16. Kapitel

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Grayson

Es sollte eine sehr unruhige Nacht werden.

Als ich zum ersten Mal aufwachte, wurde ich von einem lauten Geräusch geweckt. Orientierungslos öffnete ich die Augen - und blickte in Dunkelheit. Alles um mich herum war so stockdunkel, dass ich nicht einmal meine Hände sehen konnte, wenn ich sie mir vor mein Gesicht hielt. Dadurch wurde alles unwirklich und ich war mir plötzlich unsicher, ob ich wirklich wach war oder nur einen eigenartigen Traum hatte.

Ich merkte, dass ich nicht in meinem Bett lag - das war deutlich wärmer und weicher als der harte, kalte Boden, auf dem ich lag - und dass ich auch nicht in meinem Zimmer war oder irgendwo zuhause. Es brauchte allerdings überraschend lange, bis die Erinnerungen wiederkamen.

Der Boxverein und die Trikots. Die verdammte Tür und Boxergirl. Amber Croney.

Ich erinnerte mich an ihre bissige Art und ihr hübsches Gesicht und wie wir uns angefaucht hatte. Ich stritt mich selten mit irgendwem - dass ich mit jemandem nur stritt, war mir noch nie passiert. An meinen letzten Streit mit Mia konnte ich mich nicht einmal erinnern. Aber Amber hatte etwas an sich, was mich reizte. Wenn meine Eltern sehen würden, wie ich dermaßen meine Höflichkeit und Manieren vergaß, würden sie ohnmächtig werden. Aber wahrscheinlich würden sie schon bei Ambers Benehmen in Ohnmacht fallen, dachte ich und musste grinsen. Die Vorstellung, wie meine Eltern und Amber aufeinandertrafen, war nur noch komisch.

Ich gähnte, nur halb wach, und wollte gerade Ambers Namen flüstern, um zu sehen, ob sie wach war - ich wusste, dass sie da war, weil ich hörte, wie sie sich hin- und herwälzte - , als ein Schrei die Stille zerriss.

Ich gefror zu Stein bei dem Geräusch. Der Schrei war laut, erfüllt von einem Entsetzen, das ich nicht verstand, und kam von Amber.

„Amber? Was ist los?", fragte ich völlig erschrocken. „Amber!"

Der Schrei brach ab und ich hörte wieder, wie sie sich hin- und herwarf, bevor sie wieder schrie. Es war ein so gequältes Geräusch, dass es mich tief im Inneren traf und mich von meiner Schreckstarre befreite. Ich beeilte mich, mich aufzurappeln und zu Amber zu kriechen. Auf dem Weg blieben meine Knie an der Isomatte hängen, von der ich wohl im Schlaf hinuntergerollt war. Ich hatte keine Ahnung, wo Amber lag, und folgte blind den Geräuschen, die sie machte - der Schrei, der in ein wütendes Schluchzen überging, das Rascheln, wenn sie sich im Schlaf drehte.

Sie hatte einen Alptraum, wurde mir klar. Was träumte sie nur, dass sie solche Laute machte? Es klang, als hätte sie entsetzliche Schmerzen.

Meine tastenden Finger trafen auf einen warmen Körper und fanden Ambers Schultern im Dunkeln. Sie zitterte wie ein frierendes Kind und ihre Arme zuckten wild. Als sie meine Hand spürte, drehte sie sich mit einem plötzlichen Schwung vom Bauch auf den Rücken und eine ihrer Fäuste traf mich mit voller Wucht in die Magengrube.

Die Luft wurde aus mir herausgepresst und ich krümmte mich unwillkürlich. Verdammt, das tat weh. Wieso musste sie ausgerechnet boxen gehen?

„Amber, was sollte das?", brachte ich heraus.

Sie war jetzt wach - die Geräusche hatten aufgehört und sie war still.

„Noah?"

Ihre Finger tasteten sich plötzlich über meinen Nacken und meine Schultern. Ich zuckte heftig zusammen und mein Herz begann zu rasen. Wer war Noah?

„Amber-"

„Schhhh", machte sie beruhigend und dann waren ihre Arme um mich und sie zog mich an sich, sodass mein Gesicht an ihrem Hals lag, und ich war zu perplex, um irgendetwas zu tun. Ihre Hände streichelten über meinen Rücken. Mein ganzer Körper stand von der unerwarteten Nähe wie unter Strom und ich bemerkte benommen, dass sie gut roch - ein angenehmer, überraschend süßer Duft, der gut zu ihr passte. Mein ganzer Körper verkrampfte in ihren Armen und ich war plötzlich eigenartig eifersüchtig auf Noah, wer auch immer das war. „Es war nur ein Alptraum. Es ist okay, Noah, keine Sorge-"

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