1. Kapitel

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Amber

Ein letzter Schlag, und ich war fertig für heute. Schwitzend traf ich mit voller Wucht die Boxbirne, bevor ich mich erschöpft auf den Boden sacken ließ und meinen Kopf gegen die kalte Wand lehnte. Das Training heute tat gut. Verdammt gut. Wahrscheinlich so gut wie noch nie zuvor. Durch das Boxen hatte ich einen Weg gefunden, meine Aggression abzubauen, und im Moment hatte ich dies ziemlich nötig. Der Hass, den ich auf meinen Freund, nein...Exfreund mein ich, hatte, war gewaltig. Erst letzte Woche hatte er mit mir Schluss gemacht, aber es hatte nicht lange gebraucht, bis ich aufhörte, ihn zu lieben.

 In Büchern trauern die Mädchen ja immer noch ihrem Freund hinterher, sperren sich in ihrem Zimmer ein, vielleicht noch mit ein oder zwei Freundinnen und aßen ganz viel Schokolade. Aber nicht ich, das ist einfach nicht meine Art. Ihm nachtrauern, tat ich nicht lange, aber mit der Zeit entwickelte ich vielmehr eine Wut auf ihn, die größer nicht hätte sein können. Ich war nicht traurig, dass er einfach mit mir Schluss gemacht hatte, nein, es war vielmehr der Fakt, dass er mich betrogen hatte. Wahrscheinlich war es eine weiße, schlankere Highschoolbeauty wie aus den Filmen, die meinen Platz eingenommen hatte. Das schlimmste ist, dass er nicht mal versucht hatte, es mir irgendwie zu erklären und sich zu rechtfertigen. Nein, er hatte mir einfach eine Nachricht über Whatsapp geschickt, dass es aus sei zwischen uns, er wen neues kennengelernt habe. Auf der Party letzte Woche hatte er mich komplett ignoriert, als würden wir uns nicht kennen. Arschloch.

Zitternd wickelte ich das Boxtape von meinen Händen und griff nach meiner Tasche, um meine Trinkflasche zu holen. Doch anstelle meines Wassers fand ich nur mein Handy, das dazu passende Ladekabel und meine Kopfhörer. Ich blickte auf mein Telefon. Keine neuen Nachrichten, und ein kleiner Blick in die rechte obere Ecke zeigte mir, dass ich nur noch zwei Prozent Akku hatte. Ich musste es dringend anschließen. Deshalb entschloss ich mich dazu, mein Handy an die Steckdose zu hängen, während ich mir schnell aus dem Keller eine Flasche Wasser aus der Getränkekiste klaute. Ich stand auf und trat aus dem Trainingsraum heraus. Auf dem Flur begegnete mir noch Jack, einer meiner Trainer, und ich grüßte ihn. „Oh, hey Amber, ich wusste gar nicht, dass du noch hier bist. Hör mal, ich geh jetzt auch heim, hab mir den Feierabend echt verdient. Kannst du einfach, wenn du gehst, die Tür hinter dir zuziehen? Ich glaube es ist außer dir eh niemand mehr hier", sagte Jack. „Klar, mach ich", entgegnete ich. Bevor er ganz aus der Tür war, drehte sich mein Trainer nochmal zu mir um: „Ach ja, und bevor ich es vergesse: Es kommt noch ein junger Herr vorbei, der noch ein paar neue Sporttrikots in den Keller bringen soll. Theoretisch müsste er jeden Moment kommen, also vermute ich, dass er schon wieder weg ist, bevor du gehst. Aber pass einfach trotzdem auf, dass du ihn nicht einsperrst, du weißt ja, dass über das Wochenende niemand in den Trainingsräumen ist. Ciao, schönes Wochenende!", rief er mir noch zu und schloss die Tür hinter sich.

 „Tschüss", murmelte ich vor mich hin und öffnete lächelnd die Tür, die zum Keller führte. Dabei achtete ich extra drauf, einen Türstopper in den Spalt zu tun, damit sie nicht plötzlich zuschlagen konnte. Ich ging die Treppe runter, durch den Flur den Geräteraum, um in den Vorratsraum zu gelangen. Der Raum wurde eigentlich sehr selten genutzt, ich kam hier eigentlich immer nur her, wenn ich mein Getränk vergessen hatte. Neben den Getränkekisten stand ein kleiner Kühlschrank, ein Erste-Hilfe-Kasten und ein Regal, in dem etwas Geschirr aufbewahrt wurde, das normalerweise nur für größere Veranstaltungen unseres Boxvereins genutzt wurde, das Sommerfest zum Beispiel. Aber auch abgesehen von mir kam selten jemand in den Vorratskeller, was sich daraus schließen ließ, dass alles etwas vermodert aussah, in der Ecke einige Spinnenweben hingen und das Licht auch nicht mehr so gut intakt war. Jedenfalls ging ich schließlich zu der Getränkekiste, nahm mir ein Wasser und wollte gerade einen Schluck davon trinken, als plötzlich ein lauter Knall ertönte. „Hallo?", rief ich.

STUCKWhere stories live. Discover now