Der Palast

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,,Beeilung!", rief der Führer der Gruppe und augenblicklich liefen alle noch schneller. Ich konnte kaum noch Schritt halten, zum Einen, weil ich immer noch geschwächt war, zum Anderen, weil sich eine harte Tatsache in meinen Kopf bohrte. Die Waldelfen existierten tatsächlich. Und ich war in ihrer Welt gefangen und wusste nicht, wie ich fliehen konnte. Meine Eltern, würden sie mich suchen? Garantiert. Aber sie würden mich nicht finden. Nie.

Ich schrie auf. Wieder kehrte der Schmerz zurück. Ich war über eine gigantische Wurzel gestolpert, als ich so in Gedanken versunken war. Sofort wurde ich von zwei Männern auf die Beine gezogen. Fast wäre ich wieder hingefallen, weil mir total schwindelig war, aber als ich sah, wie amüsiert die beiden Elfen grinsten, nahm ich mir vor, ihnen diese Genugtuung nicht zu geben. Ich stellte mich aufrechter hin und starrte sie finster an. Das Grinsen verschwand augenblicklich aus ihren Gesichtern. Da fiel mir auf, wie viele Elfen mich anstarrten. Irgendwie fühlte ich mich dadurch wie ein seltenes Exemplar einer Schlange, das im Zoo von neugierigen Kleinkinder angestarrt wird. Zu meinem Glück schrie der Anführer in diesem Moment, wir sollen weitergehen und nicht so blöd herumstehen. Also setzte sich der Zug von Elfen wieder in Bewegung und ich wurde mitgeschleift.

Vor mir tauchte ein riesiges Gebäude mit tausenden von Türmen und Zinnen auf. Es hatte einen wunderschönen Vorgarten, in dem die seltsamsten Pflanzen wuchsen. ,,Das ist der Palast des Elfenkönigs.", erzählte mir die Heilerelfe, ,,Gleich wirst du empfangen." Ich wollte etwas fragen, aber die Worte kamen mir nicht über die Lippen, denn der Anblick raubte mir den Atem. Plötzlich öffnete sich die große Flügeltür und ein Mann trat heraus. ,,Willkommen, willkommen", sagte er mit gespielter Fröhlichkeit. Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie mochte ich ihn nicht.

Nachdem ich hereingeführt worden war, löste sich der Kreis aus Elfen, der mitgegangen war. Die Heilerelfe, die sich mir als Audra vorstellte, blieb aber an meiner Seite und geleitete mich durch einen Gang, bis zu einer golden verzierten Tür. Etwas stand auf ihr, aber ich kannte diese Schrift nicht. Audra schien meinen neugierigen Blick zu bemerken, denn sie erklärte: ,,Das ist unsere Schrift. Dort steht 'Ankleidezimmer'." Ich nickte, doch mir graute bei der Vorstellung, was mir da bevorstand.

Audra machte eine Handbewegung und die Tür öffnete sich. Hatten Elfen eigentlich magische Kräfte? Doch mir blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn Audra ging schnellen Schrittes in den Raum und begann, in Schränken und Kommoden herumzuwühlen. Währenddessen konnte ich ausgiebig dieses gigantische Zimmer bewundern. Es gab mehrere Umkleidekabinen und riesige Schränke, die bis hoch zur Decke reichten. Aus offenen Schubladen hingen hier und da Kleider heraus. Außerdem stapelten sich überall Schuhe und Hüte. In einer Ecke stand eine goldene Nähmaschine. Hier hatte wohl jemand angefangen, etwas zu nähen und dann mittendrin aufgehört.

Audra tauchte schließlich aus einem Berg aus Stoff auf und hielt mir ein Kleid hin. Es sah ungefähr so aus, wie ihres, dunkelgrün und ziemlich lang, aber doch aufwändig genäht und reichlich verziert. Mir gefielen die Trompetenärmel mit ihren goldenen Schnörkeln, weil sie ihren ganz eigenen Stil hatten. Zu dem Kleid besorgte Audra mir schwarze Schuhe, die ganz schlicht waren, und einen dunkelblauen Umhang mit Kapuze. Insgesamt war ich ziemlich zufrieden, als ich mich im Spiegel betrachtete.

,,Und jetzt, komm", sagte sie, ,,Wir wollen dich dem Berater des Königs vorstellen." ,,Moment mal!",rief ich, als sie mich mit sich ziehen wollte, ,,Kann ich da nicht mitreden?" Audra lachte nur. ,,Was hast du dir vorgestellt? Du bist die Auserwählte. Sie wollen dich auf keinen Fall entkommen lassen."

Wir befanden uns in einem kleinen Raum und warteten. Mir war furchtbar langweilig, bis auf einmal ein Mann hereingehastet kam. Bei näherer Beobachtung erkannte ich ihn wieder. Er war der Mann, der vorhin vor dem Schloss stand und alle empfangen hatte.

,,Egan, das ist sie.", sagte Audra mit leiser Stimme, die irgendwie ängstlich klang. Egan? Irgendwoher kannte ich den Namen doch! Ich dachte fieberhaft nach, aber ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wo ich diesen Namen schon mal gehört hatte.

The hidden worldWhere stories live. Discover now