14. Kapitel

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Grayson

Alleine davon zu erzählen, brachte so viele Erinnerungen zurück. Ich lag im Dunkeln und dachte an diesen Abend zurück. Zum ersten Mal, seitdem ich dieses Foto an meinem Spind gesehen hatte, erinnerte ich mich an all die schönen Dinge zurück, all die Dinge, die ich verdrängt hatte, als aus dem schönsten Abend meines Lebens die größte Schande meines Lebens wurde.

In Gedanken schob ich mich wieder durch die Menge, einen Plastikbecher mit Bier in der Hand, und fast konnte ich den Stoß in meine Seite spüren und mein Stolpern. Der Becher rutschte mir aus der Hand und landete irgendwo, und ich verlor das Gleichgewicht und krachte seitlich in jemanden hinein. Ich drehte mich um, völlig verlegen und schon dabei, mich zu entschuldigen.

Aber dann sah ich Pedros Gesicht im Halbdunkeln, diese tiefschwarzen Augen, die zerzausten Locken und breiten Schultern und die Art, wie er lächelte, und mein Magen machte einen Salto. Ich brach mitten im Wort ab und die Zeit blieb stehen und ich konnte nur noch denken:

Wow.

Und er stand da, als wäre ich nicht gerade praktisch auf ihn draufgefallen und hätte ihn dabei nicht noch mit Alkohol übergossen und dann stumm angestarrt, und lächelte mich an mit seinem umwerfenden Grübchenlächeln und sagte "Hi, ich bin Pedro."

Jetzt machte mich die Erinnerung plötzlich traurig. Ich kniff die Augen halb zusammen und versuchte dieses Bild von ihm in meinem Kopf festzuhalten, lächelnd und entspannt und wunderschön.

Denn er würde nie mehr sein als das: eine Erinnerung, ein Versprechen von etwas, das es nie geben würde.

"Hast du ihn noch einmal gesehen nach der Party?", fragte Amber und holte mich aus der Vergangenheit zurück.

Ich zögerte. Ich hatte meine Frage mehr oder weniger beantwortet - niemand konnte mich dazu zwingen, jetzt zu antworten. Aber ich hatte ihr bereits mehr erzählt, als ich musste, und sie war eine überraschend gute Zuhörerin. Und bald würde ich ohnehin nichts mehr mit ihr zu tun haben. So lange hatten mir diese Erinnerungen wehgetan und ich hatte nie mit irgendjemandem darüber geredet. Wenn ich es einer Person erzählen wollte, warum nicht Amber? Sie war unbeteiligt. Sie würde nichts weitererzählen.

Ich begann wieder zu reden und die Bilder füllten meinen Kopf. Ich konnte mich noch so gut an diesen Tag erinnern.

"Nur einmal. Er ist am Tag nach der Party bei mir vorbeigekommen. Ich war komplett mit den Nerven am Ende, und dann habe ich die Tür geöffnet und er war einfach da."

Mein Kopf dröhnte von dem Bier und den Predigten meiner Eltern - "genau das ist der Grund, warum wir dich nicht auf Partys gehen lassen" - , und Nick und Jonah hatten immer noch nicht zurückgeschrieben. Die Angestellte, die die Tür geöffnet hatte, hatte gesagt, Besuch für mich wäre da, und ich hoffte, es wären vielleicht Nick oder Jonah, aber dann riss ich die Tür auf und da war Pedro.

Er sah so erschöpft aus, wie ich mich fühlte, aber er war immer noch so schmerzhaft schön, und mein Herz setzte einen Schlag aus. Er war gekommen. Er hatte meine Adresse. Ich wollte ihn an seinem Hoodie an mich ziehen und ihn küssen. Aber ich konnte nicht - ich würde nicht. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, um ihn nicht zu berühren, und sagte so unfreundlich wie möglich: "Was machst du hier?"

Und in diesem Moment, als sein Gesicht in sich zusammenfiel, wurde mir bewusst: das hier musste das letzte Mal sein, dass ich ihn sah. Er durfte nicht in meinem Leben bleiben und ich nicht in seinem. Ich musste ihn wegschicken und ich musste es schnell und schmerzlos machen.

"Ich habe Finn nach deiner Adresse gefragt", sagte er. "Ich wollte...mit dir reden. Mich entschuldigen, vermute ich."

Und schon waren all meine Vorsätze verpufft. All das hier war doch nicht seine Schuld - es waren meine Fehler, meine Dummheit, und dennoch kam er zu mir und wollte sich entschuldigen. Es tat weh, ihn anzusehen. Er hatte das hier nicht verdient.

STUCKWhere stories live. Discover now