POSTKARTE 1: Klingt nach einem Roadtrip

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»Was sollen wir bloss tun mit all der Zukunft?«, sage ich und fahre mit dem Finger den Rand meines Plastikbechers nach

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»Was sollen wir bloss tun mit all der Zukunft?«, sage ich und fahre mit dem Finger den Rand meines Plastikbechers nach.

Es ist der letzte Abend vor den Sommerferien. Den letzten Sommerferien, die ich haben werde, bevor ich ans College gehe. Wir haben unseren Abschluss in der Tasche und jetzt sind wir hier, um 12 Jahre Schulzeit mit billigem Alkohol und klebrigem Kuchen zu feiern.

Das hier fühlt sich viel zu sehr nach einem Ende an, als dass ich es hätte geniessen können. Dabei ist es doch erst der Anfang.

Obwohl die Stimmung ausgelassen ist, liegt der Schmerz des Abschieds doch unweigerlich in der Luft. Meine Freunde ziehen weg, einige bleiben hier - und sie alle sind traurig über das Ende unserer gemeinsamen Schulzeit.

Ich scheine die Einzige zu sein, die sich auf den neuen Anfang freut. Bisher ist mein Leben immer vorbestimmt gewesen und jetzt - endlich - liegt eine Zeit vor mir, in der ich genau das tun kann, was ich will.

Und ich will ziemlich viel. So viel, dass ich nicht weiss, wo ich anfangen soll. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, dass jetzt alles in meiner eigenen Hand liegt. Es fühlt sich an, als würde ich ohne Halt in der Luft schweben. Fast wie fliegen. Und fliegen ist gut.

»Ich glaube nicht an Zukunft«, erwidert der Junge neben mir, an den ich meine Frage gerichtet habe, mit düsterer Stimme.

Es ist nicht wirklich eine Antwort auf meine Frage, aber zugegebenermassen habe ich auch keine erwartet.

Erstaunt, dass er trotzdem etwas erwidert hat, drehe ich den Kopf zu ihm und mustere ihn. Zum ersten Mal sehe ich ihn richtig an.

Ich habe ihn vorher noch nie gesehen und das, obwohl unsere High School nicht gerade gross ist - genau wie Ashtown, die Kleinstadt, die ich jetzt endlich verlassen werde - und hier eigentlich jeder jeden kennt. Trotzdem hat mich diese Tatsache nicht davon abgehalten, mich neben ihm niederzulassen und ein Gespräch mit ihm zu beginnen. Ich werde ihn sowieso nie wieder sehen.

Mit den zusammengezogenen Augenbrauen sieht er bei Weitem nicht so optimistisch aus, wie ich mich fühle. Er sitzt da, den Oberkörper nach vorne geneigt und die Unterarme auf seine Knie gestützt. Das Licht des Lagerfeuers malt Schatten auf sein Gesicht und sein rabenschwarzes Haar hängt ihm in die Stirn - alles in allem macht er einen recht nachdenklichen Eindruck.

Er sieht nicht so aus, als würde ihm dieses Abschlussfest Spass machen. Doch er scheint auch nicht besonders traurig zu sein.

»Woran glaubst du dann?«, frage ich neugierig und richte jetzt meine ganze Aufmerksamkeit auf ihn.

Ich habe nicht viel nachgedacht, als ich mich neben ihn gesetzt habe, ich wollte lediglich ein wenig Smalltalk führen, doch wie es aussieht, wird das hier alles, bloss kein Smalltalk werden. Und das, obwohl wir uns nicht kennen.

»Ich glaube, die Zukunft ist lediglich ein Konstrukt der Menschen, damit sie alles, was sie erreichen möchten, vor sich herschieben können. Eine Ausrede. Damit sie nicht für ihre Ziele kämpfen müssen. In Zukunft wird alles besser. Sie malen sich aus, wie es sein wird...«

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