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Einen Monat später steht unser Trip nach Istanbul und Beirut an. Seit meinem Geburstag ist viel passiert.
Momo ist nach Tripolis geflogen und hat bei Medinas Eltern um ihre Hand angehalten.

Eine kleine Verlobungsfeier hat schon stattgefunden und die Hochzeit wird noch dieses Jahres stattfinden.

Shayan ist immer noch mit Aliya zusammen und bis über beide Ohren verliebt. Aliya ist oft dabei, wenn wir was zusammen unternehmen und ich verstehe mich wirklich gut mit ihr. Wir sind auf einer Wellenlänge, weshalb ich sie gebeten habe mit uns in den Urlaub zu fliegen.

Sie hat sich erst geziert, vermutlich auch, weil ihr die finanziellen Mittel fehlen, aber diesen Zahn hat Shayan ihr schnell gezogen. Als er gemerkt hat, dass sie nicht abgeneigt ist, hat er ihr kurzerhand einfach Flugtickets gebucht.

Als Younes, Abbas, Walid, Zeyd, Shayan, Aliya und ich am Gate aufs Boarding warten, bestimmt Abbas: "Ich sitze neben Lilli." Walid zieht seine Augenbrauen hoch. "Ach ja?"

"Ja", erwidert Abbas mit ernster Miene. "Nö, ich sitze neben Lilli", entgegnet Walid schulterzuckend.

"Hab ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden?", frage ich. "Nein", kommt es synchron von Walid und Abbas.

"Wisst ihr was? Ich sitze neben Younes", entgegne ich trocken und schlage bei ihm zum High Five ein. Die Jungs meckern und argumentieren dagegen, aber ich lasse mich davon nicht mehr abbringen.

"Endlich kann ich mal am Fenster sitzen", provoziere ich meinen Bruder, als wir in der geräumigen Boeing Platz genommen haben. "Pft", schnaubt er nur verächtlich.

Unser Hinflug geht schon um 8 Uhr morgens und ich bin so müde, dass meine Augen immer schwerer werden.

Ich lehne mich an Younes' Schulter. Er streichelt mir leicht über den Kopf und dreht sich dann nach hinten und sagt: "Wallah, ich liebe Lilli wie meine eigene Schwester."

Irgendwann werde ich wach weil jemand sanft an meiner Schulter rüttelt. "Lilli, aufwachen. Wir sind gelandet", sagt Younes leise.

Ich strecke mich und gucke ihn verschlafen an. Dann verkünde ich extra laut: "Was für ein entspannter Flug. Younes, sitzt du auf dem Rückflug auch wieder neben mir?" "Es wäre mir eine Ehre", antwortet er grinsend.

"Nein, nein, nein", protestiert Abbas hinter uns. "Sie ist meine Schwester. Irgendwelche Vorteile muss das ja für mich haben "

"Oha, was soll das denn heißen?", frage ich empört. "Man diese Flugzeugsitze sind so scheiße klein und wenn dann noch Walid und ich nebeneinander sitzen fühle ich mich wie eine Sardine in der Dose."

Ich lache. Walid und Abbas sind beide groß und breit gebaut und müssen sich auf den kleinen Flugzeugsitzen total zusammenquetschen.

Am Flughafen nehmen wir zwei Leihwagen und im Auto frage ich: "Wie teilen wir eigentlich die Zimmer auf?"

Walid antwortet nicht, da er sich auf den chaotischen Verkehr konzentriert. Verkehrsregeln werden ignoriert, rote Ampeln sind ein Grund, aber kein Hindernis und auf dreispurigen Straßen fahren nicht selten fünf Autos nebeneinander.

Abbas sagt: "Also du schläfst bei mir auf dem Zimmer." Jetzt reagiert Walid: "Ehm, nein."

"Ihr seid nicht verheiratet, das ist Haram", entgegnet Abbas ernst. "Abbas Alter, dein Ernst?", fragt Walid lachend. Abbas lacht mit. Dann sagt er: "Okay, also: Lilli und ich, Younes und Walid.."

Walid fällt ihm ins Wort und korrigiert: "Lilli und ich, Younes und Abbas, Aliya und Shayan und Zeyd kriegt das Einzelzimmer."

Das edle Hotel liegt direkt in der Innenstadt von Istanbul. Nach dem Einchecken räumen wir in aller Ruhe unsere Koffer aus und ruhen uns etwas aus bevor wir uns um 14 Uhr zum Mittagessen treffen.

Unsere Zimmer ligen alle nebeneinander. Walid grinst mich frech an und sagt: "Hier müssen wir aber leise sein, sonst zwingt mich Abbas echt noch die Zimmer zu tauschen."

Ich boxe ihm leicht auf den Oberarm und sage: "Sei nicht so frech." Während Walid duschen geht, räume ich schon mal unsere Klamotten von den Koffern in den Schrank.

Wenig später kommt er mit einem Handtuch um die Hüften zurück ins Schlafzimmer. Verstohlen mustere ich ihn. Er ist durchtrainiert und hat auch ein Sixpack, ist aber dabei ziemlich massig. Seine kompletten Arme sind von der Schulter bis zum Handgelenk tätowiert und auch seine linke Rippe und seine Schultern zieren Tattoos.

Er bemerkt, dass ich ihn anstarre und fragt zufrieden: "Gefällt dir, was du siehst?"

Ohne meine Antwort abzuwarten kommt er zu mir und zieht mich in seine Arme. Seine Haut ist noch benetzt von einigen Wassertropfen und er riecht unglaublich gut. Ich schmiege mich an ihn.

Nachdem ich ebenfalls duschen war ziehe ich mir eine schwarze Hose, einen grauen dünnen Kaschmirpulli und einen schwarzen Mantel an. Dazu kombiniere ich schwarze Overknee-Stiefel und eine schwarze Handtasche. Auch Walid hat sich mittlerweile angezogen. Er trägt einen grauen grob gestrickten Cardigan, darunter ein weißes Shirt und eine schmal geschnittene Jeans und schwarze Schnürboots.

Pünktlich um 14 Uhr treten wir auf den Flur, wo die anderen uns schon erwarten. Gemeinsam laufen wir durch die Stadt und entscheiden uns für ein traditionelles türkisches Restaurant. Ich esse Mercimek, eine rote Linsensuppe, Manti, türkische Tortellini mit Joghurt und zum Nachtisch Baklava.

Nach dem Essen machen wir noch einen Spaziergang zur Bosporus Brücke, wo wir uns den Sonnenuntergang anschauen.

Am Abend gehen wir in den Taksim Club und machen die halbe Nacht lang Party. Zuerst war natürlich ein Problem mit so vielen Männern in den Club zu kommen, aber Abbas steckt dem Türsteher einen grünen Schein zu und sagt dann lachend, als wir reingelassen wurden: "Geld regiert die Welt, Freunde."

Walid antwortet ebenfalls lachend: "Gut, dass wir davon ein bisschen was haben." "Ihr alten Angeber", sage ich augenverdrehend. "Pscht", macht Abbas und legt seinen Finger auf seine Lippen.

"Du", er zeigt auf mich, "wirst bald am meisten von uns allen verdienen, Frau Anwältin." "Ist klar. Vielleicht mehr als du, aber das ist auch nicht schwer", erwidere ich frech.

"Aber bestimmt nicht mehr als Walid", ergänze ich und zucke mit den Schultern. "Was meins ist, ist auch deins", sagt er und küsst mich auf die Wange.

"Lilli, du siehst das ganz falsch", erklärt Younes. Gespannt sehe ich an. "Das wird deine Haupteinnahmequelle. Frau von Walid." Alle lachen. Ich nicht.

Irgendwie trifft mich der Kommentar, denn genau das will ich nicht. Ich will nicht nur die Tochter oder Schwester oder Frau von jemandem sein.

Younes merkt sofort, dass er einen wunden Punkt getroffen hat. Er kommt einen Schritt auf mich zu und legt seine Hand auf meinen Arm.

"Das war ein Scherz, okay? So wie wir immer Scherze übereinander machen. Jeder von uns weiß, dass du mehr als das bist", sagt er einfühlsam. Ich schenke ihm ein ehrliches Lächeln.

Wir setzen uns an einen Tisch auf der Dachterasse, von dem aus man einen tollen Blick über Istanbul hat.

Shayan und Walid holen Getränke und ich sehe plötzlich, dass Walid sauer wird und aufgebracht mit seinen Händen gestikuliert. Als sie wieder kommen frage ich Walid was los war.

Er ist noch immer aufgebracht, sagt aber nur, dass es ums Infinity geht und dass es irgendwelche Probleme gibt. Ich nehme das hin, auch wenn ich ihm nicht so Recht glaube.

Am nächsten Tag fahren wir mit einem Schiff von Kadiköy aus zu einem Basar und lassen den Abend in einer Shisha Bar ausklingen, bevor es am nächsten Tag nach Beirut weitergeht.

In meinem Herzen nur duWhere stories live. Discover now