen mir Ärger hattest. Das wollte ich nie. Du bedeutest mir wirklich viel, vielleicht zu viel.. Auch wenn ich dir das nie gesagt hab." "Ich weiß.. Aber das alles ist nicht deine Schuld, Malik. Ich hab keine Ahnung, wieso Walid so durchgedreht ist. Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir was Falsches machen", antworte ich bedrückt.

"Ich hatte auch nichts Schlechtes im Sinn oder irgendwelche Hintergedanken, wallah. Lilli, ich würde dich gerne näher kennen lernen. Mich öfter mal mit dir treffen, alleine. Aber wenn du das nicht willst, oder wenn du Walid willst, ist das natürlich okay. Dann akzeptiere ich das und halte mich von dir fern. Ich will dich auf keinen Fall als Freundin verlieren."

"Ich will dich auch auf keinen Fall verlieren, wallah. Ich will ehrlich zu dir sein: ich bin gerade ziemlich durcheinander. Bitte lass mir etwas Zeit, über alles nachzudenken. Ich will dich nicht warm halten oder zappeln lassen, Malik, ehrlich. Ich möchte mir einfach nur gut überlegen was ich will und mache. Ich will keine falsche Entscheidung treffen und hinterher jemanden verletzen", antworte ich mit Bedacht.

"Klar, das verstehe ich. Nimm dir alle Zeit die du brauchst. Nur sei ehrlich zu mir", bittet er mich. "Versprochen, das war ich immer und werde ich immer sein", antworte ich. "Danke. Sag mir einfach Bescheid, wenn du dich entschieden hast. Dann reden wir noch mal in Ruhe. Und jetzt gehe ich wieder runter zu den Jungs und du versuchst noch etwas zu schlafen", sagt er mit einem liebevollen Lächeln. Ich nicke zustimmend und verabschiede mich mit einer Umarmung von ihm.

Dann verlässt Malik mein Zimmer und ich lege mich wieder in mein großes kuscheliges Bett und versuche zu schlafen, aber meine Gedanken kreisen immer noch in meinem Kopf wie ein Karussell. Immer wieder dringen leise die Stimmen der drei Jungs von unten hoch und es dauert noch eine ganze Weile, bis ich endlich wieder einschlafen kann.

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Meine Lieben,

Für wen wird Lilli sich wohl entscheiden? Malik oder Walid?

Und für wen würdet ihr euch entscheiden?

A.

In meinem Herzen nur duKde žijí příběhy. Začni objevovat