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Taehyungs Sicht.

ES vergehen wieder viele Tage und diese ziehen sich, wie ein grässliches Kaugummi in die Länge. Meine Laune ist zudem auch nicht die Beste und ich erkenne mich fast kaum wieder. Sobald ich das Anwesen betrete, verziehe ich kurz das Gesicht, da alle Erinnerungen hochkommen.

Gott, ich bin so verdammt sensibel.

Die einzige Person, die mich im Moment aufheitert und gute Laune bereitet ist Rey. Es mag sein, dass ich in letzter Zeit immer mehr Zeit mit ihr verbringe. Mit Namjoon und Yoongi treffe ich mich nun auch öfters, wenn ich nichts in der Firma meines Vaters zu tun habe.

Aber ich denke, dass es Haera nicht wirklich besser geht, als mir.
Sobald ich sie anschaue oder gar in ihrer Nähe bin, verkrampft sich ihre Körperhaltung und ich sehe, dass sie ihre ruhige und selbstbewusste Fassade verliert.


Es sind nur noch drei Tage bis zu meinen Geburtstag und dann ist es 2019. Ich schnaube leise, als ich daran denke, dass ich vor ein paar Jahren mal auf einen Zettel zusammen mit Rey und Namjoon geschrieben habe, was wir alles im Jahre 2019 machen wollen.


Ich habe darüber geschrieben, erstmals zu studieren. Vielleicht Kunst oder Geschichte. Aber damals habe ich total vergessen, wessen Sohn ich bin. Und was mein eigentlicher Job sein würde.



Diese Erkenntnis macht mich etwas traurig. Vielleicht trauriger, als es sollte. Dass mein Vater mich auch noch indirekt dazu zwingt eine Beziehung mit einem Menschen zu führen, obwohl ich nichts über die Person wissen konnte.



Haera ist jedoch wirklich einzigartig. Sie ist gut darin, in mancher Hinsicht ihre Gefühle zu verstecken. Eine Art Maske zu tragen, die nicht sagt, dass sie in Wirklichkeit verletzt ist oder unsicher über ihre Gefühle ist.

Witzig, da wir in der Öffentlichkeit als das Paar dargestellt werden.
Jeder sieht, wie sehr wir uns lieben, uns verehren. Jedoch sieht die Wahrheit ganz anders aus.

Und diese Ironie dahinter schmeckt bitter.



,,Du siehst wunderschön aus", sage ich und meine es ernst, als Haera in einem schwarzen elegantem Kleid, die Treppen runtergeht. Meine Augen gleiten schon fast automatisch über ihren Körper, bis ich mich daran erinnern muss, dass es falsch ist.


,,Danke", ihre Stimme klingt fest, obwohl sie mal wieder so angespannt in meiner Nähe ist. Ich halte ihr meine Hand hin und sie ergreift sie, ohne mit der Wimpern zu zucken. Ihre Hand ist warm und sanft und ich erwarte, dass ich Gänsehaut kriege, aber es kommt nichts.



Jedoch halte ich für eine Millisekunde inne, als Haera mich unbemerkt beim Rausgehen aus dem Anwesen anblickt. Es mag verrückt klingen, aber es fühlt sich an, als würde sie mir etwas sagen wollen. Ich möchte sie fragen, was genau sie von mir möchte, während ich zu ihr blicke— stelle jedoch fest, dass sie schon längst weggeschaut hat.





,,Das Konzert von Yoongi findet außerhalb von Seoul statt", informiere ich Haera nochmals, als wir mit dem Auto auf dem Weg zur Halle sind.

,,Ich kann immer noch nicht wirklich glauben, dass er wirklich Klavier spielt", kommt es zurück. Haera klingt immer noch überrascht darüber.


Ich habe sie gestern über Yoongi informiert und ihr berichtet, dass wir zu seinem Konzert gehen werden. Sie hat überrascht reagiert, als ich ihr ein Bild von Yoongi gezeigt habe. Es ist einer der wenigen Moment gewesen, in denen wir normal miteinander geredet haben.


Ich wünsche mir mehr solcher Momente.



