Dougal

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,,Hast du alles? Wir müssen los!"

Audra stampfte ungeduldig mit dem Fuß, während ich noch schnell den Inhalt meines Rucksacks in eine Tasche umpackte, weil der Rucksack meine Flügel behindern würde. ,,Ich komme ja schon", rief ich, hängte mir die Tasche um, und entfaltete meine Flügel. Wir hatten vor, zum Palast zu fliegen. ,,Dann los!", reif Audra, und stieß sich von der Türschwelle ab. Ich tat es ihr gleich und flog neben ihr her. Sie hatte eine wahnsinnige Geschwindigkeit, sodass ich mich anstrengen musste, um mitzuhalten. Wir rasten dicht über den Baumkronen dahin. Ab und zu streifte ich mit meiner Hand die obersten Blätter. Als ich mich schließlich an die Geschwindigkeit gewöhnt hatte, machte es sogar Spaß, in diesem halsbrecherischen Tempo über den Wald zu fliegen. Irgendwo am Horizont konnte ich die Umrisse des Palastes ausmachen. Waren wir etwa schon da? Die Umrisse wurden immer schärfer. Kurz darauf verlangsamte Audra das Tempo und sank zum Boden. Sanft kamen wir am Boden auf. ,,Das war der Wahnsinn!", sagte ich. ,,Ich bin so schnell geflogen, weil ich dich austesten wollte. Jetzt kannst du mit Stolz sagen, dass du die maximale Fluggeschwindigkeit von Elfen erreichen kannst", lächelte sie. Ihre Haare waren vom Wind ganz verwuschelt, und stellte fest, dass es bei mir genauso war. Aber das war ja auch egal.

Das große Tor öffnete sich und wir traten ein. Wieder überwältigte mich der Anblick dieses Schlosses. Es war einfach atemberaubend schön. ,,Komm", sagte Audra und lief zielsicher los. Ich fragte mich, wie sie sich nur in diesem riesigen Palast zurechtfinden konnte. Wahrscheinlich eine Eigenschaft von Elfen, die ich nie haben würde.

Wir traten in einen großen, aber leeren Raum. Schnellen Schrittes ging Audra auf eine Ecke zu, in der ein großer Mann stand. Er nickte mir zu und lief sofort los. Audra und ich folgten ihm. Ich fragte mich, was hier los war, und wo sie mich hinbrachten. Aber mir wurde ja nichts gesagt.

Der Mann führte uns durch Millionen von Gängen und Türen. Wie konnte man sich nur so einen langen Weg merken?

Wir erreichten einen großen Flur, an dessen Ende sich eine sehr prunkvolle Tür befand. Der Mann machte eine kleine Handbewegung und die Tür schwang auf. Zielstrebig führte er uns in das Zimmer hinein. Es war riesig. Ein Himmelbett stand an der Wand, und ein großer Kleiderschrank nahm die Ecke ein. Außerdem gab es einen Schreibtisch und eine Tür, die in den Garte führte.

,,Ich...ich muss mich jetzt vorläufig von dir verabschieden", flüsterte Audra. ,,Warum?", fragte ich, doch sie schüttelte nur den Kopf und deutete auf einen Brief, der auf dem Tisch lag. Ich wollte ihn nehmen, aber sie hielt mich zurück. ,,Lies ihn, wenn ich weg bin", schluchzte sie, und zog mich in eine feste Umarmung. ,, Ich hab ich so liebgewonnen. Du warst so eine gute Schülerin. Und jetzt, da ich weiß, was dir bevorsteht,... Es tut mir so leid!" Jetzt weinte auch ich. Wieso schloss ich Menschen nur so schnell ins Herz?

Der Mann räusperte sich, und wir lösten unsere Umarmung auf. Audra schaute mich noch einmal an, und ging dann mit ihm. Automatisch schloss sich die Tür. Da ich aber auch etwas neugierig war, was mir bevorstand, ging ich zum Tisch, nahm den Umschlag, und riss ihn auf. Mit zittrigen Fingern entfaltete ich den Zettel und begann zu lesen:

Sehr geehrte Auserwählte,

Da ich es nun geschafft habe, Sie herzubringen, möchte ich sie mit ihrer Zukunft vertraut machen. Seit ihrer Geburt fiebert das Königreich auf ihre Ankunft hin. Nun sind Sie endlich da. Eine uralte Legende besagt, wenn die Auserwählte und der Kronprinz, den es zu dieser Zeit gibt, heiraten, wird es eine goldene Zukunft für das Land geben. Also laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Sie werden den Kronprinzen Dougal heiraten und zusammen über das Elfenreich herrschen. Mit freundlichen Grüßen

Egan, Berater des Königs

Ich schluckte. Das war schlimmer, als ich erwartet hatte. Ich konnte nie wieder nach Hause. Ich sollte heiraten.

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