12. Kapitel

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Grayson

Fliegen? Mein Interesse war geweckt.

"Fliegen ist echt cool. Als kleines Kind habe ich mir immer gewünscht, fliegen zu können. So wie Peter Pan."

Amber zuckte die Achseln. "So toll finde ich es jetzt auch wieder nicht. Es ist zu...typisch. Eine Standartantwort."

Ich hob die Augenbrauen und legte mich auf meiner Matte auf den Bauch, während ich zu ihr hochblinzelte. Schon besser. Im Schneidersitz voreinander zu sitzen wie bei einem Therapie- oder Yogakurs machte mich nervös. "Ich dachte, das wäre deine Lieblingssuperkraft?"

"Ist mir halt als erstes eingefallen", sagte sie achselzuckend. "Aber eigentlich fände ich etwas Ungewöhnliches besser. Etwas, was einem nicht sofort einfällt."

Jetzt wurde ich neugierig. "Zum Beispiel?"

"Zum Beispiel...das eigene Aussehen verändern, dass man 10 Jahre älter oder jünger aussieht. Jeden in seinem Umfeld dazu bringen, nur noch die Wahrheit zu sagen oder ganz die Klappe zu halten. Geld oder Ausweispapiere magisch selbst machen können, sodass man die Fälschung nicht erkennt. Einem Menschen gezielt ein Leben voller Glück oder Pech geben."

Ihre Miene war düster und mir wurde klar, dass sie mir, trotz ihres Vorsatzes, gerade etwas sehr Persönliches von sich gegeben hatte.

Ich musste sehr vorsichtig sein mit dem, was ich als nächstes sagte.

"Welchen Menschen würdest du dann Pech wünschen? Deinem Exfreund?"

Einen Moment sah sie überrascht aus, dann schnaubte sie belustigt. "Dem auch. Auch wenn er so viel Aufmerksamkeit von mir nicht verdient hat."

Ich sollte nicht nachfragen. Sie hatte gesagt, dass sie keine persönlichen Fragen wollte. Es ging mich nichts an. Wahrscheinlich würde sie mich sowieso umbringen.

Aber ich wollte es wissen.

"Ach ja? Was hat er denn gemacht?"

Wider Erwarten rastete sie nicht aus. Ihre langen, schmalen Finger spielten mit dem Saum ihrer Jogginghose und sie hielt den Blick auf sie gesenkt, während sie antwortete.

"Das, vor dem mich alle gewarnt haben."

Sie klang nicht wütend, dass ich nachgefragt hatte. Aber sie sagte auch nicht mehr.

Ich folgte ihren Fingern mit meinem Blick. Ihre Handflächen waren hell und standen in einem ungewöhnlichen Kontrast zu der dunklen Haut auf ihren Handrücken. Ihr Kopf war gesenkt und ich konnte die kurzen schwarzen Kringellocken an ihren Schläfen sehen, die einzelnen Locken in ihrem Afro, ihre langen schwarzen Wimpern und hohen Wangenknochen.

Wie konnte es sein, dass sie auf meine Schule ging und ich sie nie bemerkt hatte?

Sie hob den Kopf und riss mich aus meinen Gedanken.

"Er ist ein Arschloch."

Ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass sie ihren Exfreund meinte.

"Wie heißt er denn?"

"Lucas." Sie machte ein halb abfälliges, halb aggressives Geräusch. Ihre Augen blitzten gefährlich. "Aber Waschlappen trifft es besser."

Ich verkniff mir ein Grinsen. "Geht Mr. Waschlappen auch auf unsere Schule?"

"Nein, er ist fertig mit der Schule", sagte Amber. "Er ist 22 und arbeitet in einem Club. Aber ich will jetzt nicht über meinen Ex reden", fügte sie hinzu, als sie sah, wie ich den Mund öffnete, um die nächste Frage zu stellen. Ich schluckte meine Frage herunter.

STUCKWhere stories live. Discover now