Es dauert nicht lange, bis wir ankommen und aus dem Wagen steigen. Es sind schon viele Besucher da und überall sind Kameras.
Haera greift unerwartet nach meiner Hand und als ich zu ihr schaue, zeichnet sich ein breites Lächeln auf ihren mit rotbemalten Lippen ab. Ich weiß nicht, ob das Lächeln auf ihren Lippen echt ist, aber das Einzige, was ich weiß, ist, dass dieses Lächeln unbeschreiblich schön ist.



Ich löse meinen Blick von ihr und gehe gemeinsam mit Haera in das prächtige Gehäuse. Von Innen ist es hell beleuchtet und genau in der Mitte, befindet sich ein gewaltiger Kronleuchter.





,,Taehyung!", ruft eine weibliche glückliche Stimme. Ich drehe mich um und erblicke eine grinsende Rey. Ich fange an, automatisch zu lächeln und möchte sie umarmen, aber mir wird sofort bewusst, dass wir in der Öffentlichkeit sind.


,,Hey, Rey", sage ich zu dem Mädchen. Sie hat ihre dunklen Haaren zu einem komplizierten Zopf geflochten und trägt ein hellblaues Kleid, welches ihre zierliche Figur betont.


,,Taehyung", Rey zwinkert mir zu und blickt dann mit einem leichten lächeln zu Haera, welche sie ebenfalls zaghaft anlächelt.

Ich lasse Haeras Hand los und lege meinen Arm um ihre Taille, was sie sichtlich überrascht.


Rey schaut vielsagend zwischen mir und Haera her und als hätte ich ihre Gedanken gelesen, schüttele ich meinen Kopf.

,,Wollen wir?", fragt Haera nach kurzem Zögern. Ich schaue zu ihr runter und merke, dass sie sich etwas entspannt hat. Ihr Körper ist leicht gegen meins gelehnt und ihre Brust hebt und senkt sich langsam und gleichmäßig.


,,Ich glaube, ich habe Namjoon da vorne gesehen, wir sehen uns", Rey verabschiedet sich somit von uns und lässt mich und Haera alleine stehen.


,,Haera?", sage ich leise, aber bestimmt. Ich lasse sie los und sie dreht sich langsam zu mir und blickt genau in meine Augen.


,,Was ist denn?", fragt sie mich ruhig.




,,Hör auf damit", sage ich kurzgebunden und eine kleine Falte bildet sich zwischen ihren Augenbrauen. Sie sieht verwirrt aus.

,,Womit?", hakt sie sofort nach.
Ich vergrabe meine Hände in den Taschen meiner Hose und neige meinen Kopf etwas zur Seite.

,,Ich bin nicht dumm", antworte ich nur knapp.


,,Taehyung, wovon zur Hölle rede—"

,,Ich weiß, nein, wir beide wissen, dass du etwas für mich übrig hast. Du brauchst es nicht zu verstecken und—"


,,Das Gespräch hatten wir schon", unterbricht mich Haera schroff.


Ich schnaube nur leise und schüttele meinen Kopf. ,,Hey, ich wollte noch was hinzufügen", sage ich schlicht und sie verstummt.

,,Was denn?", bringt sie knapp hervor. Ich merke, wie sie ihre Geduld verliert und die eine Seite in mir, die ich verabscheue, genießt es.



,,Dass es okay ist. Ich meine, wenn du nicht zu deinen Gefühlen stehst. Es ist okay", sage ich.


,,Aber", setze ich an und sie hält sofort inne, ,,das wird mich nicht davon abhalten, mich mit anderen Frauen zu vergnügen. Und solltest du auf die Idee kommen, mich bei meinem Vater zu verpetzen, weiß ich, dass es ein Fehler war, dir zu vertrauen."

Und als ihr Gesicht nicht mehr verwirrt aussieht und etwas Verletztes über ihre Augen huscht, macht es endlich Klick.

Ich habe es endlich geschafft.


Umso bitterer ist der Nachgeschmack, als ich für eine Sekunde Reue empfinde.

HIS | k.th✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt