Trauer

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Der schlimmste Tag meines Lebens nahte. Mamas Beerdigung. Ich wollte am Liebsten gar nicht aufstehen. Aber dann dachte ich an Mama und dass ich sonst nie die Möglichkeit haben würde, Abschied zu nehmen.
Also stand ich doch auf. An meinem Schrank hing ein langes, schwarzes Kleid. Ich schluckte schwer und zog es dann an. Dann konnte ich es nicht länger verhindern. Tränen rannen mir übers Gesicht.
Ich stand lange so da. Aber dann kam eine Dienerin und brachte mich zum Frühstück. Es kam mir unnötig vor, Frühstück zu machen. Ich würde doch sowieso nichts essen. Lustlos begutachtete ich mein Brötchen. Papa ging es ähnlich. Ich redete aber nicht mit ihm, denn ich hatte Angst, dass ich sonst anfangen würde, zu weinen.
Nach dem Frühstück zog ich mich wieder in mein Zimmer zurück und warf mich aufs Bett. Mein Kleid war mir egal. Ich wollte und konnte diesen Schmerz nicht ertragen. Ich schrie aus Leibeskräften. Dann krümmte ich mich zusammen und schluchzte sehr laut. Als Papa mich abholen kam, weinte ich immer noch. Es war ihm anzusehen, dass es ihm auch richtig mies ging.
Schweigend gingen wir nebeneinander her. Er kam mir irgendwie fremd vor, weil wir beide, jeder für sich, um die gleiche Person trauerten, aber auch nicht darüber redeten. Ich glaube, wir mussten den Schmerz beide erstmal verkraften.

Die meiste Zeit, während der Pfarrer redete, rannen mir stumme Tränen übers Gesicht. Als Mamas Sarg ins Grab gelassen wurde, klammerte ich mich an Papa fest, und weinte bitterlich. Die Vorstellung, dass dort meine Mutter lag, war furchtbar.

Alle anderen waren schon gegangen. Nur ich saß noch 2 Stunden nach der Beerdigung noch vor Mamas Grab. Ich las mir immer wieder die Aufschrift des Steins durch. Am liebsten wollte ich Mama nicht verlassen. Doch als es langsam dunkel wurde, musste ich gehen.

Am Abend betete ich. Ich war mir sicher, dass Mama jetzt vom Himmel auf mich herunterschaute. Deshalb sprach ich auch direkt zu ihr.
Dann weinte ich noch sehr lange. Aber ich war auch froh, endlich richtig Abschied genommen zu haben. Sie war ja immer noch meine Mutter, egal ob tot oder lebendig.

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