17. Kapitel

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Amber

Meine Augen öffneten sich. Erst nur ganz leicht, dann etwas mehr, und schließlich ganz. Der Raum, in dem ich mich befand, lag in völliger Dunkelheit vor mir, kein einziger Schimmer war zu sehen. Durch die komplette Abdichtung vom Tageslicht hatte ich keine Ahnung, wie viel Uhr es war und konnte nur spekulieren. Wir waren gestern wahrscheinlich irgendwann zwischen elf und ein Uhr eingeschlafen, da ich mich aber ziemlich unerholt fühlte, konnte es nicht später als neun Uhr sein. Ein dumpfer Schmerz, den ich auf der rechten Schulter spürte, zwang mich dazu, mich aufzurichten und mir mit den Händen den Nacken zu massieren. Ob die unruhige Nacht auf der Isomatte die Ursache für meine Beschwerden waren, konnte ich nicht sagen. Orientierungslos blickte ich in das tiefe Schwarz des Raumes, welches jedes kleinste bisschen Licht in sich aufsog und so eine klare Sicht unmöglich machte. Verschwommene Erinnerungen kamen auf einmal wieder hoch.

Da war Rauch. Ein plötzliches, unerwartetes Gefühl der Zufriedenheit und Unbeschwertheit. Ich war völlig frei, keine Wände oder Türen hatten für mich irgendeine Bedeutung. Eine scharfe Stimme, die "Mach die Zigarette aus, Amber" schallte. Das Erlischen der Zigarette und damit auch des befriedigenden Gefühls. Und ein Feuerzeug, das ich neben mich legte, bevor ich wieder schlafen ging. Moment.

Das Feuerzeug, es musste noch immer neben mir liegen. Halbblind ertastete ich den kalten Boden neben meiner Matte und rechnete damit, jeden Moment ein kleines, rechteckiges Ding fassen zu bekommen. Sofort konnte ich etwas Kaltes fühlen, konnte es jedoch nicht richtig greifen, sondern schleuderte es mit meiner Hand ein kleines Stück von mir weg. Na toll.  Auf allen vieren krabbelte ich über den Boden und verließ dabei meinen Platz auf der Isomatte, um nach der Lichtquelle zu suchen. Ich tastete Zentimenter um Zentimeter ab und spürte dabei nichts weiter als die absolute Stille im Raum und die kalten Fliesen unter meinen Fingerspitzen. Umso überraschter wurde ich deshalb, als meine Hand plötzlich etwas Warmes streifte. Ruckartig zog ich meine Hand zurück. Was war das? Ich merkte, wie ich in Panik geriet und mein Herzschlag schneller wurden. Voller Verzweiflung versuchte ich, das kleine Ding irgendwo zu finden. Auf einmal entdeckte ich es, direkt neben mir, griff danach und zündete in kürzester Zeit einen Funken, der Sich zu meinem Glück sofort zu einer großen Flamme entwickelte. Zitternd hielt ich diese vor mir.

Vor mir sah ich einen Jungen liegen. Grayson. Ein riesiger Klotz fiel mir vom Herzen, denn sofort war mir klar, dass meine Hand nur seine gestreift hatte und es keinen Grund gab, in Panik zu geraten. Langsam merkte ich, wie mein Körper wieder zur Ruhe kam, mein Herzschlag sich verlangsamte und ich die Flamme wieder ruhig und ohne Zittern vor mir halten konnte.

Jetzt, wo ich wieder zur Ruhe kam, konnte ich mir Zeit nehmen, die Person vor mir etwas genauer zu betrachten: Grayson lag friedlich schlafend auf der Isomatte, hatte seinen Kopf auf seiner einen Hand abgestützt, die andere stand von seinem Körper ab und zeigte in meine Richtung. Seine Augen waren fest geschlossen und die Gesichtszüge, die gestern so verkrampft und streng gewirkt hatten, waren nun sanft  und und entspannt. Er lächelte sogar leicht im Schlaf, und wenn man genau hinschaute, ließ sich ein kleines Grübchen auf seiner linken Wange erkennen.

Erst jetzt bemerkte ich, wie ich ihm mit meinem Gesicht immer näher gekommen war und meine Nasenspitze nur noch ein paar Zentimeter von seiner entfernt war. Und obwohl ich es mir selber nicht eingestehen wollte, tief in meinem Inneren gefiel es mir, seine Nähe zu spüren.

Langsam wandte ich mich wieder ab von ihm und stand auf. Grayson wollte ich noch schlafen lassen, aber ich wusste, dass ich nicht mehr einschlafen würde. Deshalb entschied ich mich dazu, mich den Umständen entsprechend einigermaßen zu waschen. Im Schein der Flamme tastete ich mich langsam bis zur Küchentür vor. Diese öffnete ich, betätigte den kleinen Lichtschalter daneben und schloss vorsichtig und leise die Tür hinter mir, um Grayson nicht zu wecken. Das helle Licht blendete meine Augen und ich musste mir reflexartig die Hand vor das Gesicht halten. Aber es brauchte nicht lange, bis ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte und meinen Weg durch die Küche in Richtung Badezimmer fortsetzen konnte.

STUCKWhere stories live. Discover now