Auf der Flucht

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Ich flog und flog, ohne auch nur einmal nach hinten zu schauen. Doch als die Dämmerung kam, holte mich die Müdigkeit ein. Schließlich war ich seit Stunden in Höchstgeschwindigkeit geflogen. Wo war ich überhaupt? Ich drosselte das Tempo und sah mich um. Direkt unter mir plätscherte ein kleiner Bach. Ansonsten gab es nur Wiese. Fieberhaft überlegte ich, ob es schlau wäre, hier zu schlafen, aber ich kam zu dem Schluss, dass ich meinen Feinden schlafend hier völlig ausgeliefert wäre. Seufzend flog ich weiter.

Es war schon nachts, als ich endlich eine Erdöhle fand, die gut versteckt unter einem umgefallen Baum lag. Eine Woge der Erleichterung überflutete mich. Langsam trat ich ein. ,,Hallo?", rief ich. Nicht dass hier noch irgendwer wohnte. Als ich keine Antwort bekam, schmiss ich meine Tasche auf den Boden. Dann legte ich mich hin und schlief sofort ein.

Ich wachte von Vogelgezwitscher auf. Konnten die nicht mal leiser sein?! Knurrend richtete ich mich auf. Ich war hundemüde und wegen dem blöden Gesinge konnte ich nicht schlafen. Wieso immer ich?! Am liebsten hätte ich meine Wut aus mir herausgeschrien, aber dann würde mich jeder hier finden. Also schluckt ich alles runter. Weil ich ja kein Essen dabeihatte, verzichtete ich aufs Frühstück. Ich hatte sowieso keinen Hunger. Andere Dinge waren viel wichtiger! Und ich hatte viel vor. Ich zog meine Tasche zu mir heran und begutachtete alle Bücher, die ich dabeihatte. Mit gerunzelter Stirn überlegte ich, welches mir am besten helfen konnte. Schließlich entschied ich mich für ein ungewöhnlich kleines, in Leder gebundenes Buch. In schnörkeligen Buchstaben rankte sich der Titel über den Einband:

Seltene Portale und Rituale

Irgendwie klang das komisch, aber es war sicher hilfreicher, als Bücher über die Kunst des Heilens oder so. Nur nicht den Mut verlieren, sagte ich mir, schlug die erste Seite auf und überflog den Text. Im Großen und Ganzen wurden verschiedene Rituale aufgelistet, deren Ausführungen man bei Wahrsagerinnen erfragen konnte. Na wunderbar! Das hatte mir jetzt auch nicht weitergeholfen. Meine schlechte Laune kehrte zurück, bis ich einen Satz las.

In seltenen Fällen lässt sich sogar ein Tor zur Menschenwelt öffnen.

Mir hatte es die Sprache verschlagen. Es könnte also gehen! Tausendmal las ich den Satz, weil ich es einfach nicht glauben konnte. Vielleicht würde ich es sogar schaffen und zurück in meine Heimat kommen! Ich dachte an Mama, Papa und Oma. Sie vermissten mich bestimmt sehr. Aber sie müssen ja nicht mehr lange warten, dachte ich.

In den nächsten Stunden durchblätterte ich das kleine Buch und suchte die Namen aller Wahrsagerinnen heraus. Vielleicht würde ich eine ausfindig machen. Aber erstmal brauchte ich Proviant, denn ohne Essen würde ich nicht lange auskommen. Also zog ich am späten Nachmittag los und suchte Pilze und Kräuter. Am Abend ging ich meinen Plan nochmal genau durch. Ja, so sollte es klappen.

Aber ich hatte ja keine Ahnung.

The hidden worldTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon