7. Kapitel

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Amber

Wann ließ mich dieser Junge endlich in Ruhe? Noch immer saß ich da auf dem kalten Boden und hörte genervt der Stimme von nebenan zu. Ich weiß nicht, wie viele Male ich es versucht hatte, ihn dazu zu bringen, mich in Ruhe zu lassen, aber er hörte einfach nicht auf. Gerade hatte ich noch ein bitte und danke in meinen Satz gebracht, und scheinbar hatte dies meinen gewünschten Effekt erzielt, denn er antwortete mit einem kurzen „Immer gern." Im ersten Moment war ich mir nicht sicher, ob nicht in seiner Stimme ein Hauch von Ironie zu erkennen war, aber als ich hörte, wie sich laute Schritte von der Tür entfernten, wurde mir klar, dass er diese Worte ernst gemeint hatte.

Ich ließ ein Seufzen los. Was sollte ich jetzt tun? Mittlerweile hatte ich aufgehört, zu weinen, sondern dachte stattdessen darüber nach, wie man meine derzeitige Situation lösen konnte, so, dass Grayson und ich miteinander klar kamen und gemeinsam eine Lösung unseres Problems fanden. Zum einen wollte ich ja, dass Grayson mich in Ruhe ließ, aber auf der anderen Seite wusste ich, dass wir nicht die ganze Nacht und womöglich das ganze Wochenende so verbringen konnten. Wenn ich schlafen wollte, müsste ich zwangsläufig in den Geräteraum, um mir eine Yogamatte zu holen und nicht auf diesem kalten, harten Steinboden schlafen zu müssen. Sollte er Hunger bekommen, müsste er in den Vorratsraum, in dem ich mich im Moment befand, um sich einen Snack zu gönnen. Klar war also, dass wir miteinander auskommen mussten.

Aber im Moment fühlte ich mich noch nicht bereit dazu, ihm entgegenzukommen.

Unentschlossen sah ich mich im Zimmer um. Mein Blick blieb an dem kleinen Kühlschrank hängen, auf dem seit dem frühen Abend, als wir in diesen Keller eingesperrt wurden, meine Flasche Wasser stand. Erst da fiel mir auf, dass ich den ganzen Abend lang nichts getrunken hatte und ich total dehydriert sein musste, da ich ja vorhin auch noch Sport gemacht hatte. Das Training kam mir schon wieder so weit weg vor, ich hatte das Gefühl für Zeit komplett verloren. Ob es erst 8 Uhr oder schon 11 Uhr war, konnte ich nicht einschätzen. Eins konnte ich aber sagen: Obwohl ich körperlich total erschöpft war, war mir auf keinen Fall nach Schlafen zumute. Ich hatte einfach zu viele Gedanken, die in meinem Kopf herumschwirrten und mich jeden Moment erneut an meine beschissene Lage erinnerten. Das würde eine lange Nacht werden...

Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich die ganze Zeit auf die Wasserflasche geblickt hatte, ohne mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Kurzentschlossen stand ich auf, um endlich wieder etwas zu trinken. Bei der Bewegung merkte ich, wie mir kurz schwarz vor Augen wurde, und ich musste mich kurz am Kühlschrank aufstützen, um nicht umzukippen. Der Kreislauf hatte es Mal wieder in sich.

Endlich schaffte ich es, nach der Flasche zu greifen und den Schraubverschluss zu öffnen. Ich nahm einen großen Schluck. Das kühle Wasser floss durch meinen Hals und tat unglaublich gut. Erst jetzt merkte ich, wie viel Durst ich eigentlich hatte und ich machte weitere große Schlucke. Ein Schluck. Zweiter Schluck. Dritter Schluck. Ich war so auf das Wasser konzentriert, dass ich von dem Klopfen, das von der Tür kam, total überrascht wurde.

Ich zuckte zusammen und riss reflexartig die Flasche vom Mund, wobei gefühlt eine ganze Badewanne voll Wasser auf mein Oberteil schwappte. „Shit", fluchte ich und pfefferte mit viel Schwung genervt die Wasserflasche zurück auf den Kühlschrank. Vor lauter Schreck musste ich mich erst kurz wieder fassen, bevor ich auf das Klopfen reagieren konnte. Was sollte ich tun? Sollte ich mit Grayson reden? Oder lieber weiterhin in diesem Zimmer bleiben und so tun, als hätte ich ihn nicht gehört?

Schließlich entschloss ich mich dazu, mit ihm zu sprechen, seufzte kurz und rief dann: „Ja?".

Mit einer leisen, unsicheren Stimme hörte ich Grayson aus dem Nebenraum fragen: „Ähm, Entschuldigung für die Störung, aber habt ihr hier unten zufällig eine Toilette? Ich müsste echt mal dringend...". Das wollte er also?

Eigentlich war ich noch immer sauer auf ihn und werde es auch immer sein, aber diese ganze Situation war schon etwas skurril und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich öffnete Grayson die Tür, zeigte stumm auf die Tür an der gegenübergelegenen Wand und achtete darauf, dass er mein Grinsen nicht sah. Eilig lief er ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. Dann entschloss ich mich dazu, in den Geräteraum zu gehen, da dieser wärmer war, und begann dort, meine nächsten Handlungen zu überdenken.

Sollte ich ihn auf unsere Eltern ansprechen? Ich wusste es nicht. Sollte ich aufhören, ihn zu beleidigen? Vielleicht. Konnte ich ihm verzeihen? Nein.

Ich blickte auf mein T-Shirt und bemerkte, dass sich ein riesiger Wasserfleck darauf gebildet hatte von meinem kleinen Unfall vorhin. Außerdem bemerkte ich, dass meine Hände angefangen hatten zu zittern und mich kurz darauf ein Schüttelfrost überkam. Je mehr ich über die Temperatur, die es in diesem Raum hatte, nachdachte, desto kälter wurde mir.

Klar war, dass ich schnell etwas tun musste, um nicht krank zu werden. Ich sah mich im Raum um und hielt Ausschau nach einer Lösung. Mein Blick fiel auf den Schrank mit den T-Shirts, die Grayson vorhin vorbeigebracht hatte. Kurzentschlossen stand ich auf und griff mir gleich zwei Trikots aus der Kiste im Regal. Ich zog mein durchnässtes und durchgeschwitztes T-Shirt aus und ersetzte sie durch die beiden Trikots, die ich übereinander anzog. Schon gleich wurde mir viel wärmer, sowohl physisch, als auch ums Herz, und ich bekam bessere Laune.

Interessiert betrachtete ich mich in dem Spiegel, der an einem anderen Regal angebracht war. Vor mir sah ich ein verschwitztes Mädchen mit starken Augenringen, das sehr müde aussah. Ich erschrak vor mir selber, so fertig sah ich aus. Einen kleinen Schritt wich ich nach hinten. Die T-Shirts waren mir viel zu groß, weshalb ich aussah wie als hätte ich einen Sack über den Kopf gezogen. Eigentlich war mir im Moment ziemlich egal, wie ich aussah, aber da ich im Moment eh nichts Besseres zu tun hatte, drehte ich mich im Kreis, um mich von allen Seiten betrachten zu können.

Plötzlich hielt ich inne, blieb stehen und blickte in Richtung Vorratskeller. Dort stand Grayson im Türrahmen und musterte mich mit einem Blick, den ich überhaupt nicht einschätzen konnte.

Ich merkte, wie mir Blut in den Kopf hochschoss und ich rot wurde. Obwohl ich von Grayson überhaupt nichts hielt, war mir die Situation echt peinlich.

Wer weiß, wie lange er mir zugeschaut hatte...

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Dieses Kapitel wird jolame03 gewidmet, weil sie eine verrückte Nudel und treue Followerin ist und wollte, dass man ihr ein Kapitel widmet.


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