Das Schloss

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,,Mama!"
Ich stürzte mich auf sie, sprang dann doch gleich wieder zur Seite. Nicht, dass sie nochmal ohnmächtig wurde. ,,Was ist los?", fragte sie und hielt sich den Kopf. Als ich nicht antwortete, schaute sie mich eindringlich an. ,,Hör zu", begann ich, ,,Das ist ein wenig ... verrückt. Wir sind sozusagen... in einer anderen ... Welt... gestrandet.", schloss ich. Mama schaute mich an, als hätte sie einen Geist gesehen. Ich war ehrlich überrascht, dass sie mir das alles ohne weiteres glaubte. ,,Aha", sagte sie jetzt, ,,Und wie kommt das?" Ich erzählte ihr meine ganze Geschichte, wie ich einst in das Erdloch gefallen war, wie ich fliegen gelernt hatte und wie Oma mir geholfen hatte. Als ich Oma erwähnte, schaute sie noch überraschter. Ich machte mir echt Sorgen, dass Mama nach dieser Geschichte wieder umkippen würde. Aber ich lag falsch. Im Gegenteil, sie setzte sich auf, und machte Anstalten, sich sogar hinzustellen, doch ich drückte sie fest auf den Boden. ,,Du bleibst hier liegen, bis Papa und Oma sich um dich gekümmert haben. Verstanden?" Mama nickte, schon wieder ganz blass. ,,Also", redete ich weiter, ,,Vielleicht kann ich zu Audra fliegen und sie um Hilfe bitten. Aber erst, wenn ich sicher bin, dass es dir auch wirklich gut geht."

Als Papa und Oma mit ein paar Waldbeeren aus dem Wald kamen, ging es Mama schon viel besser. Sie war in der Lage, aufrecht zu sitzen und die Umgebung bewusst wahrzunehmen. Doch als ich Papa meine Idee mit dem Fliegen erzählte, schüttelte er den Kopf. ,,Es ist besser, wenn uns erstmal niemand bemerkt. Es könnte gefährlich sein." Ich wollte protestieren, aber da kam Oma ganz aufgeregt zu uns. ,,Da ist ein Weg!" ,sagte sie ganz aufgeregt und deutete auf einen kleinen Trampelpfad am Ende der Lichtung. Papa schaute mich fragend an und ich nickte. Ich war die Einzige von uns, die schon mal hier gewesen war. Wahrscheinlich sollte ich jetzt überlegen, ob es besser wäre, hier zu bleiben. Aber irgendwann müssten wir ja mal weg von dieser Lichtung. Sonst würden wir hier ja verrotten. Also rief Papa alle zusammen. Ich hatte ein leicht schlechtes Gewissen, weil ich Mama so einen langen Marsch zumutete, aber sie beschwerte sich nicht.

Den ganzen Nachmittag gingen wir so dahin und ernährten uns von den gesammelten Beeren. Langsam verlor ich die Motivation.  Der Wald schien kein Ende zu haben und die Beeren sättigten so gut wie gar nicht. Mama bekam Schweißausbrüche, sodass Papa sie tragen musste.

Stunde um Stunde verging. Und dann, ganz plötzlich, lichtete sich der Wald. Wir alle seufzten erleichtert auf. Doch als wir dann den Waldrand erreichten, nahm uns noch etwas den Atem: ein riesiges Schloss, wohl eher ein Palast ragte vor uns empor. Wir standen seitlich von ihm, doch man konnte auch von hier aus alles gut erkennen.
Doch als ich sah, dass Papa die goldenen Verzierungen mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete, wurde ich stutzig. Wieso guckte er so, als ob er gerade eine komplizierte Matheaufgaben rechnen?

Und dann öffnete er den Mund und flüsterte: ,,Ich glaube, ich war schon mal hier."

The hidden worldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